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Auch im Aufklärungsgespräch: abgefragte Produkte müssen dem LV entsprechen!

04.09.2013

Die Vergabekammer (VK) Arnsberg hat mit Beschluss vom 03.06.2013 – VK 6/13 – folgendes entschieden:

Auch die im Rahmen einer Aufklärung nach Angebotsabgabe abgefragten Produkte müssen den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses in allen Details entsprechen. Sie können auch bei dem preiswertesten Angebot nicht beliebig oft ausgetauscht werden, weil dies einer unzulässigen Nachverhandlung entspräche.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Infrastrukturmaßnahmen im Offenen Verfahren ausgeschrieben. Im Leistungsverzeichnis (LV) hatte er detaillierte technische Vorgaben für die zu verwendenden Baumaterialien gemacht, speziell zu Platten und Pflastersteinen. Für alle Platten- und Pflasterpositionen sollten die Bieter die Vorgaben durch Versickerungsgutachten nachweisen. Für sog. Drainpflaster hatte der AG aufgrund einer Bieterfrage darauf hingewiesen, dass das LV für diese nur einen einzigen Hersteller zulasse, jedoch Alternativangebote mit „leichten Abweichungen in den Spezifikationen“ zugelassen würden. Laut Bekanntmachung waren jedoch Varianten und Alternativangebote explizit ausgeschlossen. Nach Vorlage der Angebote fragte der AG die angebotenen Produkte ab und führte anschließend technische Aufklärungsgespräche, in deren Rahmen Bieter A, der letztlich den Zuschlag erhalten sollte, ein anderes Produkt als ursprünglich angeboten, benannt hatte. A konnte die technische Gleichwertigkeit des angebotenen mit dem ausgeschriebenen Produkt letztlich nicht nachweisen. Dennoch teilte der AG mit, dass der Zuschlag dem Bieter A erteilt werden solle. Hiergegen wehrte sich Bieter B mit einem Nachprüfungsantrag, weil u.a. der Plattenbelag nicht den im LV definierten Anforderungen entspreche.

Die VK gibt hier Bieter B recht und hält den AG an, das Verfahren in den Stand vor Wertung der Angebote zurückzuversetzen. Die Rechtsmeinung des AG, dass aufgrund der (vermeintlich) nicht produktscharfen Ausschreibung beliebige Produkte durch die Bieter nach Angebotsabgabe ausgetauscht werden könnten, soweit diese nur die Vorgaben des LV einhielten und von mittlerer Art und Güte seien, sei fehlerhaft. Grundsätzlich seien im Offenen Verfahren alle vom Bieter geforderten Nachweise bereits mit dem Angebot vorzulegen, es sei denn, der AG habe sich ausdrücklich vorbehalten, diese bei Bedarf nachzufordern. Selbst im Falle, dass nicht deutlich genug geworden sei, dass die Nachweise bereits mit Angebotsabgabe vorzulegen seien, wären sie zumindest hier nicht rechtzeitig nachgereicht worden. Hier habe Bieter A statt der geforderten Nachweise zu dem erstbenannten Produkt ein anderes Produkt für das Drainpflaster angeboten. Dieser Austausch stelle eine unzulässige Nachbesserung und damit eine unzulässige Nachverhandlung dar. Damit werde das Gebot der Gleichbehandlung und des fairen Wettbewerbs verletzt. Das einmal angebotene Produkt müsse alle Parameter des LV erfüllen, anderenfalls sei das Angebot auszuschließen. Dies gelte sowohl bei einer produktscharfen als auch bei einer produktneutralen Ausschreibung. Zwar sei eine Aufklärung gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 EG-VOB/A zulässig. Allerdings könne es im Rahmen einer Aufklärung nicht möglich sein, dass die zukünftigen Vertragsparteien so lange um Produkte feilschen könnten, bis das Wunschprodukt des AG erreicht sei (Sicherung des niedrigsten Preises bei gleichzeitiger Erzwingung der Produktsteigerung). Auch wenn der AG hier erklärt habe, leichte Abweichungen von den technischen Spezifikationen seien zulässig, scheitere eine Änderung des Produktes bereits daran, dass Neben- bzw. Alternativangebote in der Bekanntmachung ausdrücklich ausgeschlossen worden seien.

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RA Michael Werner,
Kanzlei Zirngibl Langwieser Rechtsanwälte Partnerschaft;
M.Werner@zl-legal.de


Anmerkung:
Die Entscheidung ist deshalb besonders lesenswert, da hier der AG eine Vielzahl von Fehlern gemacht hat und grob gegen wesentliche Vorschriften des Vergaberechts verstoßen hat. Wesentlich ist, dass speziell im Offenen Verfahren die im LV geforderten Nachweise bereits mit dem Angebot vorzulegen sind und nicht im Aufklärungsgespräch nach Gutdünken des AG geändert werden können. Letztlich heißt dies: Aufklärungsgespräche sind keine Wunschkonzerte!

  Quelle: RA Michael Werner


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