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Aufhebung der Ausschreibung wegen falscher Kostenschätzung?

03.03.2015

Das OLG Naumburg hat mit Urteil vom 27.11.2014 – 2 U 152/13 – u.a. Folgendes entschieden:

• Ein anderer schwerwiegender Grund für eine Aufhebung der Ausschreibung im Sinne von § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A kann zwar auch darin liegen, dass ausreichende Haushaltsmittel für den Auftrag nicht zur Verfügung stehen. Hierfür genügt jedoch die objektive Überschreitung der Ansätze der eigenen Kostenschätzung nicht, wenn die Kostenschätzung nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist.

• Bei der rechtswidrigen Aufhebung einer Ausschreibung wegen einer objektiven Überschreitung des Haushaltsansatzes kommen Schadensersatzansprüche wegen des negativen Interesses für mehrere Bieter in Betracht.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte im Rahmen eines Bauvorhabens Tischlerarbeiten europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Alleiniges Zuschlagskriterium war der niedrigste Angebotspreis. Bieter A hatte ein Angebot abgegeben und wurde vom AG allein zu einem Aufklärungsgespräch eingeladen. In diesem Gespräch erklärte A, für die Arbeiten an historischen Türen ein spezialisiertes Nachunternehmen einzusetzen, obwohl er in seinem Angebot auf einem Formblatt erklärt hatte, alle Leistungen im eigenen Betrieb auszuführen. Im folgenden hob der AG das Vergabeverfahren auf, weil die Angebotssummen sämtlicher Angebote weit über den veranschlagten Haushaltsmitteln lagen und kündigte eine Neuausschreibung der Leistungen an; später schrieb er diese Leistungen erneut aus und erteilte auch den Zuschlag. A forderte darauf den Ersatz seines positiven Interesses mit der Auffassung, dass die Aufhebung der Ausschreibung rechtswidrig erfolgt sei; hilfsweise macht er den Ersatz des negativen Interesses geltend.

Das OLG sieht den Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses als unbegründet, den auf Ersatz des negativen als begründet an. Der AG habe hier die Ausschreibung rechtswidrig aufgehoben und insoweit eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne von §§ 280 Abs. 1 i.V.m. § 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB begangen; er habe seinen Pflichten aus § 2 Abs. 5 und § 17 Abs. 1 VOB/A nicht genügt. Nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A dürfe eine Ausschreibung nur dann aufgehoben werden, wenn „andere schwerwiegende Gründe“ bestünden, also Gründe, die in ihrer Bedeutung mit denen in Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 vergleichbar seien. Ein solch schwerwiegender Grund könne zwar grundsätzlich auch darin liegen, dass ausreichende Haushaltsmittel nicht zur Verfügung stünden. Hierfür genüge jedoch die objektive Überschreitung der Ansätze der eigenen Kostenschätzung und Kostenplanung alleine nicht. Denn nach § 2 Abs. 5 VOB/A dürfe ein AG Bauleistungen nur ausschreiben, wenn er berechtigt davon ausgehen dürfe, dass er die Leistungen auch bezahlen könne. Dies erfordere regelmäßig eine pflichtgemäße Ermittlung der voraussichtlichen Kosten sowie eine Prüfung, dass ihm die erforderlichen Haushaltsmittel hierfür zur Verfügung stünden. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH komme eine sanktionslose Aufhebung einer Ausschreibung nur dann in Betracht, wenn der schwerwiegende Aufhebungsgrund erst nach Beginn der Ausschreibung eingetreten sei oder dem Ausschreibenden zuvor jedenfalls nicht bekannt sein konnte. Das schließe es aus, dass der AG die Aufhebung der Ausschreibung erfolgreich auf eine Kostenschätzung und die Überschreitung der darin ermittelten Kostensätze stützen könne, wenn seine Kostenschätzung nicht ordnungsgemäß zustande gekommen sei.

Diese schuldhafte Pflichtverletzung einer Aufhebung der Ausschreibung ohne einen Aufhebungsgrund im Sinne von § 17 Abs. 1 VOB/A sei hier für den von A geltend gemachten Schaden jedoch nicht ursächlich gewesen, weil sein Angebot auszuschließen gewesen wäre. Grund hierfür sei, dass er im Angebot erklärt habe, alle angebotenen Leistungen vollständig im eigenen Betrieb auszuführen, während er im Aufklärungsgespräch mit dem AG erklärt habe, ein Nachunternehmen einzusetzen. Damit sei seine Angabe im Angebot objektiv unwahr gewesen. Sein Angebot sei somit nicht zuschlagsfähig gewesen.

Allerdings hätten die Bieter dem Grunde nach einen Ersatzanspruch ihres negativen Interesses bezüglich der rechtswidrigen Aufhebung der Ausschreibung nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 und 241 Abs. 2 BGB. Denn hätte der AG eine ordnungsgemäße Kostenschätzung vorgenommen und hätte diese zu dem Ergebnis geführt, dass mit Kosten der Größenordnung der im Submissionstermin formulierten Angebotsendsumme zu rechnen sei, hätte er entweder für eine entsprechende Bereitstellung von Haushaltsmitteln Sorge getragen oder auf die Ausschreibung in dieser Form verzichtet. In beiden Fällen wäre es nicht zu einer kostenpflichtigen Teilnahme der Bieter am Vergabeverfahren gekommen. Diese hypothetische Betrachtung rechtfertige es, nicht nur dem Bestbieter, d.h. dem Bieter, der bei einem ordnungsgemäßen Verlauf des Vergabeverfahrens den Zuschlag hätte erhalten müssen, einen Ersatz des negativen Interesses zuzusprechen, sondern allen teilnehmenden Bietern.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
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Anmerkung:

Grundsätzlich gilt bei der Aufhebung der Ausschreibung Folgendes:
Liegt ein von § 17 VOB/A umfasster Unterfall vor, ist eine Aufhebung rechtmäßig mit der Folge, dass Schadensersatzansprüche nicht entstehen können. Ist die Aufhebung von § 17 VOB/A nicht gedeckt, ist die Aufhebung rechtswidrig, aber wirksam – mit der Folge, dass Bieter ihr negatives Interesse (Kosten der Angebotsbearbeitung) zu fordern berechtigt sind. Ein Ersatz des positiven Interesses (sog. Erfüllungsinteresse inkl. Gewinn) setzt – wie die Entscheidung zeigt – voraus, dass ein vollgültiges Angebot vorliegt und dieses den Zuschlag sicher hätte erhalten müssen.

  Quelle: RA Michael Werner


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