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BGB-Bauvertrag: Mängelrechte erst nach Abnahme!

23.03.2017

von RA Michael Seitz

Der Besteller kann Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist, wofür allerdings allein das Verlangen eines Vorschusses nicht ausreichend ist.

Dies hat der BGH in einem Urteil vom 19.01.2017 (VII ZR 301/13) entschieden.

Der Fall: AG beauftragt AN mit der Erneuerung von Fassaden an zwei denkmalgeschützten Gebäuden. Die VOB/B ist nicht vereinbart. AN führt die Arbeiten aus, AG nimmt diese jedoch nicht ab, sondern rügt vielmehr Mängel und setzt eine Frist zur Mängelbeseitigung, die fruchtlos verstreicht. Daraufhin leitet AG ein selbstständiges Beweisverfahren ein. Der gerichtlich bestellte Sachverständige stellt Mängel fest. AG verlangt von AN Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung in Höhe von rund € 30.000,00. AN ist der Meinung, vor Abnahme stehe AG ein Kostenvorschussanspruch gemäß § 634, 637 BGB nicht zu. Landgericht und OLG gewähren dem AG den Kostenvorschussanspruch.

Das Urteil: Der BGH hebt das Urteil des OLG auf und verweist die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das OLG zurück! Der BGH setzt sich ausführlich mit dem in der juristischen Literatur ausgetragenen Meinungsstreit auseinander und entscheidet, dass AG die Mängelrechte nach § 634, 637 BGB (Nacherfüllung sowie – nach Fristsetzung – Ersatzvornahme, Minderung, Rücktritt sowie Schadensersatz) grundsätzlich erst nach der Abnahme geltend machen kann. Bereits der Begriff der Nacherfüllung spreche dafür, dass diese erst nach dem Ende des Erfüllungsstadiums – also nach der Abnahme – verlangt werden könne. Diese Lösung sei auch interessengerecht. Vor der Abnahme steht der Besteller nämlich keineswegs rechtlos, er hat vielmehr die allgemeinen Leistungsstörungsrechte (Schadensersatz statt und neben der Leistung, Rücktritt und Kündigung aus wichtigem Grund). Allerdings ist der Schadensersatzanspruch – anders als der Nacherfüllungsanspruch, die Ersatzvornahme oder die Minderung – verschuldensabhängig. Das stelle den Besteller vor Abnahme jedoch nicht schlechter, da das Verschulden des AN auch darin bestehen könne, dass eine ihm vom AG gesetzte Frist zur Erfüllung fruchtlos verstrichen ist. Aus diesem Grund besteht nach Auffassung des BGH auch kein faktischer Zwang, die Abnahme zu erklären, um die Mängelrechte geltend machen zu können, zumal AG sich bei der Abnahme die Rechte wegen erkannter Mängel vorbehalten könne. Eine Ausnahme von dieser Regel gilt nach Auffassung des BGH allerdings dann, wenn zum einen der AN seine Leistung als fertig gestellt zur Abnahme anbietet (also beispielsweise die Schlussrechnung stellt) und zum anderen ein so genanntes „Abrechnungsverhältnis“ entsteht. Das ist der Fall, wenn der AG nur noch Schadensersatz in Geld oder Minderung verlangt und damit die Erfüllung des Vertrages nicht mehr verlangen kann. Verlangt AG jedoch – wie hier – lediglich einen Vorschuss für die Ersatzvornahme, so verliert er seinen Erfüllungsanspruch grundsätzlich nicht. Nach Auffassung des BGH kann dies ausnahmsweise dann anders sein, wenn der Besteller ausdrücklich oder stillschweigend zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen, AG es also ablehnt, dass AN den Vertrag noch erfüllt. Allein in der Geltendmachung des Vorschussanspruches liegt eine solche ernsthafte und endgültige Ablehnung jedoch nicht. Daher muss das Berufungsgericht, an das der BGH die Entscheidung zurück verweist, nunmehr aufklären, ob die Voraussetzungen für ein solches Abrechnungsverhältnis, also eine endgültige Ablehnung der Leistungserfüllung durch AG, vorliegt.

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Fazit: Mit dieser Entscheidung hat der BGH eine seit langem schwelende Streitfrage für die Praxis geklärt. Bei einem BGB-Vertrag können die Mängelrechte des § 634 BGB (Nacherfüllung und Nachfristsetzung, Ersatzvornahme, Minderung, Rücktritt und Schadensersatz) erst nach der Abnahme geltend gemacht werden. Vor der Abnahme ist das Werk nicht fertig gestellt, es bestehen also die Erfüllungsansprüche und daneben Schadensersatzansprüche sowie das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund. Die Problematik, dass der Schadensersatzanspruch – anders als die Ansprüche auf Nacherfüllung, Ersatzvornahme, Minderung usw. – ein Verschulden des AN voraussetzt, löst der BGH mit einem Kunstgriff: Ein Verschulden könne auch bereits darin gesehen werden, dass AN eine ihm gesetzte Frist zur Erfüllung (= Herstellung eines mangelfreien Werkes und also Beseitigung etwaig vorhandener Mängel) fruchtlos verstreichen lässt. Für die Praxis bedeutet die Entscheidung wohl folgendes: Bei einem BGB-Vertrag kann der Besteller vor Abnahme für den Fall, dass er Mängel erkennt, nur dadurch reagieren, dass er unter Fristsetzung Erfüllung (also mangelfreie Herstellung und damit Beseitigung der Mängel) verlangt, darüber hinaus stehen ihm Schadenersatzansprüche und – bei schwerwiegenden Verstößen – auch das Recht zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages zu. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Besteller endgültig von der Erfüllung Abstand nimmt und nur noch Schadensersatz oder Minderung verlangt. Dann entsteht ein Abrechnungsverhältnis, die Abnahme wird entbehrlich, denn statt der Erfüllung verlangt der AG nur noch Geld. Die BGH-Entscheidung wirft allerdings auch neue Fragen auf: Was gilt beispielsweise, wenn AG nicht Vorschuss für die Ersatzvornahme verlangt, sondern stattdessen nach erfolgloser Fristsetzung die Ersatzvornahme durchführt und die Kosten hierfür verlangt? Diese Frage wurde vom BGH nicht entschieden, dürfte aber in gleicher Weise wie der Vorschussanspruch zu beurteilen sein. Ebenso offen ist die Frage, was gilt, wenn AN die Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert, etwa weil er behauptet, Mängel lägen nicht vor. Dem Besteller wird für den Fall, dass er Vorschuss, Ersatzvornahmekosten oder ähnliches verlangt, zu raten sein, zuvor eindeutig deutlich zu machen, dass er die Erfüllung des Vertrages nicht mehr verlangt. Damit nämlich führt er das Abrechnungsverhältnis herbei und kann dann die Ersatzvornahmekosten, Minderung usw. geltend machen.

All dies gilt ohnehin nur für den Fall, dass die Parteien einen BGB-Werkvertrag geschlossen haben. Haben die Parteien hingegen die VOB/B in ihren Vertrag einbezogen, so steht dem AG gemäß § 4 Abs. 7 VOB/B das Recht zu, schon während der Ausführung als mangelhaft oder vertragswidrig erkannte Leistungen zu rügen und – nach erfolgter Fristsetzung und (Teil-)Kündigung – zur Ersatzvornahme zu schreiten.

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