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BVMB fordert mehr Mittelstandsfreundlichkeit bei ÖPP im Fernstraßenbau

04.08.2014

Mit Blick auf ein vor kurzem veröffentlichtes Gutachten des Bundesrechnungshofes zu den Kosten und der Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Straßenprojekten wäre die öffentliche Hand gut beraten, die Finger von solchen Vorhaben zu lassen. In der Studie kommt die Behörde zu dem Ergebnis, fünf der sechs inzwischen vergebenen ÖPP-Projekte seien wesentlich teurer und unwirtschaftlicher als der konventionelle Autobahnausbau. Eine Vielzahl von Experten und Verbänden hält dem entgegen, der Bundesrechnungshof gehe von falschen Annahmen aus, benutze intransparente Rechenmodelle und vergleiche Äpfel mit Birnen.

Die Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e. V. (BVMB) beabsichtigt, sich nicht an diesem Streit der Experten zu beteiligen. Fakt ist nämlich durch die jüngsten Verlautbarungen von Bundesverkehrsminister Dobrindt, dass auch in Zukunft an ÖPP im Bundesfernstraßenbau festgehalten werden soll. Grundsätzlich befürwortet die BVMB die Beschaffungsvariante ÖPP, kritisiert beim Bundesfernstraßenbau aber schon seit Jahren vehement die Rahmenbedingungen, unter denen solche Projekte in Deutschland verwirklicht werden. „Bei großen ÖPP-Vorhaben im Autobahnausbau hat der Mittelstand bis heute keine Chance, weder als Hauptauftragnehmer noch im Rahmen einer mittelständischen Bietergemeinschaft“, moniert Jürgen Faupel, Vizepräsident der BVMB und zugleich Geschäftsführer der Strassing-Limes GmbH. Er hält Änderungen an den Rahmenbedingungen für dringend erforderlich, damit auch der Mittelstand zum Zuge kommt.

Die Anwendung mittelstandsgerechter Finanzierungsmethoden erachtet Faupel als besonders wichtig, denn bei den für ÖPP-Fernstraßenvorhaben üblichen Projektfinanzierungen seien mittelständische Bauunternehmen schnell überfordert. Sie seien in der Regel nicht in der Lage, das erforderliche Eigenkapital aus eigenen Mitteln aufzubringen und hätten wegen zu geringer Eigenkapitalmittel so gut wie keinen Zugang zum internationalen Kapitalmarkt. Als Alternative zur Projektfinanzierung schlägt der BVMB-Vizepräsident vor, Überlegungen zur auftraggeberseitigen Beistellung der Finanzierung anzustellen. Eine solche Variante sei in Expertenkreisen unter dem Begriff „Stapled-Finance-Modelle“ bekannt und müsse auch vor dem Hintergrund der attraktiven Finanzierungskonditionen für die öffentliche Hand vorbehaltlos geprüft werden.


Mit Blick auf die bei ÖPP-Projekten im Bundesfernstraßenbau weit überzogenen Eignungs- und Referenzanforderungen fordert Faupel mehr Mittelstandsfreundlichkeit. Er regt an, die Eignungsnachweise und beizubringenden Referenzen bei den ÖPP-Fernstraßenbau-Projekten im Detail auf den Prüfstand zu stellen. Durch unnötige und überhöhte Referenzanforderungen bei den Präqualifikationsverfahren im Bereich Finanzierungskompetenz würden künstliche Eintrittsbarrieren geschaffen. Gleiches gelte hinsichtlich des Nachweises einer internationalen Betreibererfahrung. “Dem Mittelstand, auch mittelständisch strukturierten Bietergemeinschaften, wird hierdurch der Marktzugang zu den ÖPP-Projekten verwehrt oder zumindest erschwert“, beklagt auch der Hauptgeschäftsführer der BVMB, Michael Gilka. Er regt an, auch bei ÖPP-Projekten die Referenz- und Eignungsnachweise auf solche Anforderungen zu beschränken, die durch die Beteiligung an konventionell haushaltsfinanzierten Ausschreibungen/Vergaben erworben werden können. Zur Begründung weist er auf die außerordentlich hohe Kompetenz des Mittelstands in den Kernbereichen des Bundesfernstraßenbaus hin, wie etwa beim Autobahnausbau, bei Brückenerweiterungen oder Grund- und Deckenerneuerungen. Auch die straßenbau- und ingenieurbautechnischen Eignungs- und Referenzanforderungen sollten sich aus seiner Sicht am Profil der Bauwerke und Maßnahmen orientieren, die bei dem jeweiligen konkreten ÖPP-Projekt zur Ausführung gelangen sollen.

Änderungen an den Rahmenbedingungen hält der BVMB-Hauptgeschäftsführer auch mit Blick auf die Losgrößen für erforderlich. Eine breitere Beteiligung von mit-telständischen Bauunternehmen oder Bietergemeinschaften an ÖPP-Projekten im Bundesfernstraßenbau könne durch mittelstandsgerechtere Losgrößen erreicht werden. Dies gelte sowohl hinsichtlich der Bereitstellung der Bauzwischenfinanzie-rung als auch hinsichtlich der Stellung von Sicherheiten in Form von Bürgschaften bei mehrjährigen Bauzeiten. „Losgrößen bis ca. 200 Mio. Euro Bauvolumen sind für den Mittelstand realisierbar“, betont Gilka.
Unabhängig von ihrer Kritik weisen Faupel und Gilka gemeinsam aber darauf hin, dass die mittelständische Bauwirtschaft weiterhin die konventionell haushaltsfinan-zierten Projekte im Bundesfernstraßenbau absolut bevorzuge. Derzeit würden al-lerdings zu häufig nur die Vorteile von ÖPP-Projekten im Bundesfernstraßenbau herausgestellt. Die in der Vergangenheit oft postulierte höhere Wirtschaftlichkeit der ÖPP-Projekte gegenüber konventionell haushaltsfinanzierten Projekten werde aber sehr kontrovers diskutiert und sei auch noch nicht abschließend unter Beweis gestellt. „Das zeigt ja gerade auch der aktuelle Streit zwischen ÖPP-Experten und dem Bundesrechnungshof“, erklärt Faupel und ergänzt: „Es scheint jedoch An-haltspunkte im Bundesverkehrsministerium dafür zu geben, dass die Qualität der Bauleistung und die Geschwindigkeit der Umsetzung der ÖPP-Projekte Vorteile mit sich bringt. Nach unseren Erkenntnissen ist bisher jedoch noch kein Beweis geführt worden, dass die vorgenannten Vorteile tatsächlich bestehen und - wenn ja - sich nicht auch auf die bauliche Umsetzung der Projekte mit konventionell, haushaltsfi-nanzierten Maßnahmen im Bundesfernstraßenbau übertragen lassen.“ Die BVMB empfiehlt deshalb, hierzu ein Gutachten in Auftrag zu geben, das sich mit dieser auch für die Auftraggeberseite durchaus interessanten Fragestellung auseinander-setzt.

An den Bundestag richten die BVMB-Vertreter die Empfehlung, den im April 2013 vom Deutschen Bundestag angenommenen Antrag der CDU/CSU und der FDP zur mittelstandsgerechten Anpassung der Rahmenbedingungen bei ÖPP im Bundes-fernstraßenbau nicht aus dem Auge zu verlieren. „Nach mehr als einem Jahr tut sich da wenig bis nichts. Wir appellieren an die Parteien, ihren Auftrag ernst zu nehmen und endlich auch zu untersuchen, wie ÖPP im Bundesfernstraßenbau mit-telstandsfreundlich weiterentwickelt werden kann.“

  Quelle: Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V.


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