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Die neue Autobahn GmbH – volle Kraft voraus?

18.11.2020

von VERONIKA BOJTSCHUK

Vor gut zwei Jahren wurde sie erst gegründet – die Autobahn GmbH des Bundes. Und bereits zum Anfang des kommenden Jahres soll sie Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung und Finanzierung der Autobahnen in Deutschland übernehmen. Diese bisher von den Ländern übernommenen Aufgaben sollen nun zentral gebündelt werden, um schnellere Planung, direkte Finanzierung und Kosteneinsparungen zu ermöglichen.

Grund für die GmbH ist die Reform der Bundesfernstraßen vom 01.06.2017, auf die sich die Länder gemeinsam mit dem Bund im Zuge der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen einigten. Die Autobahn GmbH soll nun einheitliche Qualitätsstandards, Effizienzgewinne und viele weitere Vorteile mit sich bringen und mit 15.000 Mitarbeitern eine der größten Gesellschaften des Bundes werden.

Zu dem Hauptsitz der Gesellschaft in Berlin kommen bundesweit 10 Niederlassungen mit insgesamt 41 weiteren regionalen Außenstellen hinzu. Unter der Leitung von Stephan Krenz, der zuvor Geschäftsführer der Abellio war, soll sie die Verantwortung für die rund 13.000 Kilometer Autobahn in Deutschland übernehmen. Finanziert wird die Gesellschaft über die LKW-Maut und die Infrastrukturabgabe für PKW-Halter.

Sie ist zudem nicht berechtigt Kredite aufzunehmen. Die einzig mögliche Fremdfinanzierung liegt bei öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP), die aber nicht mehr als 100 Kilometer Straßenlänge pro Partnerschaft betragen dürfen.

Dem Start der Autobahn GmbH liegen allerdings wie es scheint bereits viele Steine im Weg. In einem Bericht vom Juni dieses Jahres kritisierte der Bundesrechnungshof nämlich sowohl die möglichen ÖPPs der GmbH, die eine Privatisierung erleichtern könnten, als auch die extrem hohen Beratungskosten, die bisher durch die Autobahngesellschaft getätigt wurden.

Nach einer Prüfung der Ausgaben durch den Bundesrechnungshof wurde deutlich, dass die Autobahn GmbH das anfängliche Beratungsbudget von knapp 24 Millionen Euro um mehr als 56 Millionen überschritten hatte und bis 2021 mit Kosten von insgesamt 86 Millionen Euro zu rechnen ist. Vergütet wurden bisher etwa die Unternehmensberater Roland Berger, Ernst & Young, Bearing Point sowie zahlreiche Anwaltskanzleien.
Zwar gab Bundesminister Scheuer zu, die Kosten seien etwas „aus dem Ruder gelaufen“, Geschäftsführer der Autobahngesellschaft Stephan Krenz argumentierte jedoch für den Einsatz dieser ‚externen Mitarbeiter‘. So habe die Autobahn GmbH „mehr Aufgaben als Leute“. Neben der Aktendigitalisierung und dem Aufbau einer neuen IT-Infrastruktur müssen schließlich auch rund 10.000 Beschäftigte den Arbeitgeber wechseln. Für diese kurzfristigen aber umfangreichen Aufgaben würde sich das Einstellen fester Mitarbeiter nicht lohnen und so würde auf externe Berater zurückgegriffen werden. Gunther Adler, der Geschäftsführer für Personal bei der Autobahn GmbH, erklärte die hohen Kosten außerdem durch die knappe Zeit, die für die Reform gegeben sei. Immerhin führte Österreich eine ähnliche Autobahnreform im Laufe von 10 Jahren durch, während dies in Deutschland innerhalb von nur 2 Jahren geschehen soll.

Für die Überziehung der Beratungskosten sowie die fehlende Transparenz über ebendiese wurde die Geschäftsführung der Autobahn GmbH Ende September vom Aufsichtsrat gerügt und in einem Krisengespräch mit Andreas Scheuer zu zukünftigen Kosteneinsparungen angehalten. Eine mögliche Entlastung der Geschäftsführung ist für die Aufsichtsratsitzung im November vorgesehen.

Nun steht aber noch ein weiteres Problem der Entwicklung der Autobahngesellschaft im Wege. Die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) soll in Zukunft als Geschäftsbereich Großprojekte in der Autobahn GmbH aufgehen.

Seit 1991 ist die DEGES im Auftrag des Bundes und zwölf weiteren Bundesländern verantwortlich für die Planung und Baudruchführung wichtiger Infrastrukturprojekte. Obwohl auch andere Verkehrsprojekte wie Schienen- und Wasserstraßen zu dem Profil der DEGES gehören, liegt ihr größtes Auftragsvolumen in den Autobahnen und Bundesfernstraßen. So ist sie zuständig für den Aus- und Neubau von über 2.450 Kilometer Bundesfernstraßen mit einem Auftragsvolumen von rund 30 Milliarden Euro. Gesellschafter der DEGES sind zu 29,08 Prozent der Bund und zu jeweils 5,91 Prozent zwölf Bundesländern. Als technischer Geschäftsführer agiert seit 2006 Dirk Brandenburg.

Ursprünglich plante das BMVI eine Verschmelzung des DEGES mit der Autobahn GmbH, die bereits zu Beginn 2021 geschehen sollte. In seinem Bericht äußerte der Bundesrechnungshof allerdings starke Kritik an diesem Vorhaben und erklärte es als einen möglichen Verstoß gegen Artikel 90 Abs. 3 des Grundgesetzes. Demnach verwalten die „Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften […] die sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs im Auftrage des Bundes.“ Da die DEGES aber für die Länder an Projekten der Bundesfernstraßen arbeitet, würde eine Verschmelzung mit der Autobahn GmbH diese klare Trennung gefährden und alle laufenden Projekte müssten neu ausgeschrieben werden. Dies würde nicht nur zu einem Baustopp auf den Autobahnen und Bundesfernstraßen führen, sondern auch zu erheblichen Schadenersatzforderungen zahlreicher Bauunternehmen.

Bedenken zeigte diesbezüglich nicht nur der Bundesrechnungshof. Auch seitens des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes wurde Sorge über potenzielle Neuvergabe groß. ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa sprach seine Befürchtung aus die Auftragsvergabe könne erheblich ins Stocken geraten, sollten alle Aufträge der DEGES neu ausgeschrieben werden, was erhebliche Einbrüche besonders für klein- und mittelständische Unternehmen bedeuten würde. Außerdem seien durch Corona bereits Vezögerungen bei Vergaben im Straßenbau entstanden. Der Aufbau neuer eigener Landesgesellschaften zur Übernahme der Auftragsverwaltung wäre ebenfalls zu aufwändig und zeitintensiv.

Doch die gut 400 Experten und die jahrzehntelange Erfahrung der DEGES sind für die Autobahn GmbH unabdingbar. Im vergangenen Monat wurde nun eine Lösung gefunden, die dies ermöglicht. Die DEGES soll nun doch nicht in die Autobahn GmbH aufgehen, sondern weiterhin eigenständig im Auftrag der einzelnen Länder an den bestehenden Projekten der Bundesfernstraßen arbeiten. Allerdings wird sie Autobahnprojekte im Auftrag der Autobahn GmbH übernehmen. Per Gesetz werden diese Projekte somit auf die GmbH übertragen, die aber die DEGES weiterhin damit beauftragen wird. Eine Verschmelzung der DEGES mit der Autobahn GmbH steht erstmal nicht zur Debatte, dies könnte möglicherweise erst 2028 realistisch werden, da bis dahin noch aktuelle Projekte laufen.

In einer Stellungnahme betonten sowohl Stephan Krenz von der Autobahn GmbH als auch Dirk Brandenburger von der DEGES die Freude über eine enge zukünftige Zusammenarbeit und die Klarheit, die die Entscheidung des BMVI nun geschaffen hat. Mit einem Fokus auf Kooperation und einem reibungslosen Übergang am 01.01.2021 sollen die Erfahrung der DEGES mit dem vorhandenen Know-how in den Niederlassungen zusammenspielen. Die DEGES soll auch in den Fachboards der Autobahn GmbH mitwirken, ihre Arbeit für die Länder jedoch weiterhin eigenverantwortlich durchführen. Stephan Krenz sieht das Reformziel damit als erreicht, da die DEGES nie Reformziel sondern nur Mittel zum Zweck gewesen sei.

Das wahre Ziel, das Planen, Bebauen und Betreiben der Autobahnen aus einer Hand, sei damit gesichert. Etwa 80 Prozent der zukünftigen Autobahnprojekte wird von den Niederlassungen geplant und gebaut werden, während die DEGES die anderen 20 Prozent übernimmt. Die genaue Arbeitseinteilung soll dabei nach Vorbild des Pilotprojekts im Norden durch das dort erarbeitete Schnittstellenpapier sichergestellt werden.

Das Pilotprojekt, die Niederlassung Nord der Autobahn GmbH, machte sich Anfang des Jahres motiviert und ambitioniert an die Arbeit. Mit Sitz in Hamburg und etwa 180 Beschäftigten kümmert sie sich seit dem 01.01.2020 um rund 700 Kilometer Autobahnabschnitte in Hamburg und Schleswig-Holstein. Die Außenstellen, die Anfang des Jahres ebenfalls bereits eröffneten, sind Lübeck und Rendsburg. Dabei übernimmt sie bisher zahlreiche kleinere Projekte, während die DEGES weiter verantwortlich für die Großprojekte ist. Die Niederlassung begleitete 2020 bereits alle zuständigen Beschäftigten bei dem Übergang in die Autobahn GmbH und führte unter anderem zahlreiche Sanierungen, Sicherheitsmaßnahmen und eine Neuordnung der Entwässerungsanlage in Schleswig-Holstein durch.

Ein Start der Autobahn GmbH wird in absehbarer Zukunft also stattfinden. Allerdings wird die Autobahn GmbH noch individuelle Kooperationsverträge mit den einzelnen Ländern schließen müssen. Die IT-Systeme der Länder werden bis 2023 noch weiter genutzt und die Länder werden auch weiterhin für Lohnabrechnungen zuständig sein und Hilfe bei der Planung von Projekten leisten. Laut Uwe Lahl, dem Amtsleiter des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg, sind dies jedoch gute Neuigkeiten, da nun Klarheit und mehr Ordnung herrscht.

Weniger optimistisch sehen dem Start der Autobahngesellschaft jedoch weite Teile der Bauwirtschaft entgegen. Bereits überzogene Ausgaben im Bundeshaushalt und ein Etat des Bundes von fünf Milliarden Euro mit bereits verplanten sechs Milliarden könnten einen Vergabestopp bedeuten. Das Ministerium stellte jedoch klar: Zu einem Vergabestopp wird es nicht kommen. Schließlich arbeite die DEGES weiter wie bisher und die volle Konzentration gilt nun zunächst einer pragmatischen Zwischenlösung für das kommende Jahr. Die Autobahn GmbH und eine solch enorme Reform braucht Zeit für ihre Entwicklung und ihren Ausbau und diesen werden wir in den nächsten Jahren gewiss noch weiter beobachten können.

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