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Entschädigung nach § 642 BGB

25.01.2018

von Ra Michael Seitz

Bei dem Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB handelt es sich um einen verschuldensunabhängigen Anspruch eigener Art, auf den die Vorschriften zur Berechnung des Schadensersatzes nicht anwendbar sind. Er gewährt dem Unternehmer eine angemessene Entschädigung für die Bereitstellung von Produktionsmitteln während des Annahmeverzuges, deshalb sind gestiegene Kosten, die erst nach der Beendigung des Annahmeverzuges anfallen, hiervon nicht erfasst.

Dies hat der BGH mit Urteil vom 26.10.2017 (Az.: VII ZR 16/17) entschieden.

Der Fall: AG, ein öffentlicher Auftraggeber, beauftragt AN unter Einbeziehung der VOB/B mit dem Einbau eines Alarmschutzsystems. Ende 2008 sollen die Arbeiten fertig gestellt werden. Da ein Rohbauunternehmer insolvent wird und auch der Architekt die Pläne erst verspätet liefert, verzögert sich die Ausführung der Arbeiten erheblich. Der erste Bauabschnitt konnte nicht im Jahre 2008, sondern vielmehr erst im Jahre 2011 ausgeführt werden. 2012 kann AN dann schließlich gar nicht mehr arbeiten. Daraufhin kündigen die Parteien wechselseitig den Vertrag. Nach Abnahme stellt AN eine Schlussrechnung und macht unter anderem rund 7.000,00 Euro für Lohn- und Materialpreiserhöhungen geltend, die ihm unstreitig dadurch entstanden sind, dass er die Arbeiten nicht 2008, sondern erst 2011 ausführen konnte. Das Landgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht gab der Klage – bezogen auf diese Position – in Höhe von rund 2.300,00 Euro statt.

Das Urteil: Der BGH hebt das Berufungsurteil auf und weist die Klage gänzlich ab. Von dem Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB seien Mehrkosten nicht umfasst, die zwar auf Grund des Annahmeverzuges des Bestellers wegen einer unterlassenen Mitwirkungshandlung, aber erst nach Beendigung des Annahmeverzuges, nämlich bei Ausführung der verschobenen Werkleistung, anfallen. Nach ausführlicher Auseinandersetzung mit den hierzu vertretenen Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur schließt sich der BGH der Auffassung an, dass es sich bei § 642 BGB nicht um einen umfassenden Schadensersatzanspruch, sondern um einen verschuldensunabhängigen Anspruch eigener Art handelt, der sowohl nach seinem Wortlaut als auch nach dem Sinn und Zweck nur Schäden während der Dauer des Annahmeverzuges, nicht jedoch dessen Auswirkungen auf den weiteren Bauablauf umfasst. Dies ergebe sich mittelbar auch daraus, dass AN gemäß § 643 BGB das Recht habe, nach erfolgloser Fristsetzung zur Nachholung der Mitwirkungshandlung das Vertragsverhältnis zu kündigen. Im weiteren stellt der BGH klar, dass bei der Bemessung der Entschädigung nach dem Gesetzeswortlaut die Höhe der vereinbarten Vergütung zu berücksichtigen ist, sodass auch der darin enthaltene Anteil für Allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn in diese Entschädigung einzubeziehen ist. Nicht umfasst ist hingegen der anderweitig entgangene Gewinn, also der Schaden, der dadurch entsteht, dass AN während der Verzögerung andere Bauvorhaben nicht bearbeiten kann. Des weiteren ergibt sich aus dem Urteil wohl auch, dass – anders als bei einem Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 VOB/B – eine bauablaufbezogene Darstellung des entstandenen Schadens nicht erforderlich ist, da es sich nach der Auffassung des BGH ja bei dem Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB gerade nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt.

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Fazit: Obwohl der Entschädigungsanspruch des § 642 BGB nun bereits seit 118 Jahren im Gesetz steht, ist er – auch für Juristen – noch weitgehend unerschlossenes Gebiet. Der BGH schafft hier nun an manchen Stellen Klarheit, teils zu Gunsten, teils aber auch zum Nachteil des Bauunternehmers. Einerseits stellt der BGH fest, dass der Entschädigungsanspruch nur solche Schäden umfasst, die während des Annahmeverzuges entstehen, nicht aber solche, die auf Grund der Verzögerung nach dem Ende des Annahmeverzuges entstehen. Damit dürfte die in der Literatur und auch in manchen OLG-Entscheidungen anzutreffende, gegenteilige Meinung obsolet geworden sein. Andererseits stellt der BGH aber auch klar, dass – entgegen manch anderslautender Stimmen – bei der Berechnung des Entschädigungsanspruchs auch Allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn zu berücksichtigen sind. Schließlich ist es auch nicht erforderlich, den entstandenen Schaden „bauablaufbezogen“ darzulegen, was die meisten Bauunternehmer ohnehin vor unüberwindliche Hürden stellen würde

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