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Frist im Baustellenprotokoll bindend?

11.09.2014

Die Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben sind auch auf Baustellenprotokolle entsprechend anwendbar. AN muss daher dem Inhalt eines vom Auftraggeber erstellten Protokolls unverzüglich widersprechen, will er verhindern, dass in seinem Schweigen eine Einwilligung gesehen wird.

Dies hat das Kammergericht in einem Urteil vom 18.09.2012 (Az.: 7 U 227/11) entschieden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH mit Beschluss vom 11.10.2013 (Az.: VII ZR 301/12) zurückgewiesen.

Der Fall: AG übersendet dem AN ein von ihm erstelltes Protokoll einer Baustellenbesprechung. Nach diesem Protokoll liegt am 30.11.2011 vollständige Baufreiheit vor. Zudem enthält das Protokoll die verbindliche Zusage des AN, die von ihm geschuldete Werk- und Montageplanung bis spätestens 07.12.2011 zu übergeben. Mitte Dezember hat AN diese Planung noch immer nicht übergeben. Daraufhin kündigt AG den Vertrag wegen Verzugs. AN ist der Auffassung, er sei nicht im Verzug. Er habe sich in der Besprechung nicht zur Vorlage der Planung verpflichtet, sondern lediglich erklärt, seinem Nachunternehmer hierfür eine entsprechende Frist zu setzen. Daher sei die Kündigung des AG eine „freie“ Kündigung.

Das Urteil: Das sieht das Kammergericht ganz anders! AG habe den Vertrag zu Recht gekündigt, denn AN habe sich mit der Planungsübergabe seit dem 08.12.2011 im Verzug befunden. AN hat zeitnah nach einer Verhandlung ein darüber erstelltes Protokoll erhalten. Daraus sei die Abänderung des ursprünglichen Bauvertrages - nämlich die Frist, die Planung spätestens bis zum 07.12.2011 zu überbegeben - zu erkennen gewesen. Einem solchen Protokoll muss AN nach den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens unverzüglich widersprechen, wenn er verhindern will, dass eine Vereinbarung mit dem im Protokoll wiedergegebenen Inhalt zustande kommt. Etwas anderes gilt nach Auffassung des Kammergerichts nur dann, wenn AG in seiner Bestätigung (dem Protokoll) so weit von dem Ergebnis der Verhandlung abweicht, dass vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis des AN gerechnet werden konnte. Andernfalls sind die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens entsprechend auch auf Besprechungsprotokolle anzuwenden, da sie gerade den Zweck haben, das Ergebnis von Verhandlungen auf der Baustelle schriftlich zu dokumentieren. Bei der Abwicklung von Bauverträgen gibt es häufig Änderungen. Baustellenbesprechungen dienen gerade dem Zweck, den Vertrag dann an die veränderten Umstände anzupassen. Will AN den Inhalt des Protokolls nicht gegen sich gelten lassen, muss er dem Protokoll unverzüglich widersprechen. Andernfalls wird seine in dem Protokoll wiedergegebene Erklärung (auch wenn das Protokoll falsch ist!) Inhalt des Vertrages. Im vorliegenden Fall wurde also die (jedenfalls nach Aussage des AN) falsche Aussage des AG, AN habe verbindlich zugesagt, die Planung spätestens bis zum 07.12.2011 zu übergeben, Vertragsinhalt, weil AN dem nicht rechtzeitig widersprochen hat. Da das Protokoll bereits ein festes Datum enthielt, bedurfte es keiner weiteren Mahnung des AG, um AN in Verzug zu setzen (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). AN befand sich seit dem 08.12.2011 in Verzug mit seiner Vertragsleistung, AG durfte daher aus wichtigem Grund kündigen. Aus diesem Grund erhält AN keine Vergütung für nicht erbrachte Leistungen und schuldet im Übrigen Schadensersatz bzw. Ersatzvornahmekosten.

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Fazit: Achtung bei Baustellenprotokollen! Die Rechtsprechung, dass solche wie kaufmännische Bestätigungsschreiben zu behandeln sind, dass ihnen daher widersprochen werden muss, will man den Inhalt nicht gegen sich gelten lassen, darf inzwischen als gefestigt bezeichnet werden. Daraus folgt, dass jeder Auftragnehmer gut daran tut, die Baustellenprotokolle, die er vom AG (oder von dessen Architekten) erhält, unverzüglich sorgfältig zu lesen und ebenso unverzüglich zu widersprechen, wenn der Inhalt nicht mit dem tatsächlich Besprochenen übereinstimmt. Dazu stellt der Bauunternehmer am besten seine eigene Sicht der Dinge dar, indem er dem Bauherrn unverzüglich schreibt: „Es trifft nicht zu, dass ..., vielmehr ist richtig, dass wir folgendes ... besprochen haben“.

Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob diese Rechtsprechung auch in umgekehrter Richtung gilt: AN erstellt ein Protokoll, in dem er beispielsweise einen mit dem AG verhandelten Nachtrag protokolliert. AG widerspricht nicht. Wurde der Nachtrag Vertragsinhalt? In solchen Fällen ist wohl zu differenzieren: Wurde der Nachtrag tatsächlich in der protokollierten Form oder in sehr ähnlicher Form verhandelt, dürfte er Vertragsinhalt geworden sein. Weicht der Nachtrag indes erheblich von der Besprechung ab oder ist er gar frei erfunden, so dürfte die auch vom Kammergericht gemachte Einschränkung gelten, dass Feststellungen im Protokoll, die so weit von dem Ergebnis der Verhandlungen abweichen, dass AN vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis des AG rechnen konnte, auch nicht Vertragsinhalt werden. Entschieden ist diese Frage allerdings bisher - soweit ersichtlich - noch nicht.

  Quelle: RA Michael Seitz


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