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Handwerker in Baden-Württemberg voller Optimismus

06.06.2014

Gut gefüllte Auftragsbücher:

Das Handwerk hat den konjunkturellen Schwung aus dem zweiten Halbjahr 2013 mit ins neue Jahr genommen. „Höhere Auslastung und Umsätze sowie weiter gut gefüllte Auftragsbücher prägen das Bild“, gab Landeshandwerkspräsident Joachim Möhrle (BWHT) bei der Jahrespressekonferenz des Baden-Württembergischen Handwerkstages eine positive Lageeinschätzung der Branche ab. Sorgen bereiteten aber nach wie vor die sinkenden Lehrlingszahlen bei gleichzeitig hoher Ausbildungsbereitschaft der Betriebe. Für das Jahr 2014 erwartet der Handwerkstag ein Umsatzwachstum von rund zwei Prozent und ein zumindest stabiles Beschäftigungsniveau. Das Handwerk im Land, sagte Möhrle, habe im Laufe des vergangenen Jahres nicht nur stark aufgeholt und den Bund überrundet. Es habe sich in beinahe allen Handwerksgruppen auch besser entwickelt als im Bundesdurchschnitt. Trotz eines verhaltenen Starts - geschuldet dem späten Winter- und Kälteeinbruch im Februar und März - konnte unterm Strich ein kleines Umsatzwachstum von 0,3 % auf 81,8 Milliarden Euro erreicht werden. Auch zum Jahresbeginn 2014 waren die Handwerker im Land optimistischer als ihre Kollegen: Im Land bewerteten 62 % der Befragten ihre derzeitige Geschäftslage als „gut“, im Bundesdurchschnitt waren es dagegen nur 41 %. Die Betriebe nutzen die gute Lage für weitere Investitionen: Im ersten Quartal haben 54 % der Betriebe investiert, 61 % der Befragten planen ein Investitionsvorhaben im zweiten Quartal. Insbesondere Baubetriebe und die Handwerke für den gewerblichen Bedarf (zum Beispiel Feinwerkmechaniker, Metallbauer) wollen Geld in neue und zusätzliche Ausrüstungen stecken.

Mehr Betriebe, konstante Mitarbeiterzahlen, weniger Auszubildende
Ende 2013 waren 132.822 Betriebe bei den acht Handwerkskammern eingetragen. Das sind 111 Betriebe mehr (+0,1 %) als im Vorjahr. „Bei der Beschäftigung war von der guten wirtschaftlichen Lage leider wenig zu spüren“, bedauerte Möhrle. Die Zahl der Mitarbeiter blieb mit 754.000 Beschäftigten konstant. Zwar seien die Betriebe grundsätzlich einstellungsbereit und auf der Suche nach geeigneten Fachkräften, bei der derzeitigen Situation auf dem Arbeitsmarkt sei an Aufstockung aber nicht zu denken. Immens hoch sei die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe, erklärte Möhrle weiter. Trotzdem wurden im vergangenen Jahr erneut weniger neue Ausbildungsverträge im Handwerk abgeschlossen: 19.236 wurden unter Dach und Fach gebracht (-3,3 %). Insgesamt wurden damit erstmals etwas weniger als 50.000 junge Menschen in einem Handwerksberuf ausgebildet. Nach der Auswertung der Lehrlingsbörsen der Handwerkskammern blieben zum Jahresende etwa 700 Lehrstellen unbesetzt. Besonders betroffen war das Nahrungsmittelhandwerk, wo jeder zweite Betrieb noch eine Ausbildungsstelle zu vergeben hatte.

Friseurin bleibt beliebtester Beruf
Rund 11.500 der Auszubildenden – etwa 25 % - sind weiblich. Noch immer haben sich 30 % aller jungen Frauen im Handwerk für den Friseurberuf entschieden. Mehr als die Hälfte der Neuverträge entfiel auf die drei Berufe Friseurin, Bäckereifachverkäuferin und Bürokauffrau. Von allen Azubis haben 6.397 (knapp 13 %) keinen deutschen Pass. Etwa jeder dritte stammt aus der Türkei, jeder fünfte aus Italien, rund 300 Lehrlinge haben einen griechischen Pass.

Doppelt so viele Auszubildende mit Abi
Das Handwerk besetzt weiterhin den überwiegenden Teil seiner Ausbildungsplätze mit Absolventen von Haupt- und Realschule. Aber mit 9.895 Auszubildenden rutschten die Hauptschüler erstmals unter die 10.000er-Grenze und stellten damit nur noch 51,5 % der Azubis. Bei den Abiturienten hingegen gewinnt das Handwerk an Land: Ihr Anteil unter den Auszubildenden hat sich mit nahezu 10 % innerhalb weniger Jahre mehr als verdoppelt. 1.856 neue Auszubildende haben ihre Lehre mit (Fach-) Abitur begonnen. In ihrer Gunst liegen die kreativen Berufe und die Gesundheitsberufe ganz vorn.

Gute Gründe für die Meisterpflicht
Einen leichten Aufwärtstrend gab es auch bei den Meisterprüfungen: Im Jahr 2013 haben 3.518 junge Handwerker im Land ihre Meisterprüfung abgelegt, zwei Prozent mehr als vor einem Jahr. Die duale Ausbildung im Handwerk basiert auf dem Dreiklang Lehrling, Geselle, Meister. „Sie ist eine Erfolgsgeschichte“, betonte Möhrle. Vollkommen unverständlich seien deshalb die Deregulierungsbemühungen der EU-Kommission, die dieses erfolgreiche System aufs Spiel setzten. „Die Handwerksorganisation wird sich einer fatalen Dequalifizierung entschieden und auf allen Ebenen entgegenstellen“, kündigte der Handwerkspräsident an. Denn viele überzeugende Gründe sprächen für die Meisterpflicht. So würden 95 % der Auszubildenden im Handwerk in Meisterbetrieben oder in Betrieben mit gleichwertig qualifizierten Betriebsleitern ausgebildet. Die Ausbildungsquote liege mit knapp acht Prozent sogar mehr als doppelt so hoch wie in der Gesamtwirtschaft. Möhrle: „Das Handwerk mit seinem dualen Berufsausbildungssystem garantiert eine hohe Ausbildungsleistung, es steht für ein nachhaltiges Unternehmertum und für aktiven Verbraucherschutz“.

Kommunen als Konkurrenz zum Handwerk
Im Vorfeld der Kommunalwahl wandte sich BWHT-Hauptgeschäftsführer Oskar Vogel darüber hinaus scharf gegen die von der Landesregierung geplante Lockerung des Gemeindewirtschaftsrechts, die den Kommunen die wirtschaftliche Betätigung über die reine Daseinsvorsorge hinaus erleichtern soll. „Künftig müsste ein Handwerker beweisen, dass er die Leistung besser und wirtschaftlicher erfüllen kann als ein kommunales Unternehmen wie zum Beispiel Stadtwerke“, erklärte Vogel. Ein Nachweis, den ein kleiner Handwerksbetrieb wohl kaum führen könne. Die kommunalen Eigenbetriebe stünden in den Startlöchern - als nahezu unschlagbare Konkurrenz der Handwerker am Markt. Längst gebe es konkrete Beispiele, die dies belegten. Vogel richtete den dringenden Appell an die Landesregierung, sich dafür einzusetzen, dass es nicht zu einer Verschlechterung für Handwerksbetriebe kommt.

Handwerker unzufrieden mit digitaler Infrastruktur
Außerdem forderte der Handwerkstag die Kommunen auf, insbesondere in den eher ländlicheren Gegenden wie in den Bezirken Freiburg, Konstanz oder Ulm den Breitbandausbau zu forcieren, gleiche Bedingungen für alle Betriebe zu schaffen und die vom Land im laufenden Jahr dafür bereitgestellten Fördermittel in Höhe von zwölf Millionen Euro auch tatsächlich abzurufen. Vogel: „Schnelles Internet ist auch im Handwerk ein wichtiger Standortfaktor“.

Bei weitem nicht alle Handwerker seien aber mit der digitalen Infrastruktur des Landes zufrieden. Knapp zwei Drittel der Handwerksbetriebe haben einen eigenen Internet-Auftritt. Am häufigsten nutzen sie das Netz für den Kontakt mit Kunden und Lieferanten sowie zur Informationsbeschaffung, die Hälfte der Handwerker kommuniziert mit Behörden. Knapp jeder vierte Betrieb aus dem Bauhaupt- oder Ausbaugewerbe nimmt auf diesem Weg an öffentlichen Ausschreibungen teil. Acht Prozent der Betriebe bieten Leistungen und Produkte auf Online-Plattformen an. Der Handwerkstag sieht mittelfristig für 40 % der Betriebe Handlungsbedarf.

  Quelle: Baden-Württembergischer Handwerkstag e.V.


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