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Kalkulationsrelevante Informationen sind allen Bietern zu erteilen!

21.07.2015

von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Sachsen- Anhalt hat mit Beschluss vom 27.02.2015 – 1 VK LSA 32/14- u.a. folgendes entschieden:

• Sind Vergabeunterlagen einer Auslegung zugänglich bzw. stellt einer der Bieter eine kalkulationsrelevante Nachfrage zum Leistungsprofil, obliegt es dem Auftraggeber, größtmögliche Transparenz unter Vermeidung jedweder Form von Diskriminierung zu gewährleisten.
• Beantwortet der Auftraggeber eine kalkulationserhebliche Bieteranfrage ausschließlich gegenüber dem anfragenden Bieter, liegt ein auftrageberseitig zu verantwortender Mangel an Transparenz vor.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Schülerbeförderungsleistungen in einem Landkreis nach VOL/A im Offenen Verfahren europaweit in 22 Losen ausgeschrieben. Die Vertragslaufzeit sollte sich bis Anfang 2019 erstrecken. Laut Leistungsbeschreibung in den Vergabeunterlagen war ausgeführt, dass unter Schülerbeförderung der Weg von der Wohnung des Schülers/Haltestelle zur zuständigen Schule des Schülers und zurück inkl. Gepäck zu verstehen sei.

Ein Bieter bat darauf um Auskunft, ob sich die im Angebot anzugebenden Gesamtkilometer auf die „Besetzkilometer“ oder die insgesamt gefahrenen Kilometer, also Besetzkilometer zuzüglich der Leerkilometer bezögen. Der AG antwortete darauf diesem Bieter, dass nur Besetzkilometer gemeint seien. Die anderen Bieter wurden darüber nicht informiert. Bieter A, dessen Angebot im weiteren Verfahren ausgeschlossen wurde, wehrte sich gegen diesen Ausschluss und monierte in seinem Nachprüfungsantrag auch die Informationspraxis des AG.

Die VK sieht hier den Antrag des Bieters A zwar als unbegründet, weil der AG das Angebot des A zu Recht wegen einer unzulässigen Änderung der Vergabeunterlagen ausgeschlossen habe.

Gleichwohl stellt die VK fest, dass der AG hier sowohl gegen das Gleichbehandlungsgebot als auch gegen § 8 EG-VOL/A verstoßen habe. Letztgenannte Regelung verlange, dass eine Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben sei, so dass alle Bieter die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen und durch vergleichbare Angebote miteinander in Wettbewerb treten könnten. Seien Vergabeunterlagen jedoch einer Auslegung zugänglich bzw. stelle einer der Bieter eine kalkulationsrelevante Nachfrage zum Leistungsprofil, obliege es dem AG, größtmögliche Transparenz unter Vermeidung jedweder Form von Diskriminierung zu gewährleisten.

Hier habe ein Bieter um Auskunft zu einer kalkulationsrelevanten Frage gebeten, die der AG lediglich gegenüber diesem nachfragenden Bieter beantwortet habe. Dieser auftraggeberseitig zu verantwortende Mangel habe seinen konkreten Niederschlag in den Angeboten der Bieter gefunden und sich somit schädigend auf den Wettbewerb ausgewirkt. So wurde beispielhaft bei einem der Lose offenkundig, dass ca. 50% aller Bieter die Abforderung der Gesamtkilometer als eine von „Besetzkilometern zzgl. Leerkilometern“ verstanden habe. Außerdem wichen – ausgehend vom Kalkulationsansatz des derzeitigen Leistungserbringers – bei ca. der Hälfte der konkurrierenden Bieter die Kilometerangaben um 100% – 150 % ab. Diese fehlende Transparenz und Ungleichbehandlung der einzelnen Bieter liefen einem geordneten Wettbewerb zuwider. Somit sei eine Zuschlagserteilung im Einklang mit dem materiellen Vergaberecht in jedem der streitbefangenen Lose ausgeschlossen.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Das Vorgehen des AG, d.h. die Beantwortung einer derart wichtigen Frage lediglich gegenüber dem nachfragenden Bieter, verstößt fundamental gegen die tragenden Grundsätze des Vergaberechts. Stellen also Bieter Fragen zu Einzelheiten des Angebotes, muss der AG Fragen und Antworten allen Bietern mitteilen. Dies sollte er in einer Form tun, mit der sich nachweisen lässt, dass die Information allen Bietern zugegangen ist.

Obwohl hier der Nachprüfungsantrag des Bieters A - aus anderen Gründen – als unbegründet abgewiesen wurde, bleibt hier dem AG nur die Möglichkeit, das Verfahren in das Stadium vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen und durch entsprechende Information aller Bieter dafür zu sorgen, dass die Bieter – bei gleichem Informationsstand – in die Lage versetzt werden, miteinander vergleichbare Angebote abzugeben.

  Quelle:


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