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Leidtragende sind die Architekten

28.04.2014

Standpunkt - Schwarzgeld:

Vor wenigen Tagen hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zu Schwarzgeldabreden im Baubereich noch einmal verschärft (Urteil vom 10.04.2014 – VII ZR 241/13). Danach bestehen Werklohnansprüche des Handwerkers bzw. des Bauunternehmers einerseits, Mängelrechte des Bauherrn andererseits auch dann nicht, wenn nach der Vereinbarung zwischen Unternehmer und Bauherrn lediglich ein Teil der Vergütung „schwarz“ gezahlt, d.h. den Steuerbehörden verheimlicht werden soll. Auch in einem solchen Fall ist der gesamte Bauvertrag nichtig.

Die Folgen derartiger Schwarzgeldabreden sind rechtspolitisch durchaus gewollt, daran hat der Bundesgerichtshof – jedenfalls im Hinblick auf Bauherren und Bauunternehmer – auch jüngst keinen Zweifel gelassen. Wie aber sieht dies im Hinblick auf bauleitende Architekten aus, die in der Regel an der Schwarzgeldabrede gar nicht beteiligt sind? Sind diese die eigentlich Leidtragenden der geänderten Rechtsprechung? So jedenfalls die Auffassung von Dr. Andreas Koenen, Baurechtsspezialist und Gründer der überregionalen Baurechtskanzlei Koenen Rechtsantwälte. „Spätestens nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom vergangenen Donnerstag wird man sich mit den Folgen dieser Rechtsprechung beschäftigen müssen“, so Koenen.

Haftung des Architekten ohne Schwarzgeldabrede
Im Normalfall, d.h. ohne Schwarzgeldabrede zwischen Bauherrn und Bauunternehmer, haftet der bauleitende Architekt gegenüber dem Bauherrn – gemeinsam mit dem Bauunternehmer – als Gesamtschuldner. Wenn das Bauwerk mangelhaft und dies auf einen Bauüberwachungsfehler zurückzuführen ist, kann der Bauherr also wählen, ob er den Architekten und/oder den Bauunternehmer in Anspruch nimmt. Wird der Architekt in dieser Konstellation erfolgreich vom Bauherrn in Anspruch genommen, hat der Architekt als Gesamtschuldner einen Ausgleichsanspruch gegenüber dem Bauunternehmer. Dies ergibt sich aus § 426 BGB.

Haftung des Architekten mit Schwarzgeldabrede
Haben Bauunternehmer und Bauherr hingegen eine Schwarzgeldabrede getroffen, ist der Bauvertrag wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG i.V.m. § 134 BGB nichtig. Im Ergebnis würde dies bedeuten, dass der bauleitende Architekt für einen Ausführungsfehler des Bauunternehmers allein haften würde, und zwar nur deshalb, weil er den Bauunternehmer nicht hinreichend überwacht hat. Denn nach der aktuellen Rechtsprechung ist der Bauvertrag nichtig, und infolgedessen fehlt es an einem gesamtschuldnerischen Ausgleichsanspruch des Architekten gegenüber dem Bauunternehmer, der im Falle der Wirksamkeit des Bauvertrages für seine eigenen Ausführungsfehler im (Innen-)Verhältnis zum Architekten zu 100 % haften würde. Hintergrund dieser Rechtsprechung ist, dass sich der Bauunternehmer im Verhältnis zum Architekten nicht darauf berufen kann, von diesem nicht hinreichend überwacht worden zu sein.

Bauleitender Architekt im Ergebnis der Leidtragende
Letztlich wäre also der bauleitende Architekt der Leidtragende, obwohl er selbst – was die Regel ist – an der Schwarzgeldabrede zwischen Bauherrn und Bauunternehmer gar nicht beteiligt ist. Der Bauherr jedenfalls würde nach der neuen Rechtsprechung im Ergebnis ungeschoren davonkommen, wenn er den Architekten wegen eines Bauüberwachungsfehlers mit Erfolg in Anspruch nehmen könnte, und das, obwohl er wegen der Nichtigkeit des Vertrages keinen Werklohn an den Bauunternehmer (mehr) zahlen muss. Auf der anderen Seite muss der Bauunternehmer nicht haften und darf sogar den vom Bauherrn bereits gezahlten Werklohn behalten. Dieses Ergebnis ist mit den auch im Baurecht geltenden Grundsätzen von Treu und Glauben nicht vereinbar. Deshalb ist es erforderlich, sich eingehend mit Lösungsmöglichkeiten zu befassen, die dieses nur als unbillig zu bezeichnende Ergebnis korrigieren. Auf ein Eingreifen des Gesetzgebers zu vertrauen, dürfte wenig bringen, hat doch die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt, dass Gesetzesänderungen im Bauvertragsrecht sehr viel Geduld voraussetzen. Dessen ungeachtet sollte dieses Thema Gegenstand des Baugerichtstages sein, der Ende Mai zum fünften Mal in Hamm tagen wird. Noch ist dieses Thema jedoch nicht auf der Tagesordnung und noch nicht einmal Gegenstand der Diskussion. Rechtsprechung gibt es hierzu schon gar nicht, zumal das Problem ja erst im letzten Jahr aufgetaucht ist. Bis dahin ging der Bundesgerichtshof bei einer Schwarzgeldabrede nämlich vom Fortbestand des Bauvertrages zwischen Bauherrn und Bauunternehmer aus und auch vom Bestehen einer Gesamtschuld zwischen bauleitendem Architekten und Bauunternehmer (vgl. BGH, Urteil vom 01.08.2013 – VII ZR 6/13; zuvor noch BGH, Urteil vom 24.04.2008 - VII ZR 42/07).

Problemlösung durch Gesetzgeber/BGH nicht in Sicht
Dabei dürften die Folgeprobleme der geänderten Rechtsprechung dem für Bausachen zuständigen VII. Zivilsenat unter Führung seines Vorsitzenden Prof. Dr. Kniffka durchaus bekannt sein, zumal sich dieser bereits seit vielen Jahren mit dem Gesamtschuldverhältnis zwischen Architekt und Bauunternehmer beschäftigt. Allerdings gab es im Rahmen des am 10.04.2013 beendeten Rechtsstreits keine Gelegenheit, die durch den Wandel der Rechtsprechung nun in den Vordergrund gerichtete Fragestellung gleich mit zu thematisieren und Lösungswege aufzuzeigen. Es wird also noch einige Zeit dauern, bis Rechtsprechung und Literatur die Frage klären werden, wer bei Schwarzgeldabreden zukünftig das Nachsehen haben wird – die daran Beteiligten oder Dritte wie der bauleitende Architekt. Nach derzeitiger Rechtslage spricht alles dafür, dass es – jedenfalls bis auf Weiteres – der Architekt sein wird.

Lösungsansätze
Dabei gibt es durchaus juristische Lösungsansätze, um dieses unbefriedigende Ergebnis auf der Grundlage des geltenden Rechts, d.h. ohne Gesetzesänderung, zu beseitigen. So wäre es denkbar, dem haftenden Architekten gegenüber dem Bauunternehmer einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG zuzusprechen. Denkbar wäre auch eine analoge Anwendung des gesamtschuldnerischen Ausgleichsanspruchs zugunsten des bauleitenden Architekten (§ 426 Abs. 1 BGB), wobei die Anforderungen an eine Analogie sehr hoch sind. Keiner Korrektur des Ergebnisses bedarf es allerdings in den Fällen, in denen sich der Architekt selbst an der Schwarzgeldabrede beteiligt oder ihm diese bekannt ist.

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RA Dr. Andreas Koenen

Foto: www.bauanwaelte.de

Fazit
Die Frage des Ausgleichs zwischen Architekt und Bauunternehmer bei nichtigen Bauverträgen bedarf dringend einer Klärung. Bis dahin werden vermutlich noch Jahre vergehen und die Versicherungsprämien für bauleitende Architekten noch einmal deutlich ansteigen. Nicht nur deshalb, sondern auch aus steuerstrafrechtlichen Gesichtspunkten ist dem bauleitenden Architekten dringend anzuraten, sich an Schwarzgeldabreden nicht zu beteiligen – zumal eine Beteiligung auch den Versicherungsschutz gefährden dürfte. Als Sachwalter des Bauherrn sollte er darüber hinaus, allein schon aus eigenem Interesse, seine Möglichkeiten nutzen, Schwarzgeldabreden zwischen den am Bau Beteiligten zu verhindern. Anderenfalls zahlt er womöglich drauf. Dies wäre jedenfalls nicht das erste Mal.

  Quelle: KOENEN RECHTSANWÄLTE


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