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Nachtragsforderung: Kein Kündigungsrecht!

23.02.2017

Von RA Michael Seitz

Eine Nachtragsforderung des Werkunternehmers ist kein Grund für eine Kündigung des Bauvertrages aus wichtigem Grund durch den Besteller, es sei denn, der Unternehmer macht die Beauftragung der Nachträge zur Bedingungen für die Fortsetzung seiner Leistung. Liegt ein wichtiger Grund für die Kündigung nicht vor, ist diese regelmäßig als "freie Kündigung" zu verstehen. Dies hat das OLG Zweibrücken in einem Urteil vom 29.09.2016 (Az. 6 U 6/15) entschieden.

Der Fall: AG beauftragt AN mit einem Bauvorhaben im Wert von 24 Million €. Die VOB/B ist einbezogen. Als Endfertigstellungstermin wird der 23.09.2005 vereinbart. Später wirft AG dem AN verschiedene Pflichtverletzungen vor, unter anderem habe er die Bauzeit dadurch verzögert, dass er unberechtigte und unbegründete Nachträge gestellt und - daraus folgend - ein Leistungsverweigerungsrecht ausgeübt habe, das ihm nicht zustand. Aus diesem Grunde kündigt AG den Vertrag. AG begehrt im Prozess u.a. die Feststellung, dass er berechtigt aus wichtigem Grund gekündigt habe. Diese Zwischenfeststellungsklage weist das Landgericht durch Teilurteil ab. Dagegen legt AG Berufung ein.

Das Urteil: Ohne Erfolg! Ebenso wie das Landgericht urteilt das OLG Saarbrücken, die Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung nach § 8 Nr. 3 VOB /B bzw. §§ 314, 649 BGB lägen nicht vor. Weder habe AN unbegründete oder unberechtigte Nachträge gestellt, noch habe er unberechtigt ein Leistungsverweigerungsrecht ausgeübt. Zwar habe er im Mai 2005 vor der Kündigung angekündigt, im Falle der Nichtannahme seines Beschleunigungsangebotes die Beschleunigungsmaßnahmen abzubrechen. Unstreitig hat er aber seine Leistungen nicht eingestellt, vielmehr tatsächlich mehr Arbeiter eingesetzt und die Stundenzahl erhöht. AG trägt auch nicht vor, was an den Nachtragsangeboten unzumutbar gewesen sei. Zudem habe sich AG selbst nicht vertragstreu verhalten, weil er zu zahlreichen Nachträgen bis zur Kündigung und trotz vorheriger mündlicher Zusage keine schriftlichen Aufträge erteilt hat. Nach Auffassung des OLG Saarbrücken lässt das Gesamtverhalten des AG vielmehr "eine gewisse Systematik erkennen, nach der er zunächst Zusatz- und Änderungsleistungen anerkannt und den AN zur Leistung veranlasst hat, dies jedoch später in Abrede stellt, um seiner Vergütungspflicht zu entgehen".

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Fazit: Nachträge sind für sich genommen kein Kündigungsgrund! Das ergibt sich bereits daraus, da sie in § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B ausdrücklich vorgesehen sind. Allenfalls dann, wenn AN die Fortführung seiner Leistung von der Beauftragung der Nachträge abhängig macht, kann dies einmal anders sein. Im Übrigen bildet der Fall ein klassisches Beispiel für den "unredlichen" AG in Bezug auf die Behandlung von Nachträgen. Erst wird AN vorgespiegelt, er erhalte Nachtragsaufträge, nach deren Ausführung werden diese jedoch bestritten und darauf eine Kündigung gestützt. Das OLG Saarbrücken hat dies im vorliegenden Fall klar erkannt und dem berechtigterweise einen Riegel vorgeschoben.

  Quelle: RA Michael Seitz


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