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Pauschal oder nicht pauschal?

19.02.2015

Enthält ein Bauvertrag eine Formulierung, nach der die „Bewehrungsangaben aufgrund von Erfahrungswerten ermittelt wurden und Mehr- oder Mindermengen nach Stahllisten zu einem Einheitspreis abgerechnet werden“, so sind die Mehr- bzw. Mindermengen des Stahls nicht Gegenstand der Pauschalierung.

Dies hat das OLG Hamburg in einem Urteil vom 10.09.2013 (Az.: 7 U 106/09) entschieden.

Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH mit Beschluss vom 20.05.2014 (Az.: 7 ZR 275/13) zurückgewiesen.

Der Fall: AN bietet dem AG die Lieferung und Montage von Stahlbetonfertigteilen an. Die Summe der angegebenen Einheitspreise ergibt knapp 430.000,00 €. AG wünscht eine Pauschalvergütung. AN bietet zunächst einen Pauschalpreis von 420.000,00 €, später von 410.000,00 € an. In dem zweiten Angebot des AN heißt es: „Die Bewehrungsangaben im Leistungsverzeichnis wurden aufgrund der Statik und unserer Erfahrungswerte ermittelt. Mehr- oder Mindermengen werden nach Stahllisten zu einem Einheitspreis von 1,10 € je Kilogramm netto abgerechnet.“ Dieses Angebot nimmt AG an. Bei der Ausführung kommt es zu erheblichen Mengenmehrungen beim Stahl. Diese sind nicht auf Planänderungen oder Zusatzleistungen zurückzuführen. AN verlangt über die vereinbarte Pauschalvergütung hinaus die Bezahlung weiterer 60.000,00 €.

Das Urteil: Vor dem OLG Hamburg hat AN Erfolg. In der Formulierung im zweiten Angebot des AN liegt eine Einschränkung der Pauschalvereinbarung, nämlich ein Vorbehalt über die Abrechnung etwaiger Mehr- oder Mindermengen in Bezug auf den Stahl. AG wusste, dass AN keine Bewehrungspläne vorlagen und er daher die Stahlmengen nicht genau berechnen konnte. Schon die wörtliche Auslegung des Angebots spricht daher dafür, dass der Pauschalpreis entsprechend eingeschränkt sein sollte. AN war dem AG bereits zweimal entgegengekommen und hatte entgegen seiner ursprünglichen Absicht den Preis pauschaliert. Er hatte jedoch durchgängig daran festgehalten, dass die Stahlpositionen nicht pauschaliert werden sollten. Daher bezieht sich der Pauschalpreis nur auf die ansonsten im Leistungsverzeichnis im Einzelnen bezeichneten Leistungen. Das Risiko der Mehrmengen von Bewehrungsstahl wollte AN erkennbar gerade nicht übernehmen.

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Fazit: Dass AN hier gewinnt, liegt vor allem daran, dass er sich nicht hat beirren lassen und bis zum Schluss in seinem Angebot daran fest hielt, dass der Bewehrungsstahl nicht pauschaliert werden sollte. Es verwundert, dass angesichts der klaren Formulierung im Angebot des AN, welches der AG vorbehaltlos annahm, überhaupt ein Oberlandesgericht und der BGH bemüht werden mussten. Es gibt weder „den“ Pauschalvertrag noch „den“ Einheitspreisvertrag. Vielmehr muss jeder Vertrag entsprechend nach seinem individuellen Inhalt ausgelegt werden. Allerdings hatte AN hier auch den Vorteil, dass er in seinem Vertragsangebot die Bedingungen verändern konnte. Allzu oft ist es leider umgekehrt: Der Bauherr gibt die Pauschalierungen in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen fest vor und AN kann hierüber nicht verhandeln. Dann ist für AN größte Vorsicht geboten! Er übernimmt sodann das Mengenrisiko selbst dann, wenn er - wie im vorliegenden Fall - den Umfang der Bewehrung gar nicht kennt, weil keine Bewehrungspläne vorliegen. In derartigen Fällen ist AN zu raten, auf den Vertrag ganz zu verzichten.

  Quelle: RA Michael Seitz


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