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Schlussrechnungsreife eingetreten: Keine Abschlagszahlungen mehr!

06.06.2019

von RA Michael Seitz

Abschlagszahlungen können selbständig geltend gemacht werden, jedoch nur bis zum Eintritt der Schlussrechnungsreife. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht auch ein Anspruch auf Verzinsung der Abschlagszahlung, sofern Verzug vorliegt. Fehlende Schlussrechnungsreife muss der Auftragnehmer beweisen, um seinen Abschlagszahlungsanspruch durchsetzen zu können.

Dies hat das OLG Stuttgart in einem Urteil vom 13.02.2019 (Az.: 10 U 152/18) entschieden.

Der Fall: AG beauftragt AN mit Stahlbauarbeiten. AN tritt Abschlagsforderungen an ein Factoring-Unternehmen ab, das diese Abschlagsrechnung im Urkundenprozess gegen AG einklagt. AG wendet ein, er habe den Vertrag mit AN gekündigt, daher sei „Schlussrechnungsreife“ eingetreten mit der Folge, dass der Factor den abgetretenen Abschlagszahlungsanspruch nicht mehr durchsetzen könne.

Das Urteil: Dieser Auffassung folgt das OLG Stuttgart und setzt sich insbesondere mit der Frage auseinander, wer die Beweislast für die fehlende Schlussrechnungsreife (und damit für die Durchsetzbarkeit der Abschlagsrechnung) trägt. Grundsätzlich muss AN den von ihm geltend gemachten (Abschlagszahlungs-)Anspruch darlegen und ggf. beweisen. Hierzu zählt auch die fehlende Schlussrechnungsreife, denn Voraussetzung für die Geltendmachung der Abschlagszahlung sei, dass die Werkleistung des AN noch nicht abschließend in Rechnung gestellt werden kann, weil sie noch nicht fertig gestellt ist. Nach Auffassung des OLG Stuttgart folgt dies aus dem Sinn und Zweck der Abschlagszahlung, die AN von den wirtschaftlichen Folgen seiner Vorleistungspflicht entlasten soll. Mit Fertigstellung des Werkes entfalle aber diese Vorleistungspflicht, sodass AN auch keines Schutzes mehr bedürfe. Daraus folge, dass AN darlegen und ggf. beweisen muss, dass die Schlussrechnungsreife nicht eingetreten ist. Legt allerdings AN dies schlüssig dar, so muss AG ebenfalls hierzu vortragen, damit AN ggf. beweisen kann, dass das Werk eben noch nicht fertig gestellt ist und damit ein Anspruch auf Abschlagszahlung (noch) besteht. Befindet sich AG im Übrigen mit der Abschlagszahlung im Verzug, so ist der Abschlagszahlungsanspruch zu verzinsen, und zwar bis zum Eintritt der Schlussrechnungsreife.

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Fazit: Die Entscheidung entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Ist die Werkleistung fertig gestellt und kann daher die Schlussrechnung gestellt werden, so entfällt der Abschlagszahlungsanspruch. Dies gilt auch dann, wenn AG – wie hier – den Bauvertrag gekündigt hat, denn dann kann und soll AN nicht mehr leisten und die Schlussrechnungsreife tritt ein. Mancher Bauunternehmer glaubt fälschlicherweise, er könne – etwa wenn AG die Abnahme verweigert, Mängel einwendet oder Nachträge streitig sind –, zunächst mindestens einen Teil des ihm zustehenden Geldes dadurch erlangen, dass er keine Schlussrechnung stellt, sondern vielmehr seine Abschlagsrechnung weiter verfolgt. Zumindest in den Fällen, in denen das Werk fertiggestellt und somit Schlussrechnungsreife eingetreten ist, ist dies aber nicht möglich, wie die vorliegende Entscheidung anschaulich zeigt.

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