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Schönster Bahnhof Deutschlands feiert 100. Geburtstag

07.05.2012

Darmstadts Jugendstilbau begeht Jubiläum - Aber wo bleibt der ICE?

-- Von Stephan Höhle --

Darmstadt (dapd-hes). Der schönste Bahnhof Deutschlands, ist Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne) überzeugt, steht in seiner Stadt, in Darmstadt. Der schmucke Bau wurde vor 100 Jahren, im April 1912, eröffnet. Und viele Jugenstilfreunde dürften Partsch recht geben. Nach einer 60 Millionen Euro teuren, 2008 abgeschlossenen Renovierung wurde das südhessische Prachtstück vom Verband "Allianz pro Schiene" 2010 zum Bahnhof des Jahres gewählt. Ganz froh zeigte sich Partsch bei der Jubiläumsfeier am Samstag dennoch nicht - er will endlich den "sicheren ICE-Halt" für Darmstadt.

Zum Sieg bei der Schönheitswahl verhalf der Darmstädter Zugstation nicht nur ihr Aussehen. Bewertet wurden bei dem Votum auch Kriterien wie Verkehrsanbindung in die City, Barrierefreiheit und Vorplatzgestaltung. Besonderes Lob fand das neben dem Bahnhof errichtete Fahrradparkhaus für die Unterbringung von Pendler-Velos und die Radstation; eine Werkstatt, die Drahtesel repariert, während ihre Besitzer irgendwo Geld verdienen. Einzig die neue Einkaufspassage am Westausgang wartet noch auf Zulauf. Derzeit ist dort neben einem Supermarkt nur noch eine Apotheke angesiedelt.

Morgens wird geschubst

Die Darmstädter Station ist ein sogenannter Reiterbahnhof, wie er sich auch in Hamburg findet. Um zu den elf Bahnsteigen zu kommen, muss niemand in den Untergrund. Eine Brücke führt über die Gleise hinweg, Treppen und Aufzüge gehen nach unten ab. Die Zahl der Bahnsteige war bereits 1912 auf Zuwachs angelegt, die Breite der Treppen setzte allerdings ein rücksichtsvolleres fußgängerisches Verhalten voraus, als es heute vielleicht üblich ist. Wenn morgens die Pendler kommen, wird auf den Stufen rege geschubst.

Die preußisch-hessische Eisenbahndirektion prüfte bei ihrer Ausschreibung zu Beginn des 20. Jahrhunderts 75 Entwürfe für den Darmstädter Hauptbahnhof, der die zwei in der Stadt getrennt liegenden Dampfstationen zweier Bahngesellschaften endlich ersetzen sollte. "Zum Teil waren recht tüchtige Leistungen dabei", urteilte 1908 das Berliner "Zentralblatt der Bauverwaltung". Immerhin sei ja "die Anlage des Empfangsgebäudes eines neuzeitlichen Bahnhofes eigenartig" und bedürfe eines besonderen Studiums, notierte die Fachredaktion.

Besonders gut studiert hatte der Architekt Friedrich Pützer (1871 bis 1922). Der Begründer des Darmstädter Städtebaulehrstuhls gewann den Wettbewerb. Er war einer der modernen Bauingenieure seinerzeit. Bauten in ganz Deutschland entstanden auf seinem Reißbrett, auch das erste Hochhaus des Kaiserreichs, das heute denkmalgeschützte Jenaer Carl-Zeiss-Haus. Sein an die in Darmstadt herrschende Kunstrichtung anklingender Bahnhofsentwurf, lobte das Bau-Zentralblatt, entbehre nicht "eines großen Zuges".

Trassenausbau erst in 15 Jahren?

Geschlagen geben musste sich ein in Huldigung des hessischen Großherzogs Ernst Ludwig eingereichter Beitrag, der es durch Errichtung geeigneter Stege ermöglichte, "dass die Fürstlichkeiten ohne Berührung mit den übrigen Reisenden zur Bahn gelangen". Doch bekam dann Ernst Ludwig 1912 am Westrand des Vorplatzes gleich einen eigenen Fürstenbahnhof mit privatem Gleisanschluss. Lange war das Bauwerk der feudalen Mobilität nicht dienlich: Mit der Republikgründung 1918 wurde der Herzog - weil er nicht abdankte - sozusagen auf seinem Regierungsthron aus dem Amt getragen.

Zwar setzte sich die Republik durch, aber Oberbürgermeister Partsch hadert heute mit der Regierung in Berlin. Der Bundesverkehrswegeplan sieht frühestens in 15 Jahren einen Trassenausbau vor, der Darmstadt an das ICE-Netz anbindet. Zurzeit halten ICE-Züge nur vereinzelt in der Stadt. "Das wird der Region nicht gerecht", sagte Partsch auf der Feier in seinem schönen Bahnhof.

 

  Quelle: dapd


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