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Technisch notwendige Zusatzleistung: Mehrvergütung!

23.12.2021

von Michael Seitz

Besteht ein objektives technisches Bedürfnis für eine Zusatzleistung und führt der Bauunternehmer diese aus, obwohl sie nicht im Vertrag verpreist wurde, kann sich der Auftraggeber nicht darauf berufen, er habe diese Änderung nicht begehrt bzw. angeordnet. Etwas anderes gilt nur, wenn der Besteller unmissverständlich erklärt, die Vermeidung der Mehrvergütung sei für ihn vorrangig gegenüber der Funktionstauglichkeit.

Dies hat das Kammergericht mit Urteil vom 07.09.2021 (Az.: 21 U 86/21) entschieden.

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RA Michael Seitz

Der Fall:

AG beauftragt AN mit der Ausführung von Malerarbeiten an verschiedenen Gebäuden unter Einbeziehung der VOB/B. Ein Vorunternehmer hat seine Betonierarbeiten ungenau ausgeführt, sodass es zu Kanten und Versprüngen kommt. AN meldet Bedenken an und bringt anschließend einen zusätzlichen, ausgleichenden Haftputz auf. Der Haftputz war im Leistungsverzeichnis und folglich auch im Angebot nicht vorgesehen. AN stellt einen Nachtrag in Höhe von 166.500,00 €. AG meint, er habe die Leistungsänderung nicht angeordnet und müsse sie infolgedessen auch nicht bezahlen.

Das Urteil:

Das Kammergericht ist anderer Ansicht und gibt dem AN dem Grunde nach recht. AG habe ein detailliertes Leistungsverzeichnis erstellt, in dem der Ausgleichsputz nicht vorgesehen sei. Folglich habe AN ihn auch nicht kalkulieren müssen. Zwar habe AG die Leistungsänderung nicht angeordnet, gleichwohl habe AN einen Anspruch auf Mehrvergütung. Er müsse sich so behandeln lassen, als habe er Änderung des Bauvertrages, die technisch notwendig war, angeordnet. Bestehe zwischen dem Wunsch des AG nach der Vermeidung einer Mehrvergütung einerseits und einem funktionstauglichen Werk andererseits ein Widerspruch, so sei eine objektive Betrachtung maßgebend. Meldet AN zutreffend Bedenken an und ordnet AG gleichwohl die notwendige Zusatzleistung nicht an, so verhält er sich widersprüchlich. Dies wiederum stellt einen Verstoß gegen das bauvertragliche Kooperationsgebot dar, daher könne sich AG nach Treu und Glauben nicht darauf berufen, er habe die Leistungsänderung weder begehrt noch angeordnet.

Fazit:

Im vorliegenden Fall wäre die herrschende Rechtsprechung wohl über § 2 Abs. 8 Nr. 2 S. 2 VOB/B zum gleichen Ergebnis gelangt. Allerdings muss in diesen Fällen stets der mutmaßliche Wille des Auftraggebers zur Herstellung eines funktionstauglichen Werkes festgestellt werden. Das funktioniert dann nicht, wenn AG ausdrücklich erklärt, dass er die Leistung nicht wolle. In einem solchen Fall würde dann allerdings der AN auch von seiner Mängelhaftung - wegen des übergangenen Bedenkenhinweises – frei, wenn er die erforderliche Zusatzleistung weisungsgemäß nicht ausführt.


  Quelle: RA Michael Seitz, www.bau-innung.de


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