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Verhandlungsverfahren zulässig nach Kündigung eines Projektsteuerungsvertrages

05.08.2014

Das OLG Naumburg hat mit Beschluss vom 14.03.2014 – 2 Verg 1/14 – u.a. Folgendes entschieden:

• Werden auf einer Baustelle des Auftraggebers seit eineinhalb Jahren parallel zum vollständig aufrecht erhaltenen Betrieb eines Krankenhauses komplexe Bauarbeiten durchgeführt, ist es nach Kündigung des Projektsteuerungsvertrages zulässig, die erforderlichen Koordinationsleistungen im Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb zu vergeben.

Der Auftraggeber (AG), eine Anstalt öffentlichen Rechts, die ein Krankenhaus der Maximalversorgung betrieb, führte parallel zum laufenden Krankenhausbetrieb ein großes und komplexes Bauvorhaben mit drei umfangreichen einzelnen Bauabschnitten durch und hatte im Rahmen der Einsatzform „Generalplanermanagement“ sowohl Generalplanungs- als auch Projektsteuerungsaufgaben an einen Auftragnehmer vergeben. Da sich herausstellte, dass der Generalplaner nicht in der Lage war, die Projektsteuerungsleistungen sachgerecht auszuführen, einigten sich der AG und der Generalplaner einvernehmlich auf die Herauslösung der Projektsteuerungsleistungen aus dem Generalplanerpaket. Da der AG der Meinung war, dass die neu zu vergebenden Projektsteuerungsleistungen nicht den Schwellenwert für die Anwendbarkeit der VOF erreichten, vergab er diese ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb. Bieter B, der bei dieser Vergabe nicht zum Zug gekommen war, beantragte Nachprüfung.

Nach Ansicht des OLG durfte der AG hier die Projektsteuerungsleistungen ohne Durchführung eines Wettbewerbsaufrufs vergeben. Das Gericht legt im Folgenden ausführlich dar, dass hier die Projektsteuerungsleistungen den VOF-Schwellenwert (heute: EUR 207.000) überschritten hätten und insoweit nach VOF hätten vergeben werden müssen. Gleichwohl hätten dabei die Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 Ziff. c VOF vorgelegen, wonach ein Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb zulässig sei. Diese Vorschrift sei wegen ihrer erheblichen wettbewerbsbeschränkenden Wirkung und ihrer systematischen Stellung als Ausnahmetatbestand äußerst eng auszulegen. So könne nur bei Vorliegen dringender Gründe von einem wettbewerblichen Verfahren Abstand genommen werden. Im Rahmen der VOF müssten besonders dringliche Gründe vorliegen, um eine Abstandnahme vom wettbewerblichen Verfahren zuzulassen. Diese Voraussetzung sei gegeben, wenn die Einhaltung der Fristen eines Teilnahmewettbewerbs (§ 3 Abs. 1 VOF) oder eines beschleunigten Verfahrens (§ 7 Abs. 2 VOF) zu einer Vereitelung der Zweckerreichung führen würde. Solche dringlichen zwingenden Gründe hätten hier bestanden. Zur Zeit des möglichen Beginns eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb seien auf der Baustelle des AG komplexe Bauarbeiten verschiedener Gewerke seit 1,5 Jahren durchgeführt worden und das parallel zum vollständig aufrecht erhaltenen Betrieb eines Krankenhauses der Maximalversorgung. Die zu vergebenden Leistungen hätten in der Bauleitung und Koordination übergreifend aller Gewerke und in der technischen Sicherstellung des fortlaufenden Krankenhausbetriebes bestanden. Ein Ausfall dieser Koordinierungsleistungen habe Gefahren für Gesundheit und Leben der Patienten sowie für die Sicherheit der Baustelle besorgen lassen. Des Weiteren sein der äußere Anlass für die Entstehung dieser dringlichen zwingenden Gründe nicht dem AG zuzuschreiben und für diesen auch nicht vorhersehbar gewesen. Vielmehr stammten hier die Leistungsstörungen aus der Sphäre des Generalplaners.
Unter diesen Voraussetzungen sei es daher vertretbar, gemäß § 3 Abs. 4 Ziff. c VOF die Projektsteuerungsleistungen im Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb zu vergeben.

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RA Michael Werner

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ZIRNGIBL LANGWIESER
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Anmerkung:
Die Vorschrift des § 3 Abs. 4 Ziff. c VOF wird grundsätzlich von der Rechtsprechung äußerst eng und restriktiv ausgelegt, um z.B. die Folgen einer Naturkatastrophe oder höherer Gewalt schnell zu beseitigen. Insofern ist die o.g. Entscheidung von großem Interesse, wonach diese Ausnahmevorschrift auch auf unvorhersehbare Projektablaufstörungen, die vom Auftraggeber nicht zu vertreten sind, angewandt werden kann. Gleichwohl ist aber auch in diesem Falle immer zu prüfen, ob nicht eventuell doch ausreichend Zeit zur Verfügung steht, eine Beschaffung unter Beachtung der (normalen) vergaberechtlichen Bestimmungen durchzuführen.

  Quelle: RA Michael Werner


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