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Vorgabe einer bestimmten Stahlsorte: Produktneutrale Ausschreibung?

19.08.2014

Die Vergabekammer (VK) Sachsen-Anhalt hat mit Beschluss vom 16.04.2014 – 2 VK LSA 25/13 – u.a. Folgendes entschieden:

• Bei der Vorgabe einer bestimmten Stahlsorte handelt es sich um eine technische Spezifikation. Der Auftraggeber muss deshalb in die Beschreibung der entsprechenden Leistungsposition den Zusatz „oder gleichwertig“ aufnehmen.

Ein Sektorenauftraggeber (AG) hatte die Lieferung von Gleisoberbaumaterial im Offenen Verfahren nach VOL/A-EG europaweit ausgeschrieben. In der Bekanntmachung hatte er bezüglich der Schienen vorgegeben, dass diese der DIN EN 14811 entsprechen und aus einer bestimmten Stahlsorte, 1. Wahl, gewalzt sein müssten. Bieter A rügte darauf, dass die alternativlose Vorgabe der ausschließlich bei einem einzigen Hersteller erhältlichen Stahlsorte unzulässig sei. Dieser Hersteller habe ihm kein Lieferangebot unterbreitet bzw. in anderen Fällen bis zu 100 % überhöhte Angebote unterbreitet. A forderte daher die Zulassung gleichwertiger Produkte und bot ein aus seiner Sicht gleichwertiges Alternativprodukt an. Der AG half seiner Rüge nicht ab, verneinte im Folgenden die Gleichwertigkeit des von A angebotenen Produkts und beabsichtigte, den Auftrag an Bieter B vergeben. A stellte daraufhin Nachprüfungsantrag.

Nach Ansicht der VK ist der Antrag begründet. Die VK ordnet an, das Verfahren ab Erstellung der Vergabeunterlagen zu wiederholen. Der AG müsse – soweit er weiterhin technische Anforderungen in Form von technischen Spezifikationen vorgeben wolle – diese mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ versehen und klarstellen, hinsichtlich welcher Leistungsmerkmale Gleichwertigkeit gefordert oder nach welchen Parametern diese zu bestimmen sei. Bei der Vorgabe der Stahlsorte handele es sich um die Bezugnahme auf eine technische Spezifikation im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 1 SektVO. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift sei der AG gehalten, den Zusatz „oder gleichwertig“ in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen. Gemäß Anhang 2 (zur SektVO) seien technische Spezifikationen sämtliche, insbesondere in Vergabeunterlagen enthaltene technische Anforderungen an ein Material, ein Erzeugnis oder eine Lieferung, mit deren Hilfe diese so bezeichnet werden könnten, dass sie ihren durch den Auftraggeber festgelegten Verwendungszweck erfüllten. Die vom AG zusammen mit der vorgegebenen Stahlsorte angeführte DIN EN-Vorschrift sei als internationale Norm im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 1 Ziff. d SektVO anzusehen. Diese Angaben stellten jedoch keine Leistungs- und Funktionsanforderungen im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 2 SektVO dar. Denn dann hätte die Leistungsbeschreibung zwar die Funktion der geforderten Produkte beschrieben, den Bietern jedoch einen zusätzlichen Spielraum bei der Gestaltung ihrer Angebote lassen müssen. Hier habe der AG das Produkt entsprechend der DIN jedoch so genau bis ins Einzelne vorgegeben, dass davon abweichende Produkte von vornherein nicht zugelassen waren.

Außerdem verstoße die fehlende Aufnahme des Zusatzes „oder gleichwertig“ auch gegen § 7 Abs. 11 Satz 2 SektVO. Danach dürften Auftraggeber in technischen Anforderungen nicht auf bestimmte Produkte verweisen, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen würden.
Der AG habe die angesprochenen Mängel auch nicht dadurch geheilt, in dem er abweichend von seinen eigenen Vorgaben im Hinblick auf das von A angebotene Produkt eine Gleichwertigkeitsprüfung durchgeführt habe. Denn dabei sei von Bedeutung, dass der AG zu einer Gleichwertigkeitsprüfung nach seinen eigenen Vorgaben gar nicht befugt gewesen sei. Wäre er zu dem Ergebnis gelangt, dass die vom A angebotene Stahlsorte gleichwertig gewesen wäre, hätte er das Vergabeverfahren ab Erstellung der Vergabeunterlagen wiederholen müssen, um auch anderen Bietern die Möglichkeit zu geben, entsprechende Produkte anzubieten.
Genau dies habe nun der AG hier durchzuführen.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
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Anmerkung:
Grundsätzlich ist es alleinige Sache des Bieters, den Nachweis der Gleichwertigkeit zu erbringen; dem AG steht bei der Bewertung der Gleichwertigkeit ein – von den Nachprüfungsinstanzen – nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Gleichwohl ist die o.g. Entscheidung von Bedeutung, da sie dem Auftraggeber klare Maßstäbe aufzeigt, wie die Angabe technischer Spezifikationen in Ausschreibungen ordnungsgemäß zu erfolgen hat.

  Quelle: RA Michael Werner


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