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Zur Aufklärung eines ungewöhnlich niedrigen Preises

10.03.2015

Die Vergabekammer (VK) Bund hat mit Beschluss vom 18.12.2014 – VK 2-103/14 - Folgendes entschieden:

• Liegt das Angebot eines Bieters preislich 40 % bis 50 % unter denen der anderen Bieter, liegt ein ungewöhnlich niedriger Preis vor, den der Auftraggeber aufklären muss.

• Richtet der Auftraggeber an den Bieter ein konkretes Aufklärungsverlangen, ist es Sache des Bieters, bestehende Zweifel an der Auskömmlichkeit seines Angebotes zu entkräften.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte einen Auftrag über unterstützende Maßnahmen beim Forderungseinzug und der Vollstreckungs- und Insolvenzbearbeitung europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Gegenstand der Ausschreibung war die Unterstützung beim Beitrags- und Forderungseinzug durch die Betreuung von ca. 9.000 Arbeitgeberbeitragskonten, die Vollstreckungs- und Insolvenzbearbeitung für diese Konten etc. Unter der Ziff. „Technische Leistungsfähigkeit“ der Bekanntmachung mussten die Bieter u.a. eine Darstellung der fachpersonellen Ausstattung des Unternehmens, insbesondere des Mitarbeiterschlüssels und der fachlichen Qualifikationen der Mitarbeiter für die zu erbringemde Dienstleistung vorlegen. Im Rahmen der Angebotsprüfung fiel das Angebot des Bieters A als ungewöhnlich niedrig auf, da der Preis weit unterdurchschnittlich sowie 45 % Preisabstand zum nächsthöheren Angebot aufwies. Daher forderte der AG den A auf, schriftlich sachliche Gründe zu nennen, die den angebotenen Preis nachvollziehbar begründeten und seine Preis- und Personalkalkulationen offen zu legen. A teilte dem AG darauf für die Bereiche „Forderungsmanagement“ und „Beitragseinzug“ die jeweilige Personalanzahl mit entsprechenden Personalkosten und die für zwei Jahre anfallenden Personalkosten mit. Darauf wurde er vom AG informiert, dass sein Angebot wegen offenbarem Missverhältnisses zur Leistung ausgeschlossen werde; mit dem kalkulierten Personaleinsatz können nach den Erfahrungen des AG aus der Eigenbearbeitung und mit dem aktuellen Dienstleister die Leistung nicht erbracht werden. Außerdem würden in der Kalkulation wesentliche Faktoren fehlen (Arbeitgeberanteile, Deckungsbeiträge für Vertriebs- und Verwaltungskosten etc.). Bieter A stellte darauf Nachprüfungsantrag.

Die Vergabekammer weist den Antrag als unbegründet zurück. Die von A abgegebene Erklärung sei nicht geeignet, den AG in den Stand zu versetzen, den ungewöhnlich niedrigen Preis im Sinne des § 19 EG Abs. 1 VOL/A aufzuklären. Der AG sei hier bei einem Preisabstand von 45 % zum nächstgünstigen Angebot zurecht von einer Aufklärungsbedürftigkeit des Angebotes ausgegangen. Das Aufklärungsverlangen des AG sei daher nicht nur berechtigt, sondern auch hinreichend konkret und klar gewesen. Es sei in dieser Aufklärungssituation grundsätzlich Sache des Bieters, bestehende Zweifel an der Auskömmlichkeit seines Angebotes zu entkräften. Im Rahmen des in § 19 EG Abs. 6 Satz 1 VOL/A vorgegebenen Aufklärungsverlangens sei der AG weder verpflichtet noch berechtigt, konkrete Anforderungen für eine erfolgreiche Aufklärung anzugeben. Jedoch sei der AG gehalten, seine Zweifel zu konkretisieren und die vom Bieter abzugebenden Erklärungen/Nachweise zu verbalisieren. Der AG habe in diesem Sinne ein konkretes Aufklärungsverlangen an den A gerichtet, indem er um sachliche Gründe gebeten habe, den angebotenen Preis nachvollziehbar zu begründen. A habe jedoch keine sachlichen Gründe zur Rechtfertigung seines niedrigen Preises angeführt, sondern vielmehr diesen weiter verunklart. Die von ihm vorgelegte Preis- und Personalkalkulation belege im Ergebnis keine auskömmliche Kalkulation. In der Rechtsfolge sei daher das Angebot des A gemäß § 19 EG Abs. 6 VOL/A zurecht auszuschließen gewesen.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
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Anmerkung:
Nach ständiger Rechtsprechung hat bei Vorliegen eines ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises der AG eine Pflicht zur Aufklärung. Ist eine sog. „Aufgreifschwelle“ überschritten, kann von einem etwaigen Aufklärungsverlangen ausgegangen werden (bei VOL/A-Vergaben: ab ca. 10 – 20 %; bei VOB/A-Vergaben: ab ca. 10 %). Bei einem berechtigten Aufklärungsverlangen liegt dabei die Beweislast bezüglich der Auskömmlichkeit des Preises grundsätzlich stets beim Bieter. Das Angebot kann nur dann weiter akzeptiert werden, wenn der Bieter vollständig, nachvollziehbar und ohne Widersprüche alle Zweifel an der Auskömmlichkeit seines Angebotes ausräumen kann.

 

  Quelle: RA Michael Werner


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