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6-Tages-Nachforderungsfrist gilt nicht für noch zu besorgende Nachweise

30.08.2013

Die Vergabekammer Nordbayern hat mit Beschluss vom 27.06.2013 – 21. VK-3194-28/13 – u.a. folgendes entschieden:

Die Bestimmung des § 16 Abs. 1 Nr. 3 bzw. 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bezieht sich ausschließlich auf Nachweise, die bereits in den Vergabeunterlagen wirksam gefordert wurden und bei Angebotsabgabe beizufügen waren. Folglich muss ein Bieter über diese Nachweise schon bei Angebotsabgabe verfügen. Sechs Tage sind ausreichend, wenn lediglich ein bereits vorhandener Nachweis noch vorgelegt werden muss, aber nicht, wenn ein solcher Nachweis gegebenenfalls noch zu beschaffen ist.

Ist eine Forderung in den Vergabeunterlagen unklar gestellt, gehen diese Unklarheiten aufgrund des Transparenzgebotes und des Diskriminierungsverbotes zu Lasten des Auftraggebers und können den Bietern nicht angelastet werden.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Rohbauarbeiten europaweit im Offenen Verfahren ausgeschrieben. Zum Eignungsnachweis forderte er eine Eintragung im Präqualifikationsverzeichnis oder eine Eigenerklärung gemäß Formblatt 124. Bieter A hatte darauf ein Angebot abgegeben, das nach rechnerischer Prüfung das günstigste war. Drei Tage nach Abgabetermin forderte der AG den Bieter A auf, innerhalb von sechs Kalendertagen Einzelnachweise zur Sachkunde BGR § 128 und WHG § 19 (Arbeiten im kontaminierten Bereich) vorzulegen. Im selben Schreiben forderte er den Bieter A auf, zusätzlich drei Referenzen zu bestimmten geforderten Angaben vorzulegen. Drei Wochen später teilte der AG dem Bieter A mit, sein Angebot nicht zu berücksichtigen, da begründete Zweifel an seiner Eignung bestünden. So habe A seine Eignung nach WHG nicht nachgewiesen und keine drei Referenzen mit den geforderten Angaben gemäß Formblatt 124 vorgelegt. Hiergegen wandte sich Bieter A mit seinem Nachprüfungsantrag zur Vergabekammer.

Die Vergabekammer (VK) gibt hier dem Bieter A Recht, da ein Ausschluss seines Angebotes weder nach § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A noch nach § 15 EG Abs. 2 VOB/A gerechtfertigt sei.

So halte die zum Ausschluss führende Forderung „Nachweis der Sachkunde nach WHG § 19“ einer Prüfung nicht Stand. Nach einer Neufassung des WHG von März 2010 beinhalte § 19 WHG Bestimmungen zu Planfeststellung und bergrechtliche Betriebspläne, was nicht Gegenstand einer Eignungsforderung sein könne. Die Forderung sei daher unklar gestellt. Aufgrund des Transparenzgebotes und des Diskriminierungsverbotes gingen Unklarheiten in den Vergabeunterlagen zu Lasten des Auftraggebers und könnten Bietern nicht angelastet werden. Ein Ausschluss wegen des Fehlens eines Sachkundenachweises nach § 19 WHG komme deshalb nicht in Betracht.

Zudem sei der Nachweis zu einem unzulässigen Zeitpunkt gestellt worden, weil die Bestätigung erstmals in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes verlangt worden sei. Nach § 12 EG Abs. 2 Nr. 2 VOB/A müsste bereits die Bekanntmachung die geforderten Informationen enthalten, die für die Prüfung der Fachkunde verlangt würden. Auftraggeber könnten, wenn Eigenerklärungen der Unternehmen nicht ausreichend seien, Eignungsnachweise nach § 6 EG Abs. 3 Nr. 3 VOB/A anfordern. Die Bekanntmachung müsse jedoch erkennen lassen, welche Nachweise gefordert würden. Lediglich Einzelheiten könnten noch in den Vergabeunterlagen konkretisiert werden. Hier habe der AG dieses Maß mit seiner Forderung in der Angebotsaufforderung überschritten, dass die Bieter für Tätigkeiten an Anlagen mit wassergefährdenden Stoffen besondern zertifiziert sein müssten.

Der Bieter A könne auch nicht deswegen ausgeschlossen werden, weil er keine Referenzbescheinigungen mit Bestätigung des Auftraggebers vorgelegt habe (§ 15 Abs. 2 VOB/A).

Diese Norm erfasse die Fallgestaltungen, in denen die Vergabestelle konkret die Nachlieferung/-reichung von Unterlagen/Angaben nach Abgabe der Angebote fordere. Für diese Fälle sehe § 15 Abs. 2 VOB/A vor, dass dem Bieter zur Aufklärung bzw. zur Beibringung von Erklärungen und Angaben eine angemessene Frist gesetzt werde. Hier habe der AG mit seinem Schreiben innerhalb von sechs Kalendertagen je eine Referenzbescheinigung für drei Referenzen mit einer Bestätigung des Auftraggebers gefordert. Dabei habe er die 6-tägige Frist offensichtlich dem § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A entnommen. Diese Bestimmung beziehe sich aber ausschließlich auf Nachweise, die dem Angebot schon bei Abgabe beizufügen waren. Folglich müsse ein Bieter über diese Nachweise bereits bei Angebotsabgabe verfügen. Sechs Tage seien ausreichend, wenn lediglich ein bereits vorhandener Nachweis noch vorgelegt werden müsse, nicht jedoch, wenn ein solcher Nachweis gegebenenfalls noch zu beschaffen sei. Bereits daraus ergebe sich, dass jedenfalls eine Frist von sechs Tagen für eine solche Fallgestaltung zu kurz bemessen sei. Der Ausschluss eines Angebotes gemäß § 15 Abs. 2 VOB/A setze jedoch voraus, dass der Bieter entweder die Aufklärung verweigere oder er die Anfrage der Vergabestelle unbeantwortet lasse. Beides sei vorliegend nicht der Fall, so dass die Voraussetzung des § 15 Abs. 2 VOB/A nicht vorliege, weshalb ein Ausschluss des Angebotes aufgrund dieser Vorschrift unzulässig sei.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
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Anmerkung:

Nach Einführung der Nachforderungsmöglichkeit in der VOB/A 2009 (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A) ist immer wieder festzustellen, dass die Auftraggeber irriger Weise der Ansicht sind, in jeder Phase des Vergabeverfahrens in der kurzen Frist von sechs Kalendertagen Erklärungen und Nachweise nachfordern zu können. Hierzu gibt die o.g. Entscheidung eine klare Grenze vor. Generell gilt, dass die 6-tägige Nachforderungsfrist des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nur dann gilt, wenn die Nachweise bereits in den Vergabeunterlagen wirksam gefordert wurden und bereits mit dem Angebot vorzulegen waren.

  Quelle: RA Michael Werner


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