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§ 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B unwirksam?

08.10.2013

Eine Lösungsklausel in Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie, die an den Insolvenzantrag oder die Insolvenzeröffnung anknüpft, ist unwirksam.

Dies hat der BGH in einem Urteil vom 15. November 2012 (Az.: IX ZR 169/11) entschieden.

Der Fall: In dem zwischen A und B unter Einbeziehung der VOB geschlossenen Stromlieferungsvertrag ist folgende Klausel enthalten:

„Der Vertrag endet auch ohne Kündigung automatisch, wenn der Kunde einen Insolvenzantrag stellt oder aufgrund eines Gläubigerantrages das vorläufige Insolvenzverfahren eingeleitet oder eröffnet wird“.

Über das Vermögen des Energielieferanten A wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Kunde B beruft sich darauf, dass der Energielieferungsvertrag auf Grund der oben genannten Klausel automatisch beendet wurde. Der Insolvenzverwalter von A steht hingegen auf dem Standpunkt, die Lösungsklausel sei unwirksam, daher habe der Energielieferungsvertrag weiterhin Bestand.

Das Urteil: Entgegen den Vorinstanzen hält der BGH die Klausel wegen Verstoßes gegen § 119 InsO für unwirksam. Nach dieser Vorschrift sind „Vereinbarungen, durch die im Voraus die Anwendung der §§ 103 bis 118 InsO ausgeschlossen oder beschränkt werden, (...) unwirksam“. Nach
§ 103 InsO steht dem Insolvenzverwalter bei gegenseitigen Verträgen ein Wahlrecht zu, ob er den Vertrag erfüllen will oder nicht. Hierdurch soll die Masse geschützt und die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung sichergestellt werden. Dieser Zweck würde nach Auffassung des BGH unterlaufen werden, wenn sich der Schuldner allein wegen der Insolvenz von einem für die Masse günstigen Vertrag lösen und das Wahlrecht des Insolvenzverwalters damit leerlaufen lassen könnte. Nach Auffassung des BGH steht einer Anwendbarkeit des § 119 InsO auch nicht entgegen, dass die Klausel an den Insolvenzantrag und nicht - wie § 119 InsO - an die Insolvenzeröffnung anknüpft. Jedes Insolvenzverfahren setzt zwingend einen Antrag voraus. Könnte daher eine Lösungsklausel wirksam an den Antrag anknüpfen, würde § 119 InsO in der Praxis leerlaufen. Auch eine an die Insolvenzantragstellung anknüpfende Lösungsklausel ist daher unwirksam. Der Energielieferungs-vertrag besteht somit fort.

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Fazit: Die Entscheidung des BGH ist für Bauunternehmen vor allem deshalb von Bedeutung, weil sie sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch auf § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B übertragen lässt. Danach kann nämlich der Auftraggeber den Vertrag kündigen, sobald ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Auftragnehmers beantragt wurde. Auch diese Lösungsklausel der VOB/B knüpft also an den Insolvenzantrag an und dürfte daher nach der jetzigen Rechtsprechung des BGH ebenfalls unwirksam sein. Der Auftraggeber, der auf Basis dieser Klausel nach Insolvenz seines Auftragnehmers kündigt, geht daher hohe Risiken ein. Ihm ist daher dringend zu raten, wenn irgend möglich auf andere Kündigungsgründe auszuweichen.

In Betracht kommt hier insbesondere § 5 Abs. 4 VOB/B (Verzug), da Insolvenzverwalter in der Regel nicht sofort weiterarbeiten lassen können. Läuft die dem Verwalter gesetzte Frist fruchtlos ab, so kann der Auftraggeber den Auftrag entziehen (§ 8 Abs. 3 VOB/B). In Betracht kommt außerdem der Kündigungsgrund des § 6 Abs. 7 VOB/B (Unterbrechung länger als drei Monate).

  Quelle: RA Michael Seitz


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