zurück

§ 8 Abs. 2 VOB/B unwirksam!

11.06.2015

von RA Michael Seitz

Eine auf § 8 Abs. 2 VOB/B gestützte fristlose Kündigung wegen Insolvenz des Auftragnehmers ist unwirksam. Daher kann der Auftraggeber einen Schadensersatzanspruch wegen der Mehrkosten für die Fertigstellung nicht auf § 8 Abs. 2 VOB/B stützen.

Dies hat das OLG Frankfurt in einem Urteil vom 16.03.2015 (Az.: 1 U 38/14) entschieden. Die Entscheidung ist bisher nicht rechtskräftig.

Der Fall: AG beauftragt AN auf Grund eines Generalunternehmervertrages unter Einbeziehung der VOB/B mit der Errichtung eines Geschäftshauses. Bank B stellt für AN eine Erfüllungsbürgschaft. Später stellt AN einen Eigeninsolvenzantrag. Daraufhin kündigt AG gemäß § 8 Abs. 2 VOB/B den Vertrag aus wichtigem Grund fristlos. AN stellt seine Tätigkeit auf der Baustelle ein, daraufhin lässt AG das Geschäftshaus durch einen Drittunternehmer fertigstellen, was Mehrkosten von knapp 400.000,- € verursacht. AG verklagt nun B als Erfüllungsbürgin auf Zahlung der Fertigstellungsmehrkosten.

Das Urteil: Das OLG Frankfurt weist die Klage ab. AG steht ein Anspruch auf Bezahlung der Mehrkosten aus der Erfüllungsbürgschaft nicht zu, da seine außerordentliche Kündigung gemäß § 8 Abs. 2 VOB/B nicht wirksam ist. Diese Klausel, die über die Einbeziehung der VOB/B Vertragsinhalt wurde, ist nämlich gemäß § 119 InsO unwirksam. § 119 InsO bestimmt, dass Vereinbarungen zwischen den Parteien, die ein mögliches, späteres Wahlrecht des Insolvenzverwalters einschränken, den Vertrag zu erfüllen oder die Erfüllung abzulehnen, unwirksam sind. Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters entsteht allerdings erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit der bloßen Stellung eines Eigenantrages auf Insolvenz ist das Verfahren aber noch nicht eröffnet. Nach der Rechtsprechung des BGH entfaltet der § 119 InsO eine Vorwirkung jedenfalls ab dem Zeitpunkt, in dem wegen der Stellung eines zulässigen Insolvenzantrages mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ernsthaft zu rechnen ist. Folgt man dieser Rechtsprechung, die der BGH bisher nur für die Lieferung von Waren und Energie entwickelt hat, so sind Lösungsklauseln in Verträgen, die an die Stellung des Insolvenzantrages anknüpfen, stets unwirksam. Um genau eine solche Klausel handelt es sich aber bei § 8 Abs. 2 VOB/B.

Nach dieser Klausel kann nämlich AG den Vertrag kündigen, wenn AN seine Zahlungen einstellt und er selbst oder andere Gläubiger zulässigerweise einen Insolvenzantrag stellen. Ist § 8 Abs. 2 VOB/B aber unwirksam, so konnte AG das Vertragsverhältnis nicht wirksam außerordentlich kündigen. Seine Kündigung ist daher als freie Kündigung zu behandeln mit der Folge, dass ihm ein Anspruch auf Ersatz der Fertigstellungsmehrkosten nicht zusteht. Vielmehr schuldet er im Gegenteil unter Umständen dem AN bzw. dessen Insolvenzverwalter Schadensersatz wegen der ungerechtfertigten Kündigung.

Die bürgende Bank B kann dem Anspruch des AG alle Einwendungen entgegen halten, die auch AN zustehen (§ 768 Abs. 1 BGB). Daher schuldet die Bürgin die Fertigstellungsmehrkosten ebenso wenig, wie AN sie schulden würde, wäre er noch solvent.

Hauptgeschaeftsfuehrung_Seitz.JPG

Fazit: Ein seit langem währender Streit in Rechtsprechung und juristischer Literatur steht kurz vor seiner Lösung durch den BGH. Während viele Oberlandesgerichte nach den Entscheidungen des BGH zu Energielieferungs- und Warenlieferungsverträgen § 8 Abs. 2 VOB/B wegen Verstoßes gegen § 119 InsO für unwirksam erklärt haben, hielten einige andere Oberlandesgerichte - zum Teil ohne nähere Begründung - an dem Kündigungsrecht nach § 8 Abs. 2 VOB/B fest. Das OLG Frankfurt hat nun die Revision gegen sein Urteil zugelassen, die auch eingelegt wurde. Daher steht zu erwarten, dass der BGH diese Frage nunmehr in Kürze für die Praxis verbindlich entscheiden wird. Es spricht vieles dafür, dass sich der BGH der Auffassung des OLG Frankfurt anschließen wird, denn in der Tat würde das vom Gesetz gewollte Wahlrecht des Insolvenzverwalters, ob er den Vertrag erfüllt oder nicht, eingeschränkt, wenn die Parteien wirksam vereinbaren könnten, dass im Falle bereits der Insolvenzantragstellung einer Partei die andere Partei sich vom Vertrag lösen kann. Man darf die Entscheidung des BGH also mit Spannung erwarten, sollte jedoch bereits jetzt bei Kündigungen, die auf § 8 Abs. 2 VOB/B gestützt werden sollen, größte Vorsicht walten lassen und in jedem Falle vor einer solchen Kündigung Rechtsrat einholen.

  Quelle:


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare