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AGB-Recht ist zwingend!

05.06.2014

• Ein Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) kann sich nicht auf eine individualrechtliche Vereinbarung berufen, nach der über alle, von ihm vorformulierten Klauseln „ernsthaft und ausgiebig verhandelt wurde“ und damit die Geltung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen individualrechtlich ausschließen.

Dies hat der BGH in einem Urteil vom 20. März 2014 (Az.: VII ZR 248/13) entschieden.

Der Fall: AG, ein Bauträger, nimmt eine Bank in Anspruch, die sich für einen insolventen Generalunternehmer (AN) verbürgt hatte. Die Parteien streiten vor dem BGH nur noch darum, ob die in § 12 des GU-Vertrages enthaltene Sicherungsabrede wirksam ist. In den AGB, die AG dem AN gestellt hatte, heißt es in Ziffer 10:

„Der Auftragnehmer bestätigt ausdrücklich, dass im Rahmen der vergangenen Verhandlungen zum GU-Vertrag über jede Vertragsklausel ausgiebig und ernsthaft mit dem Auftraggeber diskutiert und verhandelt wurde. Der Auftragnehmer ist sich daher mit dem Auftraggeber darüber einig, dass es sich bei dem geschlossenen Vertrag um einen Individualvertrag handelt“.

Gleichwohl beruft sich die Bürgin darauf, die Sicherungsabrede sei unwirksam, da es sich um AGB des AG gehandelt habe.

Das Urteil: Ebenso wie die beiden Vorinstanzen gibt der BGH der Bürgin Recht. Unstreitig hat AG die Einbeziehung der Vertragsbedingungen dem AN angeboten. Er ist deshalb Verwender dieser AGB. Im vorliegenden Fall war das Vertragswerk umfassend durch AG vorformuliert und enthält eine Fülle von Klauseln, die für AN nachteilig sind. Dies erzeugt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH den Anschein, dass die Bedingungen durch AG gestellt wurden. Diesen Anschein hat AG auch nicht widerlegt. Nach Inhalt und Gestaltung sei der von AG gestellte GU-Vertrag für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert, auch die Sicherungsabrede in § 12 dieses Vertrages wurde nicht im Einzelnen ausgehandelt. Es liegt keine Individualabrede vor. Aushandeln erfordert nämlich nach Auffassung des BGH mehr als nur verhandeln. Dazu muss der Verwender zunächst den Gehalt seiner AGB-Klauseln, soweit sie vom Gesetz abweichen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellen und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumen. AN muss also die reale Möglichkeit haben, die Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Dementsprechend hat der Verwender (AG) hier also darzulegen, dass er ernsthaft zur Änderung einzelner Klauseln in den vom AN gewünschten Maße bereit gewesen wäre. Das hatte AG nicht dargelegt, geschweige denn bewiesen. Schließlich hält der BGH auch die Ziffer 10 des Verhandlungsprotokolls, nach der sich die Parteien einig sein sollen, dass der Vertrag im Einzelnen ausgehandelt wurde, für bedeutungslos. Wäre eine solche Klausel wirksam, so könnte AG den Schutz des AGB-Rechts ohne weiteres umgehen. Das AGB-Recht enthält jedoch zwingendes Recht, das - selbst im unternehmerischen Rechtsverkehr - nicht zur Disposition der Vertragsparteien steht.

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Fazit: Gerade mächtige Auftraggeber versuchen immer wieder, durch Klauseln wie diejenige, über die der BGH hier entschieden hat, ihre AGB in Individualvereinbarungen zu „verwandeln“ und so dem AN die Berufung auf nach dem AGB-Recht unwirksame Klauseln zu verwehren. Es ist erfreulich, dass nun auch der BGH dieser weit verbreiteten Praxis einen Riegel vorschiebt. Eine Individualvereinbarung liegt nur vor, wenn und soweit über jede einzelne Klausel ernsthaft verhandelt wurde, AN also die reale Möglichkeit hatte, eine andere als die vom AG vorgegebene Klausel nach seinen Wünschen in den Vertrag einzubeziehen. Dies wird gerade in umfangreichen Bauverträgen höchst selten und allenfalls an einzelnen Stellen der Fall sein. Daraus folgt für den Unternehmer, dass er Klauseln wie die hier dargestellte ohne weiteres unterschreiben kann, denn sie sind unwirksam.

  Quelle: RA Michael Seitz


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