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Abwasser: Lünen wird vollautomatisch "leer gepumpt"

19.12.2014

Neue Pumpwerks-und Abflusssteuerung bundesweit beispielhaft

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Das Pumpwerk Frydagstraße ist eines der 18 Pumpwerke, die das Lünener Stadtgebiet bei jeder Wetterlage sicher entwässern.

Abwassernetze, die nicht im Freigefälle entwässert werden können, sind auf jederzeit einwandfrei funktionierende Pumpwerke angewiesen. Die zeitnahe Kontrolle solcher Anlagen ist für die Betriebssicherheit unverzichtbar, konnte aber bislang nur mit erheblichem Zeit- und Personalaufwand einigermaßen sichergestellt werden. Der Stadtbetrieb Abwasserbeseitigung der Stadt Lünen, die ganz überwiegend in Poldergebieten gelegen ist, setzt bei Steuerung und Überwachung des Betriebs von 18 Pumpwerken sowie diverser anderer Abwasserbauwerke auf Vollautomatisierung und Internet-basierte Vernetzung von Datenströmen. Das unter Federführung der K. Bellwon Elektrotechnik GmbH (Lünen) konzipierte und für 420.000 € realisierte Pumpwerks-Management dürfte derzeit bundesweit Modell-Charakter für Kommunen dieser Größenordnung haben.

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Dipl.-Ing. Lars Laubenthal (re), technischer Geschäftsführer der Dr. Bellwon GmbH, diskutiert vor einem der Schaltkästen des hoch modernen Pumpwerks mit Jörg Klaer, der beim SAL für Pumpwerke und Regenwasserbehandlungverantwortlich ist.

Hydrogeografisch betrachtet ist die Stadt Lünen am Nordrand des Ruhrgebietes eine große Suppenschüssel. Ein Großteil der 11.500 Hektar entwässerter Fläche liegt in Poldern, aus denen Abwasser und Niederschläge nicht in freiem Gefälle abfließen können. Das hat teils mit natürlichen Strukturen zu tun, teils mit bergbaubedingten Senkungen. Damit sich das Stadtgebiet deshalb nicht nach und nach zu einem Abwassersee füllt, betreibt der Stadtbetrieb Abwasserbeseitigung Lünen AöR (SAL) ein System von 18Pumpwerken, darüber hinaus diverse andere Entwässerungsbauwerke wie Regenspeicher, Entlastungsbauwerke und Niederschlagsmessstellen. Wenn alle Lüner Pumpen gleichzeitig auf Volllast laufen, fördern sie 940 Liter pro Sekunde in das 325 Kilometer lange Lünener Abwassernetz. Notwendig wird ein reibungsloser und koordinierter Pumpeneinsatz vor allem in Starkregen-Situationen, die sich in Zukunft absehbar häufen werden. In solchen Situationen kann schon der Ausfall einzelner Pumpen schnell zur Katstrophe führen. Oberstes Ziel des Abfluss-Managements ist daher Betriebssicherheit. Jede einzelne Pumpe muss funktionieren; alle Pumpen müssen miteinander ebenso reibungslos zusammenarbeiten wie mit Rückhaltebecken und Abschlagsbauwerken. Viele Jahre lang erfolgte die Kontrolle der Pumpwerke durch SAL-Mitarbeiter, die die Pumpwerke regelmäßig oder bei erkennbarem Bedarf per Auto anfuhren und persönlich in Augenschein nahmen. Fehler wurden oft erst im Ernstfall an ihren Folgen erkennbar und mussten dann in Notfall-Einsätzen behoben werden. Diese Vorgehensweise war bei begrenzter Effektivität hochgradig personalintensiv - ein Zustand, den SAL-Vorstand Dipl.-Ing. Claus Externbrink nicht länger hinnehmen wollte, zumal mit Havarien im Netz neben Haftungsfragen fast automatisch auch umweltrechtliche Konsequenzen verbunden sind.

2008 begann der SAL daher mit dem Aufbau eines umfassenden, via Internet vernetzten automatischen Kontrollsystems, das in diesem Jahr weitestgehend abgeschlossen und voll einsatzbereit ist. Das Steuer- und regelungstechnische Grundkonzept entwickelte die Firma K. Bellwon Elektrotechnik GmbH, Lünen, nach den Zielvorgaben des SAL.

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Heraus gekommen ist dabei ein vollautomatisches Abfluss-Management, bei dem jede einzelne Pumpe und jedes weitere eingebundene Abwasserbauwerk im Stadtgebiet Lünen quasi von "jedem Punkt der Welt" aus jederzeit überwacht werden kann. Mehr noch: Das System ist so aufgebaut, dass nicht nur Online-Abfragen möglich sind. Das System generiert bei Unregelmäßigkeiten selbsttätig Warnungen, die es dem jeweils zuständigen Verantwortlichen schickt.

Damit die Datenströme ebenso reibungslos fließen, wie das Abwasser, setzt die Konzeption auf die modernsten derzeit verfügbaren Kommunikations-Kanäle. So laufen die gesamten Betriebsdatenströme von den Lünener Pumpwerken in die Rechner der SAL-Zentrale via Festnetz-Verbindung. Die Verbindung an die Pumpwerke erfolgt durch einen sogenannten "VPN-Tunnel". Das gewährleistet maximale Sicherheit im Datenverkehr; niemand kann sich in diese Tunnelverbindungen ein"hacken", so dass ein manipulativer Zugriff ins Kommunikationsnetz des SAL sicher ausgeschlossen bleibt. Ein ähnlich hoher Sicherheitsstandard wurde bei der Verbindung der SAL-Mitarbeiter mit den Einzel-Aggregaten der Pumpwerke realisiert, die der Fernüberwachung unterworfen sind. Der jeweilige Bereitschaftsmitarbeiter kann sich von seinem Laptop, Tablet-PC oder Smartphone immer und von überall her ins System einwählen, um Betriebsstände online abzufragen. Umgekehrt schickt das System gegebenenfalls Warnhinweise über irreguläre Zustände als E-Mail an die Bereitschaftsmitarbeiter. Das geht technisch hinunter bis auf die Ebene einzelner Pumpen, Ventile oder Schieber, die sich melden und/oder angesprochen werden können. Die GSM-Kommunikation fließt über den beim Provider VODAFONE eingerichtete Corporate Data Access (CDA). Der CDA-Verkehr wird bei VODAFONE auf separaten Servern verarbeitet, deren Nutzern bei Netzengpässen automatisch Vorrang gegenüber Nicht-CDA-Teilnehmern im Web eingeräumt wird. So ist sicher gestellt, dass die Kommunikation mit den technischen Komponenten im SAL-Pumpwerksverbund auch bei Voll- und Überlast des Internet stets reibungslos funktioniert.

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Trotz modernster technischer Möglichkeiten der Datenübertragung hat man auf eines aber nach reiflicher Überlegung und Abwägung bewusst verzichtet: Das System sieht eine kontinuierliche Kontrolle aller Komponenten vor, nicht aber die Fernwirkung ins System hinein. Damit sind auch Fehleingriffe von Mitarbeitern ausgeschlossen, die im "worst case" das konsequent auf Selbstregulation angelegte System ins Chaos stürzen könnten. Die technischen Parameter für die Selbstregulation wurden von den Bellwon-Experten nach detaillierten Vorgaben des SAL programmiert.

Zu den besonderen Qualitäten des neuen Pumpwerks-Managements gehört neben derart perfektionierten Datenflüssen zweierlei: Erstens eine auf maximale Anschaulichkeit ausgerichtete Visualisierung aller Messdaten. Dazu SAL-Vorstand Claus Externbrink: "Um in diesem System die Zustände aller Anlagen sichtbar zu machen, hätten wir bis vor kurzem noch ganze Räume mit Wänden voller elektronischer Anzeigetafeln benötigt; heute rufen wir das Gleiche wesentlich übersichtlicher mit einigen Mausklicks auf den Bildschirm eines PC oder eines iPad - und das zur Not im Wohnzimmer jedes beliebigen Mitarbeiters".
Ein weiterer Vorzug, der das Lünener Pumpwerks-Netz bundesweit praktisch einmalig macht, ist die universelle Kompatibilität der Daten. Was aus den Abwasserbauwerken an Daten fließt, ist sowohl in der Büro-EDV beim SAL verwertbar als auch auf den Mobilgeräten der Mitarbeiter. Ob Kanalkataster, kommunales GIS-System oder das EDV-System der Gewässerüberwachung, "unsere Pumpwerks-Daten sprechen mit allen EDV-Systemen in ihrem Umfeld", erläutert Externbrink; "das Ganze ist keine Insel, sondern optimal vernetzt". Hinter diesem Sachverhalt schlummern daher teils noch ungehobene Schätze an neuartigen Nutzungs- und Analyse-Möglichkeiten und ein großer Potential künftiger Weiterentwicklungen - alles im Sinne einer sicherheitstechnischen und wirtschaftlichen Optimierung der Lünener Stadtentwässerung.

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Die Betriebszustände jeder der drei Pumpen an der Frydagstraße können jederzeit online abgefragt werden.

Fotos: www.sal-abwasser.de

  Quelle: www.sal-abwasser.de


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