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Änderungen der kaufrechtlichen Mängelhaftung in Deutschland

08.01.2018

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Von Dr. Sabrina Streicher und Dr. Tobias Bomsdorf

Ab dem 01.01.2018 hat der Käufer einer mangelhaften Sache gegen seinen Verkäufer einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Ersatz der Kosten. Dieser Aspruch gilt zum einen für den Ausbau der mangelhaften Sache und zum anderen für den Wiedereinbau einer mangelfreien Sache. Daneben hat der deutsche Gesetzgeber einen allgemeinen Lieferantenregress in das Kaufrecht aufgenommen – und zwar sowohl im B2C- als auch B2B-Bereich.

1. Hintergrund der gesetzlichen Neuregelung
Bei Lieferung einer mangelhaften Sache hat der Käufer gegen den Verkäufer einen Anspruch auf Nacherfüllung. Entweder in Form der Beseitigung des Mangels (Nachbesserung) oder Lieferung einer mangelfreien Sache (Nachlieferung) auf Kosten des Verkäufers. Hatte der Käufer die Kaufsache vor Entdeckung des Mangels bereits in eine andere Sache eingebaut oder mit ihr verbunden, stellte sich die Frage, ob der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung auch verpflichtet ist, auf eigene Kosten die mangelhafte Kaufsache wieder auszubauen bzw. zu entfernen und die Ersatzsache einzubauen.

Nach der Gesetzeskonzeption waren die Aus- und (Wieder-)Einbaukosten nicht vom Nacherfüllungsanspruch des Käufers umfasst, sofern der Verkäufer sich nicht ausnahmsweise vertraglich zum Einbau der Sache verpflichtet hatte.In der Folge konnte der Käufer den Ersatz der Aus- und Einbaukosten nur mit einem Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer geltend machen. Hierfür hatte der Verkäufer allerdings nur einzustehen, wenn er für den Mangel verantwortlich war.

Recht der Mängelhaftung an Rechtsprechung des EuGH angepasst
Mit Urteil vom 16.06.2011 (C 65/09 und C 87/09) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) aufgrund einer Vorlage durch den Bundesgerichtshof (BGH) folgendes entschieden: Es ergibt sich eine Pflicht des Verkäufers zur Übernahme der Aus- und Einbaukosten im Rahmen der Nacherfüllung aus der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG. In der Folge urteilte der BGH, dass der Verkäufer, der an einen Verbraucher verkaufe (B2C), im Rahmen der Nacherfüllung auch für die Aus- und Einbaukosten hafte. Für einen Kaufvertrag zwischen Unternehmern (B2B) gelte dies nicht.

Die Spaltung der Rechtslage führt dazu, dass ein Verkäufer gegenüber seinem Verbraucherkunden im Rahmen der Nacherfüllung auch die Kosten des Ausbaus der mangelhaften Sache und Einbaus der mangelfreien Ersatzsache tragen muss. Von seinem Lieferanten kann er als Teil der Nacherfüllung nur die Lieferung der benötigten Ersatzsache verlangen. Die Aus- und Einbaukosten erhält er nur als Schadensersatz, wenn er eine Verantwortlichkeit des Lieferanten für den Mangel nachweisen kann. Bei produktionsbedingten Mängeln ist jedoch in der Regel der Hersteller für den Mangel verantwortlich. Der Letztverkäufer muss die Aus- und Einbaukosten also selbst tragen. Mit dem Gesetz zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung vom 28.04.2017 (BGBl. I 2017, 969) hat der deutsche Gesetzgeber nun reagiert und das Recht der Mängelhaftung insgesamt an die Rechtsprechung des EuGH angepasst – und zwar sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich.

2. Verschuldensunabhängiger Anspruch auf Aufwendungsersatz
§ 439 BGB, der den Anspruch des Käufers auf Nacherfüllung normiert, wird nun um einen neuen Absatz 3 ergänzt. Darin ist geregelt, dass der Verkäufer dem Käufer die Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen hat – wenn der Käufer die mangelhafte Sache gemäss ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht hat.

Ausgangspunkt für die Ersatzfähigkeit der Aufwendungen ist somit, ob die Sache objektiv dazu bestimmt war, in eine andere Sache eingebaut oder an ihr angebracht zu werden. Dies ist vor allem bei Baumaterialien und -zubehör wie zum Beispiel Bodenbelägen, Farben und Lacken, Leuchten oder Dachrinnen der Fall, aber auch bei Ersatzteilen für Maschinen und Anlagen. Wenn der Käufer die Kaufsache durch den Einbau entgegen ihrer funktionellen Bestimmung verwendet, ist er nicht schutzwürdig. Somit hat er keinen Anspruch auf Erstattung der mit dem Aus- und Einbau verbundenen Kosten. Ferner ist der Ersatzanspruch mangels Schutzwürdigkeit ausgeschlossen, wenn der Käufer den Mangel zum Zeitpunkt des Einbaus bereits kannte.

Anbindung an Nacherfüllung: Verkäufer muss nicht für Mängel verantwortlich sein
Darüber hinaus werden nur diejenigen Aufwendungen ersetzt, die erforderlich waren. Dies sind jene, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Auftraggeber aufgrund sachkundiger Beratung oder Feststellung für eine geeignete und Erfolg versprechende Massnahme zur Mängelbeseitigung erbringen konnte und musste.

Bei Einführung des § 439 Abs. 3 BGB-E hat sich der Gesetzgeber bewusst dagegen entschieden, den Verkäufer selbst zum Aus- und Einbau zu berechtigen bzw. zu verpflichten. Dies wäre gerade in längeren Lieferketten kompliziert gewesen und hätte zu stark in die individuellen Vertragsbeziehungen eingegriffen. Stattdessen wurde ein reiner Aufwendungsersatzanspruch geschaffen. Aufgrund der Anbindung an die Nacherfüllung ist es – anders als bei einem Schadensersatzanspruch – nicht erforderlich, dass der Verkäufer für den Mangel verantwortlich ist. Er haftet verschuldensunabhängig.

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Die geplanten Änderungen der kaufrechtlichen Mängelhaftung in Deutschland treten ab dem 01.01.2018 in Kraft und gelten für alle nach diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Verträge.

1. Geltung in der Lieferkette
Mit der Gesetzesänderung wollte der Gesetzgeber vor allem Verkäufer von zum Einbau bestimmten Waren sowie Handwerker und Bauunternehmer, die mangelhaftes Baumaterial gekauft und dieses in Unkenntnis des Mangels bei einem Dritten verbaut haben, entlasten. Aus diesem Grund wurde der Anwendungsbereich des neuen § 439 Abs. 3 BGB-E bewusst auf den B2B-Bereich ausgedehnt.

Der Gesetzgeber sah gleichzeitig das Risiko, dass die Verkäufer von zum Einbau bestimmten Gegenständen in Zukunft weitaus häufiger als derzeit Ansprüchen auf Ersatz der Aus- und Einbaukosten ausgesetzt sein werden. Damit diese nicht auf den Folgekosten der vom Lieferanten oder Hersteller zu verantwortenden Produktmängel sitzen bleiben, wird als Ausgleich parallel zum neuen § 439 Abs. 3 BGB-E auch der Verkäuferregress auf den unternehmerischen Bereich
ausgeweitet.

Änderungen der Paragraphen
Bislang enthalten §§ 478, 479 BGB Erleichterungen für den Verkäuferregress, wenn am Ende der Lieferkette ein Verbraucherkäufer stand. Nun sollen die Vorschriften zum Verkäuferregress auch dann gelten, wenn ausschliesslich Unternehmer an der Lieferkette beteiligt sind und auch der letzte Kaufvertrag in der Kette zwischen zwei Unternehmern geschlossen wurde. Inhaltlich ergeben sich dabei allerdings keine grossen Änderungen; lediglich der Standort der Regelungen wird von §§ 478, 479 BGB in §§ 445a, 445b BGB-E verschoben.

§ 445a Abs. 1 BGB-E enthält einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Lieferanten. Auch Aufwendungen, die der Verkäufer nach dem neuen § 439 Abs. 3 BGB-E gegenüber seinem Abnehmer zu tragen hatte, können entlang der Lieferkette weitergereicht werden. Auf diese Weise soll der Verkäufer einen Ausgleich für die erwarteten, erhöhten Nacherfüllungskosten bei Aus- und Einbau der mangelhaften Sache erhalten.

§ 445a Abs. 2 BGB-E enthält Modifikationen der Gewährleistungsrechte für Regresssituationen. Insbesondere ist eine ansonsten erforderliche Fristsetzung unter bestimmten Voraussetzungen entbehrlich. § 445b BGB-E regelt die Verjährung der Regressansprüche.

2. Abdingbarkeit der neuen Vorschriften
Im Verhältnis zu Verbrauchern darf der Anspruch auf Ersatz der Aus- und Einbaukosten weder individualvertraglich (vgl. § 478 Abs. 2 BGB-E) noch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ausgeschlossen (vgl. § 309 Nr. 8 b cc BGB-E) werden. Auch der Lieferantenregress ist unabdingbar, wenn der Endkunde der Lieferkette Verbraucher ist.

Für Kaufverträge zwischen Unternehmern und rein unternehmerische Lieferketten verzichtete der Gesetzgeber auf entsprechende Regelungen. Die neuen Vorschriften sind hier also im Grundsatz dispositiv und können jedenfalls individualvertraglich ausgeschlossen werden.

Interessanter für den von AGB beherrschten Geschäftsverkehr ist aber die Frage, ob im B2B-Bereich die Pflicht des Verkäufers bzw. – im Regressverhältnis – des Lieferanten zum Ersatz der Aus- und Einbaukosten durch entsprechende AGB-Klauseln ausgeschlossen werden kann. Im unternehmerischen Verkehr sind AGB nur einer allgemeinen Inhaltskontrolle nach der Generalklausel des § 307 BGB unterworfen.

Unterscheidung von schutzbedürftigeren Handwerkern und grossen Konzernen möglich
Hiernach ist eine Bestimmung in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Dies ist im Zweifel anzunehmen, wenn sie mit wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes unvereinbar ist. Fraglich ist, ob eine Risikoverteilung, die sich bislang aus dem Gesetz ergab (nämlich keine verschuldensunabhängige Haftung für Aus- und Einbaukosten im B2B-Bereich), nun plötzlich gegen das gesetzliche Leitbild verstossen kann.

Allerdings heisst es in der Gesetzesbegründung hierzu explizit, dass ein formularmässiger Ausschluss auch im B2B-Bereich in der Regel unwirksam sein wird. Andernfalls würde der Gesetzeszweck, Handwerker und Bauunternehmer, die Material ein- und weiterverkaufen, besonders zu schützen, konterkariert. Jedoch kann sich nach Ansicht des Gesetzgebers mit Blick auf die besonderen Interessen und Bedürfnisse des unternehmerischen Geschäftsverkehrs oder mit Blick auf im Handelsverkehr geltende Gewohnheiten und Bräuche ausnahmsweise etwas anderes ergeben. Ob und unter welchen Voraussetzungen dies der Fall sein könnte, soll allerdings erst durch die Rechtsprechung konkretisiert werden. Es ist vorstellbar, dass diese zwischen kleinen, schutzbedürftigeren Handwerkern und grossen Konzernen unterscheiden wird.

3. Inkrafttreten und Ausblick
Die geplanten Änderungen treten zum 01.01.2018 in Kraft und gelten für alle nach diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Verträge.

Die neuen Regelungen werden sicherlich zu Kostensteigerungen für Verkäufer und Lieferanten führen. Gerade bei komplexen Maschinen kann der Kostenaufwand für den Aus- und Einbau von Ersatzteilen enorm sein. Inwieweit hier Möglichkeiten zur Deckelung der Kostenübernahme oder sogar zum Ausschluss bestehen, wird die Rechtsprechung noch konkretisieren müssen. Bis diese und andere Fragen geklärt sind, empfiehlt es sich, die offenen Fragen (individual)- vertraglich zu regeln.

Für Unternehmer gilt es bereits jetzt, ihre Verträge und AGB auf die neuen Regelungen anzupassen und sich darauf einzustellen, dass die Entwicklungen in der Rechtsprechung auch zukünftig weitere Anpassungen erfordern können.

  Quelle: www.handelskammerjournal.ch/de www.handelskammer-d-ch.ch


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