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Allein auf der Burgruine

10.10.2012

Wie Erbpächter Andreas Tilly an fast jedem Wochenende die zerfallene Burg Freienstein im hessischen Odenwald wieder aufbaut

 Von Stephen Wolf

Beerfelden (dapd-hes). Seit Jahren schleppt er fast jeden Samstag schwere Steine, schneidet Sträucher zurück oder legt längst verschüttete Gänge auf Burg Freienstein frei: Andreas Tilly ist wohl einer der außergewöhnlichsten Burgherren in Deutschland. Vor acht Jahren hat der 50-Jährige die Erbpacht der Ruine im hessischen Beerfelden für insgesamt 40 Jahre übernommen. Sein Ziel ist es, das im Jahr 1297 erstmalig erwähnte Gemäuer vor dem Verfall zu retten. "Ich habe mich damit auf einen Wettlauf mit der Zeit eingelassen", sagt der Mann, der hauptberuflich als Betreuer in einer Dieburger Behindertenwerkstatt arbeitet.

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Fotos: Thomas Lohnes / dapd

"Hätte der Tilly nicht die Erpacht übernommen, das Ding würde heute nicht so gut aussehen", ist ein Einheimischer überzeugt. Tatsächlich bescheinigen auch Kommunalpolitiker dem Vater zweier Söhne ein enormes ehrenamtliches Engagement. "Sicher, manchmal habe ich mich schon gefragt, wieso er das alles überhaupt macht", gibt der Bürgermeister von Beerfelden, Gottfried Görig (parteilos), zu. "Mittlerweile bin ich mir sicher, dass er keine Hintergedanken bei der Sache hat", sagt der Rathauschef. Welche Hintergedanken könnte ein Mann auch haben, der an fast jedem Wochenende größtenteils alleine auf einer alten Burg im hessischen Odenwald schuftet?

Burgsanierung wegen Midlifecrisis?

Letztendlich handle es sich eben um einen besonders engagierten Bürger, "der den Erhalt der Burg als sein Hobby betrachtet", lautet Görigs Deutung. Tatsächlich unterscheidet sich diese Beschreibung nicht allzu stark vom Selbstbild Tillys, der eigenen Angaben zufolge schon immer an der Historie interessiert gewesen ist. Nachdem der Mann aus Bad König vor Jahren entdeckt hatte, dass die Burg nach und nach zerfällt, habe er sich entschlossen, etwas zu unternehmen. "Ich war immer unterwegs und habe mir alte Bauwerke angesehen. Die stummen Zeugen früherer Zeiten müssen doch erhalten werden", findet er. Vielleicht habe er das Projekt Burgsanierung aber auch im Anflug einer Midlifecrisis begonnen, fügt er schmunzelnd hinzu. "Jedenfalls war mir seither nicht mehr langweilig".

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Hoch über dem Stadtteil Gammelsbach erhebt sich die Burgruine mit den Resten ihrer Schildmauer und dem turmartigen Saalbau. 500 Euro Erbpacht zahlt Andreas Tilly im Jahr an die Besitzer, die Grafen Erbach-Fürstenau: "Hier oben kann ich relativ unabhängig der Arbeit nachgehen, ich bin an der frischen Luft und entdecke ständig seltene Tiere hier oben", sagt Tilly und nennt Milane, Turmfalken, Feuersalamander oder Glattnattern als Beispiele.

Mittlerweile hat er auch ein paar Grundstücke unterhalb der Burg gekauft, so dass irgendwann einmal ein zusammenhängendes Areal mit der Burg im Zentrum entsteht. Nach wie vor hat die Sicherung der einsturzgefährdeten Mauerteile aber Vorrang. In enger Abstimmung mit Denkmalschutz- und Naturschutzbehörden arbeitet er momentan an der Ringmauer im südlichen Teil der Ruine. Als nächstes sollen Treppenaufgänge freigelegt und gesichert werden. In den ersten Jahren seiner Erbpacht hatte der neue Burgherr durch die Rodung von Büschen und Bäumen erreicht, dass die Ruine überhaupt wieder zugänglich ist. Im vergangenen Jahr hat er gemeinsam mit seinen beiden erwachsenen Söhnen einen längst verschütteten Zugang zum Erdgeschoss freigelegt.

Schneller als der Verfall

Vor der hohen Burgmauer hat Tilly zwei kleine Gewächshäuser mit seiner Kakteensammlung aufgestellt. Für sonstige Hobbys oder gar für eine Beziehung fehlt dem alleinstehenden Mann momentan die Zeit: "Ich bin ja sogar bei Regen hier oben, das würde keine Frau mitmachen", sagt er lachend. Doch wohin soll das alles führen? Wie der Mann aus Bad König sagt, rechnet er selbst kaum damit, eines Tages auf seiner Burg leben zu können. Wäre das sein Plan, so räumt er ein, dann müsste er weitaus größere Summen investieren, als er überhaupt kann, etwa für ein Dach: "Ich bin aber schon zufrieden, wenn ich schneller als der Verfall bin." Verschulden will er sich nicht, Fördergelder hat er auch nicht beantragt. Schließlich würde ihm das womöglich zum Nachteil gereichen, da er dann Auflagen erfüllen müsste. "Da mache ich lieber mein eigenes Ding im Rahmen meines Budgets", sagt er.

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Immerhin will ihm Bürgermeister Görig nun anbieten, dass er Unterstützung vom Bauhof bekommt. "In Zeiten knapper Kassen können wir ihm zwar kein Geld bieten, aber durchaus auch mal ein Gerüst oder andere Hilfsmittel zur Verfügung stellen", sagt der Rathauschef. Weil Tilly sich noch nie bei ihm gemeldet habe um Hilfe zu fordern, wolle er nun selbst auf den Burgherren zugehen.

 

  Quelle: dapd


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