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Anerkannte Regeln der Technik: Änderungsrisiko

08.03.2018

Von RA Michael Seitz

Ändern sich allgemein anerkannte Regeln der Technik zwischen Vertragsschluss und Abnahme, so schuldet der Auftragnehmer die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme und muss daher seinen Auftraggeber über die Änderung und deren Konsequenzen für die Bauausführung informieren. Besteht der Auftraggeber auf die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik, so steht dem Auftragnehmer grundsätzlich ein Anspruch auf Mehrvergütung aus § 2 Nr. 5 und 6 VOB/B zu.

Dies hat der BGH in einem Urteil vom 14.11.2017 (Az.: VII ZR 65/14) entschieden.

Der Fall: AG und AN schließen im Jahre 2006 einen Vertrag über die Errichtung von drei Hallen für einen Festpreis von 770.000 Euro unter Einbeziehung der VOB/B. Die Gebäudebeschreibung und auch die Baugenehmigung sehen eine Schneelast von 80 kg/m² gemäß der seinerzeit geltenden DIN 1055-5 (1975) vor. 2005 wird diese DIN geändert und sieht ab dem 01.01.2007 eine Schneelast von 139 kg/m² vor. Im August 2007 errichtet AN die Hallen, anschließend biegt sich die Dachkonstruktion durch. AG fordert AN zur Mängelbeseitigung auf, AN bleibt untätig. Nach Ablauf der gesetzten Frist fordert AG von AN fast 857.000 Euro als Vorschuss für die Mängelbeseitigung. AN habe die Dachkonstruktion unter Berücksichtigung der neuen DIN so zu ertüchtigen, dass sie die neuen Schneelastvorgaben erreiche. Das OLG hält die Forderung des AG dem Grunde nach für berechtigt, der Vorschuss sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sowieso-Kosten zu kürzen.

Das Urteil: Die Revision zum BGH hat teilweise Erfolg. So ist auch der BGH der Meinung, die Hallen seien mangelhaft, denn sie entsprächen nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme. Für den Fall, dass sich zwischen Vertragsschluss und Abnahme die anerkannten Regeln der Technik ändern, müsse AN Bedenken anmelden. Dann könne AG entscheiden, ob er die Einhaltung der „neuen“ anerkannten Regeln der Technik verlangt oder hiervon absieht. Allerdings sei mit der Vergütungsvereinbarung regelmäßig nur die ursprünglich vereinbarte Herstellungsart finanziell abgegolten, daher wird ein etwaiger zusätzlicher Herstellungsaufwand, den AN bei der Herstellung nach den „neuen“ anerkannten Regeln der Technik hat, durch die Vergütungsabrede nicht erfasst. Daher habe AN gemäß § 1 Nr. 3 und 4, § 2 Nr. 5 und 6 VOB/B 2006 ein Anspruch auf Ausgleich des vermehrten Aufwandes. Um diesen Betrag der „Sowieso-Kosten“ sei dann auch ein Vorschussanspruch des AG zu kürzen. Da das OLG nicht geprüft hatte, ob AG und AN die Vereinbarung in beidseitiger Kenntnis der Vorgaben der neuen DIN geschlossen hatten, verweist der BGH die Sache zurück.

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Fazit: Die Entscheidung entspricht der schon bisher ganz herrschenden Meinung. Für die Frage, welche allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten sind, kommt es auf den Zeitpunkt der Abnahme an. Ändern sich diese Regelung zwischen Vertragsschluss und Abnahme, so ist der Bauherr hierauf hinzuweisen, damit er eine Entscheidung darüber treffen kann, ob er nach den neuen oder nach den alten Regeln bauen will. Entscheidet er sich – etwa aus Kostengründen – dafür, nach den alten Regeln zu bauen, so wird AN von seiner Haftung frei, wenn er den Bedenkenhinweis ordnungsgemäß erteilt hat. Entscheidet sich der Bauherr hingegen dafür, nach den „neuen“ Regeln zu bauen, so steht dem Unternehmer – jedenfalls im Vertrag unter Einbeziehung der VOB/B – ein Mehrvergütungsanspruch nach § 1 Abs. 3 und 4, § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B zu. Dieser – und das ist das eigentlich neue an der BGH-Entscheidung – ist dann auch beim Vorschussanspruch unter dem Gesichtspunkt der „Sowieso-Kosten“ zu berücksichtigen. Mit anderen Worten: Der Vorschussanspruch ist um denjenigen Betrag zu kürzen, um den das Bauwerk bei von Anfang an mangelfreier Bauweise „sowieso“ teurer geworden wäre.

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