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Angebote sind im verschlossenen Umschlag abzugeben!

30.12.2015

von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Baden Württemberg hat mit Beschluss vom 04.09.2014 – 1 VK 40/14 – Folgendes entschieden:

• Wird ein Angebot in einem unverschlossenen Umschlag eingereicht, ist es zwingend von der Wertung auszuschließen. Dies gilt auch dann, wenn es beim Transport durch Verschulden des Postdienstleisters so beschädigt wurde, dass es als offen zu betrachten ist, da das Versendungsrisiko der Bieter trägt.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Bauleistungen europaweit im offenen Verfahren nach VOB/A-EG ausgeschrieben. Alleiniges Zuschlagskriterium war der Preis. Im Submissionstermin lag das günstigste Angebot des Bieters A vor, das aber nicht verschlossen war. Unklar und streitig blieb, ob dieses Angebot auf dem Postweg beschädigt wurde und deshalb unverschlossen beim AG einging oder vom AG versehentlich vor Submission geöffnet wurde. Nach Auskunft des AG wurde das Angebot unmittelbar nach Eingang bis zum Submissionstermin mit anderen Angeboten in einem geschlossenen Schrank verwahrt. Bieter B, der das zweitgünstigste Angebot abgegeben hatte, ist der Ansicht, dass das Angebot des A auszuschließen war und beantragt nach Ablehnung seiner Rüge Nachprüfung.

Die VK kommt bei beiden Sachverhaltsvarianten zu dem Ergebnis, dass das Angebot des A gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 b) i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A-EG auszuschließen sei. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A seien postalisch oder direkt übermittelte Angebot in einem verschlossenen Umschlag einzureichen, als solche zu kennzeichnen und bis zum Ablauf der für die Einreichung vorgesehenen Frist unter Verschluss zu halten; Grund dafür sei, dass der AG die Datenintegrität und die Vertraulichkeit der Angebote auf geeignete Weise zu gewährleisten habe. Werde hiergegen verstoßen, werde etwa ein Angebot in einem unverschlossenen Umschlag eingereicht, sei das Angebot gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 b) VOB/A-EG von der Wertung auszuschließen. Ein unverschlossen eingehendes Angebot (Sachverhaltsvariante 1) sei unabhängig davon, ob die Öffnung erst auf dem Postweg erfolge oder bereits beim Bieter vorgelegen habe, auszuschließen, da das Versendungsrisiko – nach ständiger Rechtsprechung – beim Bieter liege. Selbst wenn man der abweichenden Auffassung des OLG Schleswig (Beschluss vom 08.01.2013 - 1 W 51/12) folgen wolle, nach der unverschlossen eingereichte Angebote entgegen § 16 Abs. 1 Nr. 1 b) VOB/A zur Wertung zugelassen werden könnten, wenn nachträgliche Manipulationen aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls ohne vernünftige Zweifel ausgeschlossen werden könnten, führe dies hier nicht zu einem anderen Ergebnis. Voraussetzung dafür wäre nämlich, dass seitens des AG Vorkehrungen getroffen worden wären, die die Datenintegrität sicherstellten; dies sei hier jedoch gerade nicht der Fall. Werde ein Angebot unverschlossen eingereicht, müsse zumindest sichergestellt werden, dass das unverschlossen eingereichte Angebot unverzüglich wieder verschlossen werde, um es entsprechend § 14 Abs. 1 und 2 VOB/A-EG dem Verhandlungsleiter verschlossen vorzulegen. Der Ausschluss eines Angebots sei bereits dann geboten, wenn die abstrakte Gefahr einer unbemerkten Einsichtnahme ermöglicht werde oder zumindest nicht ausgeschlossen werden könne. Im vorliegenden Fall habe es sich lediglich um einen geschlossenen Schrank gehandelt, nicht um einen verschlossenen Schrank, zu dem grundsätzlich nur eine bestimmte mit der Vergabe nicht befasste Person Zugriff habe.

Wenn jedoch ein verschlossen eingereichtes Angebot versehentlich vom AG geöffnet worden sei (Sachverhaltsvariante 2), führe dies nicht zwingend zum Angebotsausschluss. Denn wenn der Auftraggeber seine eigene Verpflichtung aus § 13 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A-EG verletze, sei es unbillig, dieses Fehlerhalten zu Lasten des betroffenen Bieters zu sanktionieren und dessen Angebot auszuschließen. Der pauschale Verweis in § 16 Abs. 1 Nr. 1 b) VOB/A sei daher zu weitgehend und nicht sachgerecht. In diesen Fällen sei dann davon auszugehen, dass ein so geöffnetes Angebot in der Wertung verbleiben könne, wenn es sofort wieder verschlossen werde und die Einzelheiten hierzu dokumentiert würden; dann seien die Datenintegrität gewahrt und Manipulationsmöglichkeiten ausgeschlossen. Dies sei jedoch hier eben gerade nicht geschehen, weshalb auch in diesem Falle das Angebot auszuschließen sei.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
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D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Die Entscheidung zeigt exemplarisch, dass aus Gründen der Manipulationsvermeidung das Vergabeverfahren sehr formstreng ausgestaltet ist. Im Falle, dass der AG in den Vergabeunterlagen (z.B. in der Angebotsaufforderung) vorgeschrieben hat, dass das Angebot in einem verschlossenen Umschlag abzugeben ist, ist bei einem Verstoß hiergegen regelmäßig davon auszugehen, dass das Angebot ausgeschlossen werden muss.

 

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