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Angebotsänderung wegen Ausschreibungsfehler nach Submission?

25.10.2013

Das OLG Dresden hat mit Beschluss vom 23.07.2013 – Verg 2/13 – Folgendes entschieden:

• Die VOB/A sieht die Möglichkeit einer Änderung des Ausschreibungsinhaltes nicht und schon gar nicht nach Submission vor. Sie eröffnet lediglich den Weg einer Aufhebung der Ausschreibung. Anerkannt ist jedoch, dass eine Aufhebung der Ausschreibung auch dann in Betracht zu ziehen ist, wenn keiner der normierten Aufhebungsgründe gegeben ist.

• Stellt die Vergabestelle nach Offenlegung des Wertungsergebnisses in der Submission fest, dass die Angebote aus Gründen, die auf den Text der Ausschreibung beruhen, einen unterschiedlichen Inhalt haben, kann sie im Einzelfall berechtigt sein, den Bietern die Möglichkeit zu geben, nach Klarstellung des Ausschreibungsinhalts geänderte Angebote zu den geänderten Positionen zu unterbreiten.

• Der in der VOB/A nicht vorgesehene Weg einer partiellen Änderung der Ausschreibungsvorgaben nach Submission – als eine im Verhältnis zu einer Aufhebung der Ausschreibung milderes Mittel – darf nicht in der Weise vollzogen werden, dass lediglich eine Neubepreisung der von den Änderungen unmittelbar betroffenen Positionen ermöglicht wird. Das gilt jedenfalls dann, wenn die von der Änderung betroffenen Positionen die Preisstruktur der Angebote insgesamt mitbestimmt haben können. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Anteil dieser Positionen ca. 15 % der Angebotssumme beträgt.

Ein öffentlicher Auftraggeber hatte einen Bauauftrag europaweit im Offenen Verfahren ausgeschrieben; Zuschlagskriterium sollte der niedrigste Preis sein. Nach Durchführung des Submissionstermins stellte der AG fest, dass das LV fehlerhafte Angaben enthielt. Nach Korrektur dieser Fehler schrieb er sämtliche Bieter an und teilte mit, dass sich 24 Positionen im LV verändert hätten. Auf dieser Grundlage forderte er sämtliche Bieter auf, ihr Angebot auf diese Änderungen beschränkt anzupassen. Die restlichen 530 Positionen sollten aus dem Hauptangebot übernommen werden.

Bieter A, der nach der ersten Submission Erstbieter war, fiel nach der zweiten Submission auf den zweiten Platz zurück. Er stellte darauf Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer, die den Antrag zurückwies. Dagegen wandte er sich mit der sofortigen Beschwerde zum OLG.

Nach Ansicht des OLG hat die sofortige Beschwerde teilweise Erfolg. Dem AG wird seitens des OLG verboten, den Zuschlag auf Basis der teilweise geänderten und nur diesbezüglich neu bepreisten Angebote zu erteilen. Indem der AG nach teilweiser Änderung des zum Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen gemachten LV den Bietern nur Gelegenheit gegeben habe, nach Submission ihre Ursprungsangebote lediglich in Bezug auf 24 Positionen zu überarbeiten, habe er nicht nur gegen das in § 7 VOB/A enthaltene Gebot, den Bietern eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen, verstoßen, sondern überdies den A in seinem in § 97 GWB verankerten Recht auf Durchführung eines transparenten und dem Gleichbehandlungsgebot genügenden Vergabeverfahrens verletzt. Die VOB/A sehe die Möglichkeit einer Änderung des Ausschreibungsinhaltes nicht und schon gar nach Submission vor. In § 17 VOB/A eröffne sie lediglich den Weg einer Aufhebung der Ausschreibung. Dabei sei anerkannt, dass eine solche Aufhebung auch dann in Betracht zu ziehen sei, wenn keiner der – in § 17 VOB/A – normierten Aufhebungsgründe gegeben sei. So verhalte es sich hier. Da es Unklarheiten in den Vorgaben des vom AG herrührenden LV gewesen seien, die einer Auftragserteilung auf dessen Grundlage entgegengestanden hätten, könne der AG insbesondere nicht einen schwerwiegenden Aufhebungsgrund im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A für sich in Anspruch nehmen. Das hätte einer Aufhebung der Ausschreibung mit ihrem ursprünglichen Inhalt indes nicht entgegengestanden, allerdings Schadensersatzverpflichtungen des AG ausgelöst. Bereits vor diesem Hintergrund falle es schwer, den vom AG beschrittenen, in der VOB/A aber so nicht vorgesehenen Weg einer partiellen Änderung der Ausschreibungsvorgaben nach Submission als ein im Verhältnis zur Aufhebung milderes Mittel anzusehen. Hinzu komme, dass die Änderung jedenfalls nicht in der Weise vollzogen werden dürfe, dass eine Neubepreisung lediglich der von den Änderungen unmittelbar betroffenen Positionen ermöglicht werde. Dies möge noch statthaft sein, wo das Volumen der von den Änderungen erfassten Positionen so gering sei, dass das Preisgefüge der Angebote nicht nachhaltig hiervon berührt werde. Eine einwandfreie Preisermittlung, wie sie den Bietern nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A zu ermöglichen sei, sei aber dann nicht mehr gewährleistet, wenn die von der Änderung betroffenen Positionen die Preisstruktur der Angebote insgesamt mitbestimmt haben könnten und dies eben nicht nur bei diesen Positionen. Im vorliegenden Falle belaufe sich der Anteil dieser Positionen auf nicht weniger als 15 % der Angebotssumme. Dann könne aus Gründen des Wettbewerbs allenfalls eine Neubepreisung aller Positionen des geänderten LV die von § 97 Abs. 2 GWB gewollte Gleichbehandlung der Bieter sicherstellen.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
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Anmerkung:
Die äußerst ungewöhnliche Vorgehensweise des AG, nämlich die Bieter aufzufordern, nur bestimmte LV-Positionen neu zu bepreisen, ist offensichtlich damit motiviert, den aus seiner Sicht günstigsten Gesamtpreis unter allen Umständen „retten zu wollen“. Eine völlige Neubepreisung der Angebote wäre demnach der richtige Weg gewesen. Dabei muss – wie das OLG feststellt – auch nicht ein Aufhebungsgrund des § 17 VOB/A vorliegen. Eine Aufhebung wäre hier jedenfalls der sichere und auch rechtlich einwandfreie Weg gewesen, wenn er auch für die betroffenen Bieter einen Anspruch auf Schadensersatz zur Folge gehabt hätte.

  Quelle: RA Michael Werner


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