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Angebotsausschluss nicht zwingend bei Insolvenz des Bieters!

21.10.2014

Die Vergabekammer (VK) Brandenburg hat mit Beschluss vom 19.12.2013 — VK 23/13 — u.a. Folgendes entschieden:

• Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Bieters steht dessen Ausschluss vom Wettbewerb im Ermessen des Auftraggebers. Der öffentliche Auftraggeber hat dabei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob das von der Insolvenz betroffene Unternehmen genügend Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzt.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Bauleistungen im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Für die Ausführung des Auftrags war ein Zeitraum von ca. fünf Jahren vorgesehen. Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis. Bieter A, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war, gab das Angebot mit dem niedrigsten Preis ab. Der AG stellte daher zur Aufklärung des Sachverhalts eine Vielzahl von Fragen an A, die dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit betrafen. A bestätigte u.a., dass ihm der im Angebot angegebene Personalbestand aktuell zur Verfügung stehe, er einen Businessplan erstellt habe und über einen Bankkredit verhandele, der die für die Durchführung der erwarteten Aufträge erforderliche Liquidität sicherstelle. A gab Referenzen über zwei große Aufträge an, legte allerdings keinen Insolvenzplan vor. Der AG teilte letztlich dem A mit, sein Angebot wegen fehlender Leistungsfähigkeit auszuschließen; der Ausgang des Insolvenzverfahrens sei ungewiss, sodass die vollständige Vertragserfüllung nicht gewährleistet sei. Dagegen wehrte sich A mit Antrag auf Nachprüfung.

Nach Ansicht der VK kann der AG hier das Angebot gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2a VOB/A-EG vom Vergabeverfahren ausschließen. Das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Bieters und dessen Ausschluss vom Wettbewerb liege im Ermessen des Auftraggebers, denn nach dieser Vorschrift „kann" ein Angebot ausgeschlossen werden, wenn ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Der Auftraggeber habe dabei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob das insolvente Unternehmen für eine fachgerechte und reibungslose Abwicklung des Auftrags geeignet, also fachkundig, leistungsfähig und zuverlässig sei. Die Prüfung der Eignung sei ein wertender Vorgang, in den zahlreiche Einzelumstände einflössen. Bei der Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale habe der AG einen Beurteilungsspielraum, in dem eine prognostische, in die Zukunft gerichtete Entscheidung zu treffen sei. Die Ausschlussentscheidung selbst unterliege darüber hinaus dem pflichtgemäßen Ermessen des AG, das fehlerfrei auszuüben sei. Demzufolge bestehe nur eine eingeschränkte Kontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen. Hier habe der AG diese Einzelfallprüfung beurteilungs- und ermessensfehlerfrei vorgenommen. Er habe seiner Ausschlussentscheidung keinen unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt, sondern sich um eine möglichst lückenlose Aufklärung der Umstände der Insolvenz des A bemüht. Dabei obliege es dem Bieter, dem AG alle notwendigen Informationen - aktuell und aussagekräftig - zukommen zu lassen, insbesondere, wenn dieser zu erkennen gebe, dass er die Leistungsfähigkeit des Bieters ernsthaft in Zweifel ziehe. Der AG habe hier auf Basis des ermittelten Sachverhaltes einen umfangreichen Abwägungsprozess vorgenommen und die tragenden Erwägungen seiner Ausschlussentscheidung in der Vergabeakte ordnungsgemäß und nachvollziehbar dokumentiert. Die Entscheidung des AG wegen der verbleibenden Risiken hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung durch den A bewegten sich auch im Rahmen des dem AG zustehenden Ermessensspielraums.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
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Anmerkung:
Das Insolvenzrecht hat das Ziel - anders als die ihm vorausgegangene Konkursordnung - ein insolventes Unternehmen im Regelfall fortführen zu können. Vor diesem Hintergrund dürfen Angebote von insolventen Unternehmen nicht automatisch vom Wettbewerb ausgeschlossen werden. Zwar steht dem Auftraggeber hier ein relativ weites Ermessen hinsichtlich seiner Ausschlussentscheidung zu, jedoch muss er dieses Ermessen tatsächlich ausüben und die wesentlichen Erwägungen und Entscheidungen des Ausschlusses in der Vergabeakte genau und nachvollziehbar dokumentieren.

  Quelle: RA Michael Werner


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