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Angebotsausschluss nur bei Verstoß gegen eindeutige Vorgaben

27.07.2012

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 3. April 2012 – X ZR 130/10 – u. a. folgendes entschieden:

Zu der Ausschlusssanktion für Angebote, welche geforderte Erklärungen
nicht enthalten, korrespondiert die Verpflichtung der Auftraggeber, die Vergabe-
unterlagen so eindeutig zu formulieren, dass die Bieter diesen Unterlagen deutlich
und sicher entnehmen können, welche Erklärungen von ihnen wann abzugeben sind.
Genügen die Vergabeunterlagen dem nicht, darf der AG ein Angebot nicht
ohne Weiteres wegen Fehlens einer entsprechenden Erklärung
aus der Wertung nehmen.


Ein öffentlicher Auftraggeber hatte in seinen Vergabeunterlagen u. a. das Formblatt 211 des Vergabehandbuchs des Bundes (VHB 2008) verwandt. Unter der Überschrift „Vorlage von Nachweisen/Angaben durch den Bieter und gegebenenfalls Nachunternehmer“ hieß es in Ziffer 3.2: „Zum Nachweis der Eignung sind vorzulegen: Mit dem Angebot Unterlagen nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 a bis f VOB/A“. Auf den Formblättern 233 (Verzeichnis der Nachunternehmerleistung, auf die mein/unser Betrieb eingerichtet ist) und 234 (Verzeichnis der Nachunternehmerleistungen, auf die mein/unser Betrieb nicht eingerichtet ist) war seitens des AG nicht angekreuzt, dass Nachunternehmer (NU) bereits bei Angebotsabnahme benannt werden mussten. Ein Bieter benannte mit seinem Angebot von ihm vorgesehene NU, reichte die Eignungsnachweise für diese NU aber erst nach Ablauf der Angebotsfrist ein. Darauf wurde er vom AG ausgeschlossen, wogegen sich der Bieter wehrte.

Der BGH hält hier den Angebotsausschluss für unzulässig. Zwar seien nach der Rechtsprechung Angebote, die unvollständig seien, weil sie geforderte Erklärungen nicht enthielten, regelmäßig von der Wertung auszuschließen. Es entspreche jedoch ebenfalls der Rechtsprechung, dass aus den Vergabeunterlagen für die Bieter eindeutig und unmissverständlich hervorgehen müsse, welche Erklärungen von ihnen verlangt würden. Den Auftraggeber treffe die Verpflichtung, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren, um Widersprüchlichkeiten zu vermeiden. Ob die vorformulierten Vergabeunterlagen diesen Anforderungen genügten, unterliege der uneingeschränkten Überprüfung durch das Gericht; denn vorformulierte Angebotsunterlagen wie die im Formblatt 211 enthaltenen, seien Allgemeinen Geschäftsbedingungen vergleichbar, die vom Gericht überprüfbar seien. Werde in den Vergabeunterlagen nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass eine bestimmte Erklärung vom Bieter schon bis zum Ablauf der Angebotsfrist beizubringen sei, dürfe die Vergabestelle ein Angebot, in dem diese Erklärung fehle, nicht ohne Weiteres ausschließen. Vergabeunterlagen seien bereits bei mehrdeutigen Formulierungen missverständlich. So, wie der Erklärungsgehalt der Formblätter 233 und 234 sich aus der Sicht der Bieter darstelle, wären diese schon nicht aufgefordert, bei Angebotsabgabe anzugeben, ob sie überhaupt Nachunternehmer einzusetzen beabsichtigten. Wenn die Nachunternehmer schon nicht namentlich benannt werden mussten, läge es auch fern, Formblatt 211 so zu verstehen, dass gleichwohl die betreffenden Eignungsnachweise bereits mit dem Angebot einzureichen waren. Dies konnte vielmehr die Bieter nur in der Annahme bestärken, dass die Eignungsnachweise erst auf nachträgliche Anforderung einzureichen waren. Dass dann hier tatsächlich Nachunternehmer vom Bieter benannt wurden, sei demgegenüber unerheblich.

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Anmerkung:
Zu betonen ist, dass sich die o. g. Entscheidung des BGH noch auf die alte Fassung der VOB/A 2006 bezieht, wonach Angebote bei Unvollständigkeit ausnahmslos auszuschließen waren. Demgegenüber sieht die VOB/A 2009 in § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A die Möglichkeit vor, Erklärungen und Nachweise nachzureichen. Unabhängig davon stellt der BGH aber fest, dass Verstöße gegen zweifelhafte, missverständliche oder gar widersprüchliche Formulierungen der Vergabeunterlagen nie zu einem Angebotsausschluss führen können.

  Quelle: RA Michael Werner


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