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Angebotsausschluss trotz besserer Leistung?

22.11.2013

Die Vergabekammer (VK) Hessen hat mit Beschluss vom 05.02.2013 – 69d-VK-54/2 -, das inhaltlich vom OLG Frankfurt mit Beschluss vom 11.06.2013 – 11 Verg 3/13 – bestätigt wurde, Folgendes entschieden:

• Ob eine unzulässige Änderung an den Vergabeunterlagen vorliegt, weil der Bieter nicht das anbietet, was der öffentliche Auftraggeber nachgefragt hat, ist anhand einer Auslegung der Leistungsbeschreibung einerseits und des Angebotes andererseits aus objektiver Sicht eines branchenkundigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Empfängers festzustellen.

• Auch wenn der Bieter der Meinung sein sollte, dass die von ihm angebotene Leistung die technisch bessere sei, berechtigt dies nicht dazu, die Vergabeunterlagen abzuändern.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Abdichtungsarbeiten bei einem Hallenbad im Offenen Verfahren nach VOB/A europaweit ausgeschrieben. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Die Bieter waren aufgefordert, diese Arbeiten auf Basis eines thermoplastischen Abdichtungssystems basierend auf Kunststoffdachbahnen anzubieten; Nebenangebote waren nicht zugelassen. Bieter A reichte darauf ein Angebot ein, das ein Dachbahnenabdichtungssystem basierend auf Polymerbitumen vorsah. Nach Angebotsprüfung erteilte der AG den Zuschlag auf das Angebot des Bieters B, ohne Bieter A hierüber vorab gemäß § 101a Abs. 1 GWB zu informieren. Nachdem A vom Verfahrensstand Kenntnis erlangt hatte, rügte er die Zuschlagserteilung und vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem von ihm angebotenen System um ein gleichwertiges Produkt und somit ein „multiples Hauptangebot“ handele. Er forderte die Feststellung der Unwirksamkeit des geschlossenen Vertrags.

Die VK – und auch später das OLG Frankfurt – erachten den Nachprüfungsantrag als unbegründet. Die Unwirksamkeit des zwischen dem AG und Bieter B geschlossenen Vertrags könne nicht gemäß § 101b Abs. 1 Nr. 1 iVm § 101a GWB festgestellt werden, weil der eigentliche Nachprüfungsantrag zwar zulässig, aber nicht begründet sei. Zwar habe der AG unstreitig gegen seine Informationspflicht nach § 101a GWB verstoßen, da der Nachprüfungsantrag jedoch unbegründet sei, sei es nicht erforderlich, die Wirksamkeit des geschlossenen Vertrages festzustellen. Denn der AG habe den A zurecht vom Vergabeverfahren gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 b iVm § 13 Abs. 1 Nr. 5 EG-VOB/A ausgeschlossen. Ob eine unzulässige Änderung an den Vergabeunterlagen vorliege, weil der Bieter nicht das anbiete, was der AG nachgefragt habe, sei zunächst anhand einer Auslegung der Leistungsbeschreibung einerseits und des Angebots andererseits aus objektiver Sicht eines branchenkundigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Empfängers festzustellen (§§ 133, 157 BGB). Dadurch, dass hier A etwas Anderes angeboten habe, entspreche sein Angebot nicht dem, was der AG ausgeschrieben habe. Sinn und Zweck des § 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 als auch des Satzes 2 EG-VOB/A sei zunächst einmal vor einem allgemeinen vertragsrechtlichen Hintergrund zu sehen. Das Zustandekommen eines ausgeschriebenen Vertrages setze zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus, so dass der Vertrag letztlich nur durch ein „Ja“ des AG zustande komme. Dies bedeute, dass das Angebot genau das enthalten müsse, was auf Seiten des AG in dessen „Invitatio ad offerendum“ (Aufforderung zur Angebotsabgabe) nachgefragt sei.

Gleichermaßen betreffe die Regelung des § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A auch die Transparenz des Vergabeverfahrens und die Gleichbehandlung der Bieter. Dadurch, dass jeder Bieter nur das anbieten dürfe, was der AG auch tatsächlich nachgefragt habe, solle sich keiner einen Wettbewerbsvorteil dadurch verschaffen, dass er von den Angebotsvorgaben abweiche. Sonst wäre nicht mehr gewährleistet, dass nur solche Angebote gewertet würden, die auch in jeder Hinsicht den Vergabeunterlagen entsprächen und damit auch vergleichbar seien. Dem AG wäre es anderenfalls nicht mehr möglich, unter sämtlichen Angeboten dasjenige zu ermitteln, das im Vergleich zu den anderen das wirtschaftlichste im Sinne des § 16 Abs. 6 VOB/A sei. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe habe hier A eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen vorgenommen. Mit seinem Angebot habe er ein „Aliud“, also etwas Anderes angeboten, denn Kunststoff und Bitumen seien unterschiedliche Stoffe.

Auch wenn der A die Meinung vertrete, dass das von ihm angebotene Abdichtungssystem das bessere sei, so berechtige es diesen nicht, die Vergabeunterlagen in seinem Sinne abzuändern.

Das Angebot des A könne auch nicht in ein Nebenangebot umgedeutet werden, da ein solches nach der Bekanntmachung nicht zugelassen gewesen sei.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
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E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
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Anmerkung:
Grundsätzlich gilt, dass ein Bieter keine Änderungen, Streichungen oder sonstige Ergänzungen vornehmen sollte, wenn dies nicht ausdrücklich vom AG gestattet ist. Auch die öffentlichen Auftraggeber sollten daran erinnert werden, dass es grundsätzlich unzulässig ist, Bietern die Möglichkeit einzuräumen, ihr Angebot nachträglich abzuändern. Problemtatisch ist dies deshalb, weil sonst die Gefahr besteht, dass durch eine Ungleichbehandlung der Bieter das Gleichheitsgebot verletzt wird.

  Quelle: RA Michael Werner


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