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Angebotsausschluss wegen Angabe von Brutto- statt Nettopreisen?

08.03.2013

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 12. Dezember 2012 – Verg 38/12 – u. a. folgendes entschieden:

Sind in der Ausschreibung Nettopreise gefordert und werden im Angebot versehentlich Bruttopreise angegeben, so rechtfertigt dies keinen Ausschluss des Angebots, sofern die Preise einfach umgerechnet werden können.


Die fälschliche Angabe von Bruttopreisen ist auch nicht als Änderung an den Vertragsunterlagen zu sehen und rechtfertigt damit auch keinen Angebotsausschluss.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Klärschlammtransporte in zwei Losen für die Dauer von je zwei Jahren EU-weit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis. Ausweislich der Vergabeunterlagen sollten die Angebotspreise netto, d. h. zunächst ohne Umsatzsteuer, angegeben werden. Bieter A missachtete diese Vorgaben in den Vergabeunterlagen und bot durchgängig Bruttopreise an. In der Zusammenstellung der Leistungsbeschreibung unter „Gesamtbetrag“ hatte A denselben Betrag angegeben wie in den Zeile „Gesamtbetrag brutto“. Die Zwischenzeile „Umsatzsteuer … % …“ war freigelassen worden. Nach Submission korrigierte der AG die Angebotspreise des A insoweit, als sie mit Umsatzsteuer bezuschlagt wurden. In der Folge war das Angebot des A nicht mehr das Wirtschaftlichste und wurde ausgeschlossen. Dagegen wehrte sich A mit einer Rüge, der ein handschriftlich überarbeitetes Angebot mit zugefügten Nettopreisen beilag. Dieser Rüge wurde nicht abgeholfen. Die erstinstanzliche Vergabekammer hatte den Nachprüfungsantrag des A zurückgewiesen, da das Angebot zwingend gemäß § 19 Abs. 3a EG VOL/A auszuschließen sei. Dagegen wandte sich A mit sofortiger Beschwerde zum OLG.

Das OLG sieht die sofortige Beschwerde des A als begründet an. Der AG hätte das Angebot hier dahingehend auslegen müssen, dass es sich bei den angebotenen Preisen um Bruttopreise handelte. Die Auslegung von Angeboten gehe deren Ausschluss auf jeden Fall vor.
Nach ständiger Rechtsprechung sei der AG bei Angebotsprüfung nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, den wahren Willen des Bieters durch Auslegung zu ermitteln. Lasse sich der wahre, übereinstimmende Wille der Beteiligten nicht feststellen, sei Maßstab der Auslegung, wie ein mit den Umständen des Einzelfalls vertrauter Dritter in der Lage des AG das Angebot nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste oder durfte. Danach habe hier der A die Vorgaben in den Vergabeunterlagen zwar missachtet und anstelle der zunächst geforderten Nettopreise durchgängig Bruttopreise angegeben. Gleichwohl rechtfertige diese Preisangabe keinen Angebotsausschluss, denn es handle sich nicht um einen Fall fehlender Preisangaben.

Die Bruttopreise ließen sich durch eine einfache, dem AG auch zumutbare Rechenoperation in Nettopreise umrechnen. Zudem habe der A in seinem Rügeschreiben ein Leistungsverzeichnis mit handschriftlichem Zusatz von Nettopreisen beigefügt, das als Auslegungs- und Umrechnungshilfe herangezogen werden könne. Ebenso wenig liege hier eine Änderung an den Vertragsunterlagen gemäß i.S.d. § 16 Abs. 4 Satz 1 EG VOL/A vor. Durch die Angabe von Bruttopreisen anstelle der geforderten Nettopreise habe der A keine Änderung an Vertragsunterlagen vorgenommen. Die fehlerhafte Preisangabe könne zweifelsfrei auf den zahlenmäßig richtigen Preis korrigiert werden, der an anderen Stellen mehrfach korrekt ange-geben worden sei.

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Anmerkung:
Richtig ist hier, dass das OLG noch einmal nachdrücklich darauf hinweist, dass die Angebotsauslegung einem Angebotsausschluss in jedem Fall vorgeht. Angesichts des scharfen Schwerts eines Ausschlusses
und der damit für Bieter verbundenen erheblichen Nachteile müssen Vergabestellen zu Recht zur Angebotsaufklärung verpflichtet werden. Anhaltspunkte bieten hier z. B. § 18 EG VOL/A und noch eindeutiger § 15 Abs. 1 Nr. 1 EG VOB/A.

 

  Quelle: RA Michael Werner


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