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Angebotsausschluss wegen erst nachträglich gestellter Mindestanforderungen?

09.12.2014

Das OLG Karlsruhe hat mit Beschluss vom 07.05.2014 – 15 Verg 4/13 – Folgendes entschieden:

• Die Festlegung, welche Leistungsnachweise gefordert werden, muss bereits in der Bekanntmachung benannt werden. Die Anforderungen des Auftraggebers müssen dabei eindeutig und erschöpfend formuliert sein, damit die Bieter anhand des Bekanntmachungstextes unzweideutig erkennen können, welchen Anforderungen die Eignung unterliegt; ein Verweis auf die Vergabeunterlagen genügt nicht.

• Hat der Auftraggeber nachträglich Mindestanforderungen zur technischen Leistungsfähigkeit gestellt, kann der Ausschluss eines Bieters nicht darauf gestützt werden, er besitze nicht die notwendige technische Eignung.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte die Vergabe von Straßenbauarbeiten im Offenen Verfahren nach VOB/A-EG europaweit ausgeschrieben. In der Bekanntmachung war insbesondere zur technischen Leistungsfähigkeit Folgendes enthalten:

„Die Vergabestelle behält sich vor, zum Nachweis der Eignung zusätzliche Angaben anzufordern, § 6 Abs. 3 Nr. 3 VOB/A. Nähere Angaben hierzu siehe Vergabeunterlagen“.

Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Bieter A hatte das günstigste Angebot abgegeben. Der AG informierte darauf, den Zuschlag dem Bieter B zu erteilen, da das Angebot des A wegen fehlender technischer Eignung nicht zu berücksichtigen sei. Dagegen wehrte sich A mit Nachprüfungsantrag und sofortiger Beschwerde zum OLG. Da der Zuschlag bereits erteilt wurde, stellt er Feststellungsantrag, dass der Zuschlag rechtswidrig erging.

Das OLG gibt hier Bieter A recht. A habe hier wegen fehlender technischer Eignung gemäß § 16 EG Abs. 2 Nr. 1 VOB/A nicht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden dürfen. Gemäß § 16 EG Abs. 2 Nr. 1 VOB/A seien bei der Auswahl der Angebote, die für den Zuschlag in Betracht kämen, nur diejenigen Bieter zu berücksichtigen, die die für die Erfüllung der ausgeschriebenen Leistungen erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit (Eignung) besäßen und über ausreichende technische und wirtschaftliche Mittel verfügten. Bei der Beurteilung, ob die technische Leistungsfähigkeit für die Erbringung der ausgeschriebenen Leistung in ausreichendem Maße vorhanden sei, habe der AG unter umfassender Prüfung und Abwägung aller Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Prognose zu entscheiden. Dabei stehe dem AG ein Beurteilungsspielraum zu, den die Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfen könnten. Dieser Beurteilungsspielraum sei überschritten, wenn der AG im Rahmen der materiellen Eignungsprüfung von einer falschen Tatsachengrundlage ausgehe bzw. seine eigenen Vorgaben für die Eignungsprüfung missachte. Dies sei hier der Fall.

Wie sich aus § 12 EG Abs. 2 Nr. 2 VOB/A ergebe, müsse die Festlegung, welche Leistungsnachweise gefordert würden, bereits in der Bekanntmachung benannt werden und hierbei (die in der EU-Durchführungsverordnung Nr. 842/20122 der Kommission vom 19.08.2011 eingeführten) Standardformulare verwendet werden: die dort abgefragten Angaben seien vollständig zu leisten. Die Anforderung des AG an die Eignungsnachweise müßten dabei eindeutig und erschöpfend formuliert sein. Denn die Bieter müßten anhand des Bekanntmachungstextes unzweideutig erkennen, welchen Anforderungen die Eignung unterliege; ein Verweis auf die Verdingungsunterlagen genüge nicht. In der Formulierung der Bekanntmachung und im Verweis auf die Vergabeunterlagen seien diese Mindestanforderungen nicht enthalten. Allein der Verweis auf § 6 EG Abs. 3 Nr. 3 VOB/A ändere daran nichts. Zum einen könne ein Bieter aus diesem pauschalen Verweis nähere Einzelheiten zum Leistungsgegenstand nicht entnehmen. Im Übrigen meine § 6 EG Abs. 3 Nr. 3 VOB/A andere als die bereits in § 6 EG Abs. 3 Nr. 2 a – i VOB/A aufgeführten Eignungskriterien. Dies ergebe sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift („andere“) und deren Stellung im Text. Nähere Einzelheiten zur technischen Leistungsfähigkeit hätten sich hier erst – verspätet – aus den Vergabeunterlagen ergeben. Hinzu komme, dass der AG im Zuge der Angebotsprüfung seine Anforderungen dadurch verschärft habe, dass er Referenzen (vergleichbare Leistungen) für schwierigste Straßen- und Tiefbauarbeiten gefordert habe. Vergleichbare Leistungen seien schon dem Wortlaut nach nicht gleiche Leistungen. In diese Richtung zielten aber die vom AG immer weiter verschärften Anforderungen für die zu benennenden Referenzprojekte.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
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Anmerkung:
Die Entscheidung macht deutlich, dass der AG die Leistungsnachweise für die Eignungsprüfung bereits in der Bekanntmachung eindeutig und erschöpfend benennen und formulieren muss. Der bloße Verweis auf die Vergabeunterlagen ist dabei unzureichend. Der AG kann auch in der Bekanntmachung definierte Mindestanforderungen nicht noch nachträglich verschärfen; vielmehr muss er sich an den in der Bekanntmachung formulieren Anforderungen festhalten lassen. Die Entscheidung unterstreicht einmal mehr, wie wichtig eine sorgfältige Bekanntmachung des AG ist.

  Quelle: RA Michael Werner


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