zurück

Ansprüche des Unternehmers nach freier Kündigung

09.12.2021

von RA Michael Seitz

Bei einer freien Kündigung des Bestellers kann der Unternehmer die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen und unterlassenen anderweitigen Erwerbs verlangen. Diese ist nicht mit dem Gewinn aus dem Vertrag gleichzusetzen. Die tatsächliche Ersparnis kann der Unternehmer auf Basis seiner Nachunternehmerrechnungen abrechnen, wobei er hypothetische Beauftragungen in Ansatz bringen kann.

Dies hat das OLG Hamburg mit Urteil vom 26.04.2019 (Az.: 11 U 46/11) entschieden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH mit Beschluss vom 05.05.2021 (Az.: VII ZR 107/19) zurückgewiesen.

Der Fall:
AG, eine Werft, vergibt Ausbauleistungen in Kreuzfahrtschiffen an einen Auftragnehmer (AN). Der Vertrag bezog sich zunächst auf ein Kreuzfahrtschiff, zwei weitere Schiffe sollten aber danach ebenfalls zum gleichen Preis ausgebaut werden. Für den Fall, dass die Bauabwicklung am ersten Schiff nicht termingerecht und mangelfrei erfolgt, war ein Sonderkündigungsrecht des AG vorgesehen. Nachdem das erste Schiff verspätet fertiggestellt wurde, verhandeln die Parteien über eine Vertragsanpassung, können sich jedoch nicht einigen. Daraufhin kündigt AG. AN meint hingegen, der Vertrag über die anderen beiden Schiffe sei zustande gekommen, AG habe daher "frei" gekündigt, weshalb er - AN - nach § 648 BGB abrechnen dürfe.

Das Urteil:
Das OLG Hamburg folgt der Rechtsauffassung des AN! Der Vertrag beinhalte den Ausbau von drei Schiffen. Da AG mit AN über die Abwicklung des Vertrages für die weiteren beiden Schiffe verhandelt und den weiteren Ausbau auch abgerufen habe, sei in seiner späteren Beendigung der Zusammenarbeit keine Sonderkündigung i. S. d. Vertrages zu sehen gewesen. Daher geht das Gericht von einer freien Kündigung des AG aus, weshalb die Berechnung der Vergütung anhand von § 649 S. 2 BGB a. F. (§ 648 BGB neu) zu erfolgen habe. Die Berechnung der ersparten Kosten sei anhand der Ausbaukosten für Personal, Material und Nachunternehmerleistungen des ersten Schiffes vorzunehmen. Da ein Ausbau zum gleichen Preis vereinbart sei, könnten diese Kosten auch für die weiteren beiden Schiffe zugrunde gelegt werden, obwohl AN hier noch keine Nachunternehmer beauftragt hatte. Nach Auffassung des AG, AN habe unterkalkuliert und daher keinen Anspruch auf "entgangenen Gewinn", folgt das OLG hingegen nicht.

Michael Seitz_1.jpg


RA Michael Seitz

Fazit:
Kündigt ein Auftraggeber frei, d. h. ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes, so wird landläufig oft gesagt hat, der Werkunternehmer habe Anspruch auf "entgangenen Gewinn". Dies ist mindestens unpräzise. Vielmehr hat der Unternehmer nach § 648 S. 2 BGB den Anspruch auf die (volle) vereinbarte Vergütung nach Abzug desjenigen, was er an Aufwendungen erspart hat oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt bzw. zu erwerben unterlässt. Daraus folgt, dass der Anspruch des Unternehmers unter Umständen weit höher ist als bloß der entgangene Gewinn. So muss AG etwa auch bereits im Vertrauen auf den Vertrag bestellte und gelieferte Materialien bezahlen, möglicherweise Zug-um-Zug gegen Herausgabe. Gleiches gilt für Personalkosten, sofern AN darlegen kann, dass er seine Mitarbeiter nicht anderweitig beschäftigen konnte. Den Nachweis hierfür muss allerdings AN führen. Ebensowenig entfällt - wie AG im vorliegenden Fall offenbar meinte - folgerichtig der "entgangene Gewinn" deshalb, weil AN gar keinen Gewinn kalkuliert hatte. Vielmehr ist trotzdem die Differenz zwischen den ersparten Aufwendungen und dem anderweitigen Erwerb einerseits und der vertraglich vereinbarten Vergütung andererseits zu erstatten, wenn sich ein positiver Saldo ergibt.

  Quelle: RA Michael Seitz, www.bau-innung.de


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare