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Arbeitsrechtliche Unterschiede zwischen der Schweiz und Deutschland l Teil 2

05.07.2017

Das Schweizerische und das deutsche Arbeitsrecht unterscheiden sich in ihren Kündigungsmodalitäten. So werden etwa Kündigungsfristen und Gerichtsverfahren bei Kündigungen in den beiden Ländern verschieden gehandhabt.

Kündigungsgründe in der Schweiz
In der Schweiz gilt die Kündigungsfreiheit. Grundsätzlich können sowohl Arbeitnehmer und Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der Kündigungsfristen und -termine ohne Grund auflösen.

Zum Schutz der Arbeitnehmer gibt es jedoch folgende Ausnahmen:
1. Fristlose Kündigung:
Für eine fristlose Kündigung setzt das Schweizer Arbeitsrecht wichtige Gründe voraus (Artikel 337 OR). Diese liegen in der Praxis nur selten vor, wie etwa Verbrechen oder Vergehen gegen den Arbeitgeber. Liegen keine wichtigen Gründe vor, so ist die fristlose Kündigung zu Unrecht erfolgt, aber nicht ungültig. In diesem Fall erhält der zu Unrecht fristlos gekündigte Arbeitnehmer Ersatz dessen, was er verdient hätte, wenn das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist gekündigt worden wäre. Zudem erhält dieser (nach gerichtlichem Ermessen) eine Entschädigung im Umfang von maximal sechs Monatslöhnen (Artikel 337c OR). Eine fristlose Kündigung ist auch während einer Sperrfrist (vergleiche „Kündigung zur Unzeit“) zulässig, sofern wichtige Gründe vorliegen.

2. Kündigung zur Unzeit:
Eine Kündigung erfolgt zur Unzeit, wenn sie während einer Sperrfrist erfolgt. Solche Sperrfristen gelten bei Krankheit, Schwangerschaft und Militärdienst. Spricht der Arbeitgeber eine Kündigung während einer Sperrfrist aus, ist diese nichtig (Artikel 336c OR) und entfaltet keine Rechtswirkung. Ist die Kündigung vor Beginn der Sperrfrist erfolgt, die Kündigungsfrist aber noch nicht abgelaufen, wird der Ablauf der Kündigungsfrist unterbrochen. Diese wird erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt.

3. Missbräuchliche Kündigung:
Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie beispielsweise wegen einer persönlichen Eigenschaft ausspricht oder weil ein Arbeitnehmer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend macht. Eine missbräuchliche Kündigung ist gültig, kann aber zu einer Entschädigungspflicht des Arbeitgebers führen (Artikel 336a OR).

Kündigungsgründe in Deutschland
In Deutschland bedarf eine Kündigung grundsätzlich einer sozialen Rechtfertigung.

Eine Kündigung muss
• personenbedingt
• verhaltensbedingt
• betriebsbedingt

erfolgen (Paragraf 1 Kündigungsschutzgesetz, KSchG). Dies gilt für Arbeitgeber, welche mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen. Weiters gibt es eine Reihe von Personen, die einen besonderen Kündigungsschutz geniessen oder für deren Kündigung die vorgängige Zustimmung einer Behörde erforderlich ist. Diese Personen können nur aus wichtigem Grund gekündigt werden.

Dazu gehören:
• Auszubildende
• Schwangere
• Schwerbehinderte
• In Elternzeit, Pflegezeit oder Familienpflegezeit befindliche Arbeitnehmer
• Betriebsratmitglieder
• Datenschutzbeauftragte

Kündigungsfristen in der Schweiz
Ist nichts anderes vereinbart worden, gelten nach schweizerischem Arbeitsrecht (Artikel 335c OR) folgende gesetzlichen Kündigungsfristen nach Ablauf der Probezeit:
• Kündigungsfrist im ersten Dienstjahr: einen Monat
• Kündigungsfrist im zweiten bis neunten Dienstjahr: zwei Monate
• Kündigungsfrist ab dem zehnten Dienstjahr: drei Monate

Diese Fristen dürfen durch schriftliche Abrede verkürzt oder verlängert werden. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen jedoch gleich lange Kündigungsfristen vereinbart werden.

Kündigungsfristen in Deutschland
Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch schreibt für die Kündigungsfristen eine detailliertere Abstufung vor (§ 622 BGB). So beträgt die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber bei einem Arbeitsverhältnis
• ab zwei Jahren: einen Monat
• ab fünf Jahren: zwei Monate
• ab acht Jahren: drei Monate
• ab zehn Jahren: vier Monate
• ab zwölf Jahren: fünf Monate
• ab fünfzehn Jahren: sechs Monate
• ab zwanzig Jahren: sieben Monate.

In den ersten zwei Anstellungsjahren gilt eine einheitliche gesetzliche Mindestkündigungsfrist von vier Wochen zum fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats. Die verlängerten Kündigungsfristen gelten nur für den Arbeitgeber, so dass für die Kündigung durch den Arbeitnehmer immer die Grundkündigungsfrist von vier Wochen gilt. Eine Verlängerung der Kündigungsfristen ist auch hier möglich.

Gerichtsverfahren bei Kündigung
Eine Weiterbeschäftigung kann nach schweizerischem Arbeitsrecht auch bei einer erwiesenermassen ungerechtfertigten Kündigung nicht eingeklagt werden. Nur wenn eine Kündigung zur Unzeit erfolgt ist, besteht das Arbeitsverhältnis weiter, da die Kündigung als nichtig qualifiziert wird (Artikel 336c OR). Der Arbeitgeber muss dann nach Ablauf der Sperrfrist die Kündigung wiederholen. Vor Arbeitsgericht in der Schweiz geht es meistens lediglich um die Frage der Entschädigung und die vertraglichen Nebenpflichten (Einhaltung Konkurrenzverbot, Ausstellung Arbeitszeugnis).

Bis zu einem Streitwert von 30.000 Schweizer Franken sind arbeitsrechtliche Verfahren in der Schweiz kostenlos. Das bedeutet, es werden den Parteien keine Gerichtskosten auferlegt (Artikel 113 Zivilprozessordnung).

In Deutschland muss sich ein Arbeitnehmer innert drei Wochen mit einer Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung wehren. Erweist sich die Kündigung als rechtswidrig, hat der Arbeitnehmer einen Weiterbeschäftigungsanspruch. Erweist sich die Kündigung als rechtmässig, endet das Arbeitsverhältnis. Das Verfahren ist nicht kostenlos. In erster Instanz hat jede Partei – unabhängig vom Verfahrensausgang – ihre Kosten zutragen. Der Streitwert einer Kündigungsschutzklage beträgt ein Viertel eines Jahresbruttogehalts.

Fazit
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass insbesondere bei den Kündigungsmodalitäten große Unterschiede im schweizerischen und deutschen Arbeitsrecht bestehen und der (schweizerische) Grundsatz der Kündigungsfreiheit aus Arbeitgebersicht vorteilig ist.

  Quelle: www.handelskammerjournal.ch / www.handelskammer-d-ch.ch


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