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Auch ein negativer Preis ist ein Preis!

07.11.2023

Das OLG Karlsruhe hat mit Beschluss vom 18.08.2023 – 15 Verg 4/23 – u.a. folgendes entschieden:

1. Auch ein negativer Preis ist ein Preis, der grundsätzlich zulässig ist.
2. Der Auftraggeber kann den Ausschluss eines Angebots mit negativen Preisen nicht darauf stützen, dass er in der Ausschreibung unter Bezug auf die HVA B-StB EU-Teilnahmebedingungen 8 - 19 bestimmt hat, dass Hauptangebote mit negativen Einheitspreisen von der Wertung ausgeschlossen werden, soweit negative Einheitspreise nicht ausdrücklich zugelassen sind.

 

Portrait des Anwalt Werner

 

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte den Neubau einer Ortsumfahrung europaweit ausgeschrieben. Gegenstand der Vergabeunterlagen waren die HVA B-StB EU-Teilnahme-bedingungen 8 bis 19, die u.a. vorgaben, dass Hauptangebote mit negativen Einheitspreisen von der Wertung ausgeschlossen werden, soweit negative Einheitspreise nicht ausdrücklich für bestimmte Positionen in der Leistungsbeschreibung zugelassen seien. Eine solche Zulassung gab es aber nicht. Bieter A gab ein Angebot ab. Für die Leistungsposition 2.2.2 „ Grobkörnigen Boden liefern, profilgerecht einbauen und verdichten“ hatte A einen negativen Preis eingesetzt. Darauf schloss der AG das Angebot des A aus, da es nicht zugelassene negative Einheitspreise enthalte, und kündigte an, den Zuschlag auf das Angebot des Bieters B zu erteilen. A rügte den Ausschluss seines Angebotes, da das Verbot negativer Preise rechtswidrig sei. Da der AG seiner Rüge nicht abhalf, beantragte A Nachprüfung.

Sowohl die erstinstanzliche Vergabekammer als auch das OLG als Beschwerdegericht geben A Recht. Die Entscheidung des AG, das Angebot des A gemäß § 16 EU Nr. 3, § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A auszuschließen, weil A bei der Position 2.2.2 des Leistungsverzeichnisses einen negativen Preis angegeben habe, finde in den genannten Vorschriften keine Grundlage. Nach diesen Vorschriften seien Angebote auszuschließen, die nicht die geforderten Preise enthielten. Das Angebot des A enthalte aber den geforderten Preis. Denn nach ständiger Rechtsprechung sei auch ein negativer Preis ein Preis (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 22.12.2010 – Verg 33/10; OLG Düsseldorf, B. v. 8.6.2011 – Verg 11/11; BGH, B. v. 1.2.2005 - X ZB 27/04), der grundsätzlich zulässig sei.

Der von Bieter A in der Leistungsposition 2.2.2 eingesetzte negative Preis sei ein geforderter Preis. Der AG könne dem A nicht vorwerfen, einen unzutreffenden Preis angegeben zu haben. Die Angabe treffe vielmehr zu: der angegebene negative Einheitspreis entspreche nämlich vollständig der von A im Nachprüfungsverfahren vorgelegten Urkalkulation, in der für die Lieferung des grobkörnigen Bodens ein negativer Preis berücksichtigt sei. Bieter A habe im Nachprüfungsverfahren vorgetragen, dass es ihm möglich gewesen sei, einen negativen Preis für den Boden anzusetzen, weil ihm der Boden im Rahmen eines anderen Bauvorhabens zur Verwertung überlassen werde und er für die Verwertung eine Vergütung erhalte. Dadurch, dass er diese Vergütung oder einen Teil davon an den AG weiterreiche und der Preis der genannten Leistungsposition dadurch negativ werde, halte er sich im Rahmen einer möglichen Kalkulation.

Der Ausschluss des Angebots sei auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass der AG in der Ausschreibung die HVA B-StB EU-Teilnahmebedingungen 8-19 zum Gegenstand der Vergabeunterlagen gemacht und damit bestimmt habe, dass Hauptangebote mit negativen Einheitspreisen von der Wertung ausgeschlossen würden, soweit negative Einheitspreise nicht ausdrücklich zugelassen seien. Denn diese Vorgabe des AG, dass keine negativen Preise angeboten werden dürfen, sei unwirksam.

Eine Bestimmung, dass ein Auftraggeber, soweit nicht gesetzliche Regeln zu berücksichtigen seien, den Preis für die von ihm durch eine Leistungsposition näher beschriebene Teilleistung vorgeben könne, sei den Vergaberechtsvorschriften nicht zu entnehmen. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A verlange lediglich die Angabe korrekter Preise, weshalb zu erwarten sei, dass der Bieter zutreffend kalkuliere, also bei der Kalkulation sämtliche Leistungen berücksichtige, die zu der betreffenden Leistungsposition gehörten. Ein Auftraggeber könne für die näher beschriebenen Leistungen demnach grundsätzlich keine Mindestpreise festsetzen und einen Bieter auch nicht zwingen, bestimmte Gewinnspannen einzurechnen (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 22.12.2010 – Verg 33/10).

Erhalte der Auftragnehmer bei der Durchführung der Arbeiten jedoch vermögenswerte Güter, könne und dürfe der Bieter dies bei seiner Kalkulation berücksichtigen, was zu negativen Preisen führen könne. Ebenso könne ein Bieter den Auftraggeber an von Lieferanten gewährten Gutschriften partizipieren lassen. Rechts- und Interessenlage seien gleich, wenn der Bieter bei den ausgeschriebenen Arbeiten Material einbauen wolle, das ihm zur Verwertung überlassen worden sei, er für die Verwertung ein Entgelt erhalte und er dieses Entgelt oder einen Teil davon an den Auftraggeber weiterreiche. Der Umstand, dass das zu verwertende Material nicht im Rahmen desselben Leistungsverhältnisses anfalle, sei für die Zulässigkeit des Angebots eines negativen Preises unerheblich.

Selbst der Zeitdruck, unter dem der AG hier stehe, könne das Verbot negativer Preise nicht rechtfertigen. Das Verbot wäre nicht erforderlich, um sicherstellen, dass der einzubauende Boden rechtzeitig geliefert und eingebaut werde. Soweit sich nicht die vom Auftragnehmer zu erbringende Leistung durch von ihm nicht zu verantwortende Bauzeitverschiebungen oder Weisungen des AG ändere, müsse er, sollte ihm das zu verwertende Bodenmaterial nicht rechtzeitig überlassen werden, das Material anderweitig besorgen, um seine vertraglichen Verpflichtungen ordnungsgemäß zu erfüllen. Wie er das Material beschaffe und wie er den Preis kalkuliere, sei seine Sache; er trage das Risiko einer auskömmlichen Kalkulation. Er sei an den von ihm angebotenen und vom AG angenommenen Preis gebunden (vgl. § 2 Abs. 1 VOB/B). Das Interesse des AG an einwandfreier Ausführung und Haftung für die Gewährleistungsansprüche werde grundsätzlich nicht dadurch gefährdet, dass bestimmte Einzelpositionen "zu billig" angeboten würden, sondern dadurch, dass der Auftragnehmer infolge eines zu geringen Gesamtpreises in Schwierigkeiten gerate (vgl. BGH, Urt. v. 19.6.2018 – X ZR 100/16).

Anmerkung:

Bereits seit längerer Zeit steht nach der Rechtsprechung fest, dass negative Einheitspreise eines Bieters grundsätzlich zulässig sind und den Auftraggeber nicht zum Ausschluss des Angebotes berechtigen – selbst, wenn diese negativen Preise – wie hier – durch spezielle Teilnahmebedingungen (z.B. in den HVA B- StB für den Straßen- und Brückenbau oder die VHB Bund für den Hochbau) explizit ausgeschlossen sind. Dies gilt es daher für öffentliche Auftraggeber, die diese Regelwerke bei ihren Vergabeverfahren verwenden, besonders zu beachten.

  Quelle: Anwalt Werner


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