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Auch nach EU-Recht: Das Vergabeverfahrensrisiko liegt beim Auftraggeber!

15.03.2013

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 10. Januar 2013 – VII ZR 37/11 – folgendes entschieden:

Eine Anpassung der Bauzeit und gegebenenfalls auch der Vergütung aufgrund einer Verzögerung durch ein Nachprüfungsverfahren ist keine nachträgliche Vertragsänderung, sondern von vornherein vereinbart. Mit dieser Vereinbarung haben die Parteien den – jedenfalls in Grenzen – voraussehbaren Fall geregelt, dass eine derartige Verzögerung stattfindet, die auch zu einer Veränderung der Bauzeit führt. Eine solche Regelung ist vergaberechtlich möglich und verstößt nicht gegen europarechtliche Vorgaben.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Spundwandarbeiten bei einem Schifffahrtskanal im Stadtgebiet von Oldenburg ausgeschrieben. Der vorgesehene Zuschlagstermin von März 2004 musste wegen eines Vergabenachprüfungsverfahrens eines Konkurrenten auf den 14.06.2004 verschoben werden. Das OLG Oldenburg hatte den AG zur Zahlung der gesamten Mehrkosten verurteilt, da infolge der Bauzeitverschiebung höhere Einkaufspreise insbesondere für Stahl seitens der Lieferanten gegeben waren. Stahl musste daher teurer eingekauft werden, als dies bei unverzögerter Beauftragung und Ausführung der Fall gewesen wäre. Der AG, der bereits die vorlaufenden Prozesse in dieser Sache verloren hatte, legte gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde beim BGH ein. Der BGH bestätigt hier das vorinstanzliche OLG und bekräftigt wie in seinem vorausgegangenen Urteil (VII ZR 213/08), dass europäisches Vergaberecht der BGH-Rechtsprechung zum Vergabeverfahrensrisiko nicht entgegenstehe. Der AG verkenne hier, dass der BGH in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht eine nachträgliche Vertragsänderung angenommen habe, sondern den Vertrag dahin ausgelegt habe, dass eine Anpassung der Bauzeit und gegebenenfalls auch der Vergütung von vornherein vereinbart sei. Mit dieser Vereinbarung hätten die Parteien den jedenfalls in Grenzen voraussehbaren Fall geregelt, dass eine Verzögerung durch ein Nachprüfungsverfahren stattfinde, die auch zu einer Veränderung der Bauzeit führe. Dass eine solche Regelung vergaberechtlich möglich sei, unterliege keinem vernünftigen Zweifel. Selbst unter dem Gesichtspunkt einer nachträglichen Vertragsänderung bestünden aber auch keine Bedenken, denn es gelte Art. 31 der Vergabekoordinierungsrichtlinie (EU-Richtlinie 2004/18/EG) - umgesetzt in § 3 Abs. 5 Nr. 5 EG-VOB/A 2012. Wenn vom AG nicht vorhersehbare Umstände eine nachträgliche Vertragsänderung erforderlich machten, die die Hälfte des Werts des ursprünglichen Auftrags nicht überschreite, sei diese Nachbeauftragung des ursprünglichen Auftragnehmers ohne neue Ausschreibung zulässig.

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Anmerkung:
Der BGH bleibt bei seiner ständigen Rechtsprechung, wonach Mehrkosten wegen einer Verschiebung der Bauzeit in Folge von Verzögerungen, die während der laufenden Vergabeverhandlungen eintreten, grundsätzlich vom Auftraggeber zu tragen sind. Der BGH stellt noch einmal klar, dass diese grundsätzliche Rechtslage auch nicht gegen europäisches Recht verstößt.

  Quelle: RA Michael Werner


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