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Auftragnehmer erstellt LV: Mehrvergütung?

22.07.2021

Von RA Michael Seitz

Erstellt ein Werkunternehmer ein Leistungsverzeichnis für Sanierungsmaßnahmen, sind die Kosten nicht erwähnter weiterer Baumaßnahmen auch dann vom LV nicht umfasst, wenn sie für die Funktionstauglichkeit der Leistung erforderlich sind. Die Leistungen sind daher zu vergüten, es sei denn, der Unternehmer weist den Besteller auf die zusätzlich erforderlichen Leistungen nicht hin und dieser hätte die Leistungen bei einem Hinweis nicht beauftragt.

Dies hat das Kammergericht in einem Urteil vom 13.04.2021 (Az.: 21 U 45/19) entschieden.

Der Fall: AN wird mit der Neuherstellung von Gassträngen in einem Altbau beauftragt. Das Leistungsverzeichnis stammt von AN und enthält den Wiederverschluss der Decken nach Verlegung der Leitungen nicht. AG bemängelt, dass die Durchbrüche nicht verschlossen sind und zahlt daher die Schlussrechnung des AN nicht vollständig. Das Werk des AN sei nicht funktionstauglich und für die Schließung der Durchbrüche entstünden Kosten in Höhe von gut 5.000 Euro. AN klagt die Schlussrechnung ein.

Das Urteil: Grundsätzlich mit Erfolg! Allerdings muss AN die Deckendurchbrüche verschließen, wofür er dann allerdings auch eine zusätzliche Vergütung erhält (doppelte Zug-um-Zug Verurteilung). Zwar hat AN das Leistungsverzeichnis erstellt, die Deckendurchbrüche waren dort jedoch nicht vorgesehen. Die ordnungsgemäße Abdichtung der Durchbrüche ist jedoch für eine mangelfreie Herstellung des Werkes erforderlich. Hier handelt es sich um eine Sanierungsmaßnahme in einem Altbau. Daher sei – so das Kammergericht – für den AG erkennbar, dass der genaue Umfang der Leistung erst im Verlauf der Arbeiten festgestellt werden könne. Gerade bei einer günstigen Reparaturmaßnahme sei für AG erkennbar, dass AN nur die explizit im LV ausgeführten Leistungen erbringen will. Erfordere der funktionale Werkerfolg zusätzliche Leistungen, so wolle AN diese nur gegen zusätzliche Vergütung erbringen, es sei denn, die Parteien haben etwas anderes vereinbart, etwa einen Pauschalvertrag geschlossen. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass AG den Auftrag bei Kenntnis von der erforderlichen Abdichtung der Deckendurchbrüche nicht erteilt hätte. Daher muss zunächst AN die Deckendurchbrüche verschließen. Danach erhält er nicht nur seine Schlussrechnung bezahlt, sondern auch eine zusätzliche Vergütung für die zunächst im LV nicht vorgesehenen Deckenverschlüsse.

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Fazit: „Vor der Hacke ist es dunkel“, lautet ein alter Bergmannsspruch. Gleiches gilt auch für die Sanierung von Altbauten. In der Regel ist es bei Erstellung des LV nicht absehbar, welche Leistungen für die Herbeiführung des funktionalen Werkerfolges erforderlich sind. In solchen Fällen ist scharf zwischen dem – stets geschuldeten – funktionalen Werkerfolg einerseits und der Vergütung andererseits zu unterscheiden. AN muss – wie immer – den funktionalen Werkerfolg herbeiführen. Allerdings erhält er dann für diese zusätzliche Leistung auch eine zusätzliche Vergütung, es sei denn, AG hätte den Auftrag bei Kenntnis von diesen Zusatzleistungen nicht erteilt, was von AG zu beweisen wäre. Allerdings: Viele Bauherren versuchen – gerade bei einer Planung des AN – über sogenannte Vollständigkeitsklauseln dieses Ergebnis zu vermeiden. Ob derartige Klauseln wirksam sind, ist eine Frage des Einzelfalls.

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