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Ausschluss der Nachforderung fehlender Unterlagen bereits in der Bekanntmachung?

30.06.2015

RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Bund hat mit Beschluss vom 05.03.2015 – VK 2-13/15 – Folgendes entschieden:

• Ein Ausschluss wegen fehlender Erklärungen setzt entweder voraus, dass geforderte, aber fehlende Erklärungen nicht binnen einer angemessenen Nachfrist vom Bieter nachgeliefert wurden, oder aber, dass das Ermessen, nicht nachzufordern, in einer Art und Weise ausgeübt wurde, die sich im Rahmen des legitimen Ermessensspielraum hält.

• Durch die Formulierungen in den Vergabeunterlagen, dass „eine Nachforderung fehlender Unterlagen und Nachweise (…) nicht erfolgt“, kann das dem Auftraggeber zustehende Ermessen, solche Unterlagen und Nachweise nicht nachzufordern, nicht pauschal vorweggenommen werden.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte im Rahmen eines elektronisch durchgeführten Offenen Verfahrens Schulungsmaßnahmen für insgesamt acht Schulen bekanntgemacht. Die Bieter wurden dazu aufgefordert, in einer Tabelle die Adresse der in ihrem Angebot vorgesehenen Schulungsorte im Einzelnen einzutragen. Sowohl im Veröffentlichungstext als auch in den Vergabeunterlagen hatte der AG eine Nachforderung fehlender Unterlagen und Nachweise ausdrücklich ausgeschlossen. Die von den Bietern auszufüllende Tabelle enthielt – trotz acht Schulungsorten – lediglich sieben Spalten, in welche Straße, Postleitzahl und Ort einzutragen waren. Aus einem darunter stehenden Hinweis ergab sich jedoch, dass der Vordruck auch mehrfach verwendet werden durfte, wenn die vorgegebene Tabelle für die Anschriften nicht ausreichend sei. Bieter A, dessen Angebot acht Schulungsorte vorsah, hatte lediglich sieben Spalten korrekt ausgefüllt, die Adresse des achten Schulungsortes fehlte. Darauf wurde sein Angebot gemäß § 16 Abs. 3 Ziff. a) VOL/A wegen Unvollständigkeit ausgeschlossen. A rügte darauf, dass ihm die Benennung des achten Standorts über das vorgesehene e-Vergabe-System nicht möglich gewesen sei, ohne die vorgesehenen Formvorschriften zu verletzen. Nach Ablehnung seiner Rüge stellte er Nachprüfungsantrag.

Die VK gibt Bieter A Recht. Hier habe der AG die Forderung nach Angabe der Maßnahmeorte zwar wirksam aufgestellt. Unstreitig sei auch, dass die Angabe des achten Schulungsortes im Angebot des A fehle. Dennoch komme ein Ausschluss gemäß § 16 Abs. 3 Ziff. a) VOL/A nicht in Betracht. Ein Ausschluss setze nämlich voraus, dass geforderte, aber fehlende Erklärungen nicht binnen einer angemessenen Nachfrist vom Bieter nachgeliefert wurden oder aber, dass das Ermessen, nicht nachzufordern, in einer Art und Weise ausgeübt wurde, die sich im Rahmen des legitimen Ermessensspielraums halte. Hier habe der AG das ihm nach § 16 Abs. 2 Satz 1 VOL/A eröffnete Nachforderungsermessen gar nicht ausgeübt. Der in den Vergabeunterlagen vorgesehene generelle Ausschluss sei aber mit der Problematik behaftet, dass dann der Einzelfall mit seinen besonderen Umständen nicht berücksichtigt werden könne; den konkreten Sachverhalt könne bei einer schematischen Handhabung im Sinne einer Vorabfestlegung nicht Rechnung getragen werden. Exakt um dem Einzelfall gerecht werden zu können, werde aber Ermessen eingeräumt. Eine pauschale Vorwegnahme des Ermessens zu einem Zeitpunkt, zu dem noch gar nicht absehbar sei, welche formellen Fehler sich möglicherweise ereignen würden, sei vor diesem Hintergrund unzulässig. Die Vergabekammer gibt daher dem AG auf, diese Ermessensentscheidung nachzuholen. Dabei habe der AG zu berücksichtigen, dass die Ausgestaltung des vorgesehenen Formulars (sieben Spalten bei anzubietenden acht Schulungsorten) auch ursächlich für das Defizit des Angebots des AG gewesen sei, was in die Ermessensausübung eingestellt werden müsse.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
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E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
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Anmerkung:
Die Entscheidung ist deshalb von hohem Interesse, da – im Gegensatz zu § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A sowie § 11 Abs. 3 VOF – die Nachforderung gemäß § 16 Abs. 2 VOL/A (bzw. § 19 Abs. 2 EG-VOL/A) nach wie vor im Ermessen des Auftraggeber steht. Insoweit galt (bisher) die Meinung, dass im Bereich der Dienst- und Lieferleistungen die Nachforderung im Vorfeld ausgeschlossen werden dürfe. Auftraggebern ist im Hinblick auf die o.g. Entscheidung daher zu empfehlen, beim Ausschluss der Nachforderung zurückhaltend zu sein; Bieter dagegen sollten sich auch bei VOL-Vergaben im Zweifel nicht auf die Unwirksamkeit einer Klausel in den Vergabeunterlagen verlassen, die eine Nachforderung fehlender Erklärungen pauschal ausschließt.

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