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Automatischer Ausschluss eines Dumping-Angebotes?

01.12.2015

von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Lüneburg hat mit Beschluss vom 10.09.2015 – VgK-32/2015 – u.a. Folgendes entschieden:

• Auch ein festgestelltes Unterkostenangebot darf erst dann ausgeschlossen werden, wenn eine Marktverdrängungsabsicht oder eine Gefährdung der Vertragsabwicklung durch ungenügende Leistungsfähigkeit hinzukommen.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Rohbauarbeiten im Offenen Verfahren gemäß VOB/A-EG europaweit ausgeschrieben. Der Zuschlag sollte auf den niedrigsten Preis erteilt werden. Das Angebot des erstplatzierten Bieters B lag preislich deutlich unter dem Angebot des zweitplatzierten Bieters A. So wurden bei einzelnen Positionen durch B weniger als 10 % des nächstmindestfordernden Bieters sowie eine deutlich geringere Stundenzahl angesetzt. Der AG wollte darauf dem Angebot des B den Zuschlag erteilen. Darauf rügte A die Unauskömmlichkeit des Angebots des B aufgrund der hohen Preisdifferenz und beantragte ein Nachprüfungsverfahren, in dessen Folge der AG aufgefordert wurde, die Preise gemäß § 16 Abs. 6 Nr. 2 VOB/A-EG aufzuklären. Im Zuge dieser Aufklärung erklärte B, einen Gesamtnachlass sowie zusätzlich auf Einzelleistungspositionen einen jeweils konkret bezifferten Nachlass gewährt zu haben; des weiteren seien mit dem von ihm geplanten Schalungssystem Einsparungen gegenüber konventioneller Schalung verbunden. Ebenso wies B seine finanzielle Leistungsfähigkeit positiv nach. Darauf informierte der AG erneut, dass B den Zuschlag erhalten sollte. A rügte dies wieder und beantragte erneut ein Nachprüfungsverfahren.

Die VK gibt hier dem AG Recht und stellt klar, dass ein Grund für den Ausschluss des Angebots des B hier nicht vorliege. Einmal sei eine unzulässige Mischkalkulation nicht gegeben, mit der ein Bieter in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für bestimmte Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteile. Vielmehr habe B die jeweiligen Kosten dort kalkuliert, wo sie tatsächlich anfielen. Des weiteren sei auch nicht zu beanstanden, dass B kostendeckende Einheitspreise bei konkreten Positionen um genau bezifferte Abschläge gesenkt habe. Diese Senkung eines Einheitspreises einer bestimmten Position im LV sei von der Kalkulationsfreiheit gedeckt. Sie sei deutlich zu unterscheiden von einem Abschlag auf das Gesamtangebot. Während der Abschlag auf das Gesamtangebot bei Mengenänderungen dazu führe, dass die angebotenen Einheitspreise verlangt werden dürften, führe eine Absenkung der Preise in den Einzelpositionen auch bei Mengenänderung nur zu einer Steigerung um die abgesenkten Kosten. Die Absenkung des Preises einer einzelnen Leistungsposition sei daher vergaberechtlich weniger problematisch als ein Abschlag auf die Gesamtsumme in Form einer in der absoluten Höhe begrenzten „Subventionspauschale“.

Hier sei zwar festzustellen, dass B die Auskömmlichkeit des Angebots nicht habe nachweisen können, sodass tatsächlich ein Unterkostenangebot vorliege. Dies führe aber allein nicht zum zwingenden Ausschluss des Angebots. Es bestehe ein wesentlicher Unterschied zwischen einem nicht auskömmlichen Angebot und einem unangemessen niedrigen Preis gemäß § 16 Abs. 6 VOB/A-EG. Die fehlende Auskömmlichkeit sei nur ein Teil der Prüfung, die in der Wertung mindestens um einen der weiteren Tatbestände, nämlich die Marktabdrängungsabsicht oder die Gefährdung der Vertragserfüllung (meist durch Insolvenz) im Ausführungszeitraum zu ergänzen sei. Hier sei eine Marktverdrängungsabsicht nicht zu erkennen. Die Gefährdung der Vertragserfüllung sei bei den Angeboten zu bejahen, bei denen die (niedrigere) Preisgestaltung den Auftragnehmer voraussichtlich in erhebliche Schwierigkeiten bringen werde, sodass er den Auftrag nicht zu Ende ausführen könne, sondern die Ausführung abbrechen müsse. Die vom AG hier eingeholte Liquiditätsbescheinigung lasse aber nicht erwarten, dass B in Folge und im Rahmen der Abwicklung dieses Auftrags insolvent werden könnte. Vielmehr sei es nicht ungewöhnlich, dass in einem aus einer Nische stark wachsenden Markt der marktüblich kalkulierende Anbieter damit rechnen müsse, von einem Konkurrenten unterboten zu werden, der den Auftrag ausschließlich deshalb abwickele, um Referenzen für weitere Aufträge zu erhalten.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Wie die Entscheidung zeigt, ist es für einen Bieter schwierig, ein Konkurrenz – Angebot, das eindeutig Dumping-Preise aufweist, erfolgreich anzugreifen. Die Regelung des § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A-EG, wonach auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis der Zuschlag nicht erteilt werden darf, hat nur sehr eingeschränkt bieterschützenden Charakter. Ein Bieterschutz entwickelt diese Regelung nur dann, wenn mit dem Dumping-Angebot eine Marktverdrängungsabsicht zulasten der Konkurrenten bzw. eine gefährdete Vertragserfüllung im Ausführungszeitraum festgestellt werden kann. Von diesen beiden Ausnahmen abgesehen, darf somit ein sog. „Dumping-Angebot“ nicht automatisch ausgeschlossen werden, weil es dem Bieter nicht selten den angestrebten Weg in den Markt erst eröffnet und damit – im Ergebnis – den Wettbewerb fördern kann.

  Quelle:


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