zurück

Bauablaufstörung: bauablaufbezogene Darstellung erforderlich!

20.12.2023

Die Geltendmachung von Schadensersatz und/oder Entschädigungsansprüchen wegen aufgetretener Baubehinderung erfordert eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung nebst Gegenüberstellung der Ist- und der Soll-Abläufe. Dies hat das OLG Köln mit Urteil vom 12.04.2021 (Az.: 19 U 76/20) entschieden. Die hiergegen ge-richtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH mit Beschluss vom 05.02.2023 (Az.: VII ZR 413/21) zurückgewiesen.

 

Portrait Michael Seitz

 

Der Fall: Die Stadt S beauftragt AN mit der Ausführung diverser Bauarbeiten auf einem Großbauvorhaben. Es kommt zu Störungen des Bauablaufs mit unterschiedlichen Ursa-chen. AN legt einen sogenannten "Bauzeitennachtrag" vor, mit dem er zusätzliche Ver-gütung für die im Rahmen der Verzögerung aufgetretenen Mehrkosten verlangt. Die Parteien verhandeln, eine Vereinbarung kommt jedoch nicht zustande. Daraufhin erhebt AN Klage auf Bezahlung des "Bauzeitennachtrages".

Das Urteil: Die Klage hat keinen Erfolg! Das OLG Köln urteilt, dass die Darlegungs- und Beweislast sowohl für Schadensersatzansprüche nach § 6 Abs. 6 VOB/B als auch für Entschädigungsansprüche nach § 642 BGB bei AN liegt. Dies ergebe sich schon unmit-telbar aus seiner vertraglichen Rechtstellung, nach der AN die von ihm behaupteten Vergütungsansprüche beweisen muss. Zwar seien im Einzelfall nach Treu und Glauben Erleichterungen dieser Darlegungs- und Beweislast denkbar, solche Umstände lägen hier jedoch nicht vor. Sie lägen insbesondere auch nicht in der grundsätzlichen Ver-handlungsbereitschaft der auftraggebenden Stadt, da es sich hier erkennbar lediglich um Absichtsbekundungen gehandelt habe, die unter dem Vorbehalt der Entscheidung der hierzu berufenen kommunalen Gremien erfolgten. Das müsse auch dem Unterneh-mer klar gewesen sein. Daher bleibe es auch im vorliegenden Fall dabei, dass die volle Darlegungs- und Beweislast sowohl für den Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. VOB/B als auch für den Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB bei AN verbleibe. Um dieser Darlegungs- und Beweislast gerecht zu werden, bedürfe es einer konkreten bauablaufbezogenen Darstellung, die auch eine Gegenüberstellung der Ist- und der Soll-Abläufe enthalten müsse. Daran fehlte es hier.

Fazit: Welche Ansprüche ein Auftragnehmer bei Verzögerungen und Veränderungen des Bauablaufs (oft auch als "gestörter Bauablauf" bezeichnet) hat, ist oft außeror-dentlich schwierig zu bestimmen. Es liegt zum einen bereits daran, dass solche Bauzeit-verzögerungen häufig nicht nur auf eine Ursache zurückzuführen sind, sondern meist unterschiedliche Ursachen haben, die zudem aus verschiedenen Sphären herrühren können und einander oft noch dazu gegenseitig bedingen. Grundsätzlich sind drei Prob-leme zu unterscheiden: Zum einen stellt sich die Frage, ob der Auftragnehmer eine Bauzeitverlängerung beanspruchen kann. Dies dürfte regelmäßig der Fall sein, wenn die Verzögerung nicht aus seiner eigenen Sphäre kommt. Zum zweiten stellt sich die Frage, ob der Auftragnehmer den Vertrag bei einer vom Bauherrn verursachten Verzögerung kündigen kann. Dies ist gemäß § 643 BGB der Fall, wenn der Bauherr eine notwendige Mitwirkungshandlung (z. B. die Zurverfügungstellung des Baufeldes) unterlassen hat, AN eine angemessene Frist setzt und die Kündigung androht. Holt AG dann diese Handlung nicht innerhalb der Frist nach, so gilt der Vertrag als aufgehoben. Schließlich stellt sich die Frage, ob AN Ansprüche auf Vergütung für die Mehrkosten hat, die ihm vor, während und nach der Bauzeitverzögerung entstanden sind. Auch hier ist zu diffe-renzieren: Einen vollen Schadensersatzanspruch hat AN nur dann, wenn der Bauherr die Verzögerung zu vertreten hat, also vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Dies ist insbesondere nach ständiger Rechtsprechung dann nicht der Fall, wenn die Verzöge-rung durch einen Vorunternehmer verursacht wird. Das fahrlässige Handeln des von ihm beauftragten Vorunternehmers muss sich der Bauherr nämlich nach ständiger Recht-sprechung nicht zurechnen lassen. Daran scheitert ein Schadensersatzanspruch in den meisten Fällen. Daneben besteht ein Anspruch auf Entschädigung gemäß § 642 BGB. Dieser umfasst allerdings nur den Geldwert der während der Verzögerung unpro-duktiv vorgehaltenen Produktionsmittel. Schäden, die erst nach der Bauzeitverzögerung eintreten (z. B. während des Verzuges eingetretene Materialpreissteigerungen) werden hingegen hiervon nicht erfasst. Zudem muss - wie das OLG Köln in der vorliegenden Entscheidung mit Billigung des BGH einmal mehr feststellt - der Anspruch sowohl auf (vollen) Schadensersatz als auch auf (teilweise) Entschädigung gemäß § 642 BGB von AN dargelegt und gegebenenfalls auch bewiesen werden. Hierzu ist es nach ständiger Rechtsprechung in aller Regel erforderlich, dass AN eine Gegenüberstellung der Soll-Abläufe (bei planmäßiger Abwicklung des Vertrages) und der tatsächlichen Ist-Abläufe vorlegt. Gerade weil aber die Ursachen der Verzögerung oft multikausal sind, wird das dem AN kaum jemals gelingen. Derartige "Bauzeitennachträge" sind daher in den aller-meisten Fällen zum Scheitern verurteilt.

  Quelle: Anwalt Seitz


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare