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Baubeschreibungen gehen oft von Idealbedingungen aus

05.05.2020

Seit der Einführung des neuen Bauvertragsrechts Anfang 2018 haben private Bauherren, die ein schlüsselfertiges Haus auf ihrem eigenen Grundstück ohne eigenen planenden Architekten bauen, das Recht auf eine detaillierte Baubeschreibung. Viele dieser Baubeschreibungen passen aber nicht zum Grundstück der Bauherren. Das beobachtet Dipl.-Ing. (FH) Marc Ellinger, Sachverständiger und Leiter des Freiburger Büros im Verband Privater Bauherren (VPB).

„Die meisten Baufirmen setzen bei ihren Angeboten Idealbedingungen voraus, die nicht den Gegebenheiten vor Ort entsprechen – obwohl die Anbieter den zukünftigen Standort des Hauses kennen“, kritisiert der Experte. „Nach Vertragsabschluss kommen dann scheibchenweise die daraus resultierenden Mehrkosten auf den Tisch.“

So gehen Baufirmen in den Baubeschreibungen beispielsweise von einem ebenen, gut anfahrbaren Grundstück aus, einer Schneelastzone 1, mit wenig Schnee, einer Windzone 1, mit geringen Windstärken, und einer Erdbebenzone 0 ohne seismische Erschütterungen. Auch bei der Bodenfeuchte werden ideale Bedingungen angenommen, die keine besondere Abdichtung gegen Feuchtigkeit erforderlich machen. In der Region, die Marc Ellinger mit seinem Regionalbüro betreut, zwischen der Rheinebene um Freiburg und dem hohen Schwarzwald, hat er es auf wenigen Kilometern mit fast allen Zonen zu tun: In der Rheinebene schneit es mäßig, deshalb gehört die Gegend in die Schneelastzone 1, aber schon im Schwarzwald wird mit Schneelastzone 2a fast der bundesweit höchste Wert 3 erreicht. Folglich müssen die Dächer und die gesamte Hauskonstruktion dort stabiler konstruiert sein. Ähnlich verhält es sich bei den Erbebenzonen: nördlich der Universitätsstadt gilt die moderate Zone 1, im Schwarzwald stellenweise Zone 3, was eine entsprechend aufwändigere Bauweise voraussetzt.

„Und wenn ein Haus am Hang gebaut wird, ist klar, dass es zumindest zur Hangseite hin gegen drückendes Wasser mit Eintauchtiefen unter drei Meter abgedichtet werden muss. Die in der Baubeschreibung standardmäßig angenommene und eingepreiste einfache Abdichtung reicht da nicht aus.“

Was im äußersten Südwesten der Bundesrepublik gilt, trifft auf das gesamte Land zu: Die Zonen variieren zum Teil erheblich. Beispiel Rügen: Schneelastzone 3, Windzone 3 bis 4, keine Erdbebengefahr. Beispiel Aachen: Schneelastzone 1, Windzone 2, Erdbebenzone 3. Oder Beispiel Berlin: Schneelastzone 2, Windzone 2, keine Erdbebengefahr. Fast nirgends gelten tatsächlich in allen Bereichen die niedrigsten Einstufungen. Mal ist die Erbebengefahr höher, mal weht der Wind stärker, mal fällt mehr Schnee. „Folglich sind die mit den Idealwerten angebotenen Häuser so gut wie nirgendwo realisierbar. Lediglich im Bereich zwischen Bamberg und Erlangen liegen Schneelast- und Windzone bei 1 und die Erdbebengefahr bei 0. Hier träfen die Angebote zu. Andernorts müssen Häuser technisch aufwändiger konstruiert und ausgeführt werden“, erläutert Marc Ellinger. „So kommen dann in schöner Salamitaktik scheibchenweise Mehrkosten auf die Bauherren zu.“

Teuer wird auch die in der Baubeschreibung falsch angesetzte Bodenfeuchte. „Allein der Unterschied zwischen einem normalen Keller, mit einfacher Abdichtung, wie er standardmäßig angeboten wird, und einem tatsächlich wasserdichten Keller, wie er am Hang oder bei entsprechendem Baugrund nötig ist, schlägt mit 8.000 bis 12.000 Euro Extrakosten zu Buche“, erklärt Marc Ellinger.

„So etwas sollte nicht mehr passieren“, kritisiert VPB-Vertrauensanwalt Holger Freitag, „denn die im Bauvertragsrecht vorgesehenen Baubeschreibungen sollen nicht nur schon vor Vertragsschluss einen verlässlichen Vergleich mehrerer Angebote in Bezug auf Preis und Leistung ermöglichen, sondern auch die für den Bauunternehmer erkennbaren Kostensteigerungsrisiken bei den angebotenen Leistungen erwähnen. Für die Beschaffenheiten des Baugrunds steht das sogar ausdrücklich in der Begründung des Regierungsentwurfes des Gesetzes. Immer wieder setzen sich Baufirmen aber darüber hinweg oder machen Angaben, die Laien nicht verstehen.“

Es passiert leider immer noch, dass in den Baubeschreibungen die Lastzonen genau benannt, die Bauherren wissen nur nicht, dass für ihr Haus andere Vorgaben relevant wären. Das erfahren sie im schlimmsten Fall erst nach der Vertragsunterzeichnung: Wenn für den Bauantrag die Statik erstellt wird, müssen die für den Bauort geltenden Anforderungen angesetzt werden. Dann zeigt sich, was die vor Ort erforderliche Bauweise zusätzlich kostet. „Im Idealfall wissen es die Bauherren schon früher, dann nämlich, wenn sie die Baubeschreibung vor der Unterschrift von ihrem unabhängigen Sachverständigen prüfen lassen. Die technisch höheren Anforderungen müssen zwar in jedem Fall erfüllt werden, aber die Bauherren wissen dann zumindest, warum und welche Mehrkosten auf sie zukommen.“

  Quelle: www.vpb.de


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