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„Bauen aus mehreren Händen“: Verbraucherbauvertrag?

23.06.2022

Auch bei einer gewerkeweisen Vergabe kann ein Verbraucherbauvertrag vorliegen, wenn die Beauftragung zumindest in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Errichtung eines neuen Gebäudes erfolgt.

Das hat das LG Köln mit Urteil vom 26.11.2021 (Az.: 37 O 294/20) entschieden.

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RA Marja Schokolowsky


Der Fall:
Der private Bauherr beauftragte den Bauunternehmer mit der Herstellung des Daches, der Balkone sowie der Terrasse an seinem neu herzustellenden Mehrfamilienhaus. Der Bauunternehmer führte die Arbeiten aus. Der Bauherr leistete auf diverse Nachtragsrechnungen des Bauunternehmers keine Zahlungen. Der Bauunternehmer forderte den Bauherrn zur Abnahme und Stellung einer Bauhandwerkersicherheit gem. § 650f BGB auf. Diese verweigerte der Bauherr mit Verweis auf Mängel und den Umstand, dass er Verbraucher sei. § 650f Abs. 1 BGB finde nach Ansicht des Bauherrn gem. § 650 Abs. 6 BGB keine Anwendung, wenn der Besteller ein Verbraucher sei und es sich um einen Verbraucherbauvertrag nach § 650i BGB handelt. Die gewerkeweise Vergabe sei kein Hindernis für die Annahme eines Verbraucherbauvertrages. Nachdem der Bauherr weder Zahlung noch Sicherheit leistete, verfolgte der Bauunternehmer seine Ansprüche vor dem LG Köln weiter.

Das Urteil:
Ohne Erfolg! Das LG weist die Klage des Bauunternehmers ab - ihm stehe kein Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit gem. § 650f BGB zu. Nach Ansicht des LG Köln kann ein Verbraucherbauvertrag i.S.v. § 650i Abs. 1 BGB auch bei gewerkeweiser Vergabe vorliegen. Verbraucherbauverträge sind Verträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird. Soweit in Bezug auf § 650i Abs. 1 BGB gefordert wird, dass unter dem „Bau eines neuen Gebäudes“ ebenfalls nur das „Bauen aus einer Hand“ verstanden werden könne, sei dem nicht zu folgen. Nach Ansicht des Gerichts lasse sich keine sachliche Rechtfertigung dafür finden, weshalb der Verbraucher entsprechend schlechter gestellt werden soll, wenn er den Neubau eines Hauses lediglich gewerkeweise und nicht als Gesamtheit „aus einer Hand“ vergebe. Der technische und finanzielle Aufwand verringere sich für den Verbraucher bei dem Bau „aus mehreren Händen“ nicht. Gerade bei hochpreisigen Rechtsgeschäften sei nicht ersichtlich, warum ein Verbraucher schutzlos bleiben solle.

Fazit:
Es bleibt spannend! Auch das OLG Hamm (Urt. v. 24.04.2021 - 24 U 198/20) sowie das OLG Zweibrücken (Urt. v. 29.03.2022, 5 U 52/21, nicht rechtskräftig) haben geurteilt, dass ein Verbraucherbauvertrag gem. § 650i Abs. 1 Alt. 1 BGB bei gewerkeweiser Vergabe vorliegen kann, und zwar wenn 1. die Beauftragung zeitgleich oder in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Erstellung eines neuen Gebäudes erfolgt, 2. die Erstellung eines neuen Gebäudes für den Unternehmer ersichtlich ist und 3. die Gewerke zum Bau des neuen Gebäudes selbst beitragen. Als Bauunternehmer sollte man im Hinterkopf behalten, dass die Bauhandwerkersicherheit als Druckmittel zur Leistungseinstellung oder Kündigung nicht zieht, wenn der Besteller ein Verbraucher ist und es sich um einen Verbraucherbauvertrag nach § 650i BGB handelt. Ein Verbraucherbauvertrag ist ein Vertrag, durch den der Unternehmer von einem Verbraucher u. a. zum Bau „eines“ neuen Gebäudes verpflichtet wird. Aufgrund der Verwendung des Wortes "eines" ist in Literatur und Rechtsprechung streitig, ob bei der Vergabe von Neubauarbeiten in Einzelgewerken ein Verbraucherbauvertrag anzunehmen ist. Denn gesetzlich nicht geregelt ist, was unter dem „Bau eines neuen Gebäudes“ zu verstehen ist. Deshalb wird auch über die Frage gestritten, warum der Bauherr bei einer gewerkeweisen Vergabe weniger schutzwürdig sein soll als der Bauherr, der sein Haus aus einer Hand errichten lässt. Gesetzgeberisches Ziel war es nämlich, den Verbraucherschutz bei der Errichtung von Gebäuden zu verbessern. Würde man das Bauen aus mehreren Händen anders behandeln als das Bauen aus einer Hand, wäre das eine Verschlechterung für Verbraucher bei Einzelvergaben. Ob der BGH dem Verbraucherschutz oder dem Wortlaut des Gesetzes den Vorrang geben wird, bleibt abzuwarten.

  Quelle: RA Marja Schokolowsky


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