zurück

Bauingenieure im Ausland

28.08.2013

von Entwicklungshelfern und Globetrottern

von Fabian Hesse
Für deutsche Bauingenieure gibt es viele Möglichkeiten im Ausland zu arbeiten. Doch worin besteht der Reiz? Ob als Mitarbeiter bei einem großen internationalen Infrastrukturprojekt oder als Freiwilliger für eine Hilfsorganisation - die Herausforderung, im Ausland zu arbeiten, lässt sich für den Einzelnen sehr individuell gestalten. Der bauingenieur24 Informationsdienst sprach mit Bauingenieuren über ihre Erfahrungen und Motivation.

Verantwortung übernehmen
Afrika, China, Osteuropa - deutsche Bauingenieure finden sich mit ihren Projekten überall auf der Welt wieder. Neben ungewöhnlichen Baustoffen und Bauweisen, ist es vor allem der Umgang mit fremden Menschen und Kulturen, der die Arbeit im Ausland interessant macht. Wer sich in einem fremden Land beruflich inmitten der einheimischen Bevölkerung bewegt, trifft dabei auch immer auf kulturelle Eigenarten. Einen besonders großen Kontrast zum mitteleuropäischen Leben bringt ein Aufenthalt auf dem afrikanischen Kontinent mit sich. Martin Friedrich hat diese Erfahrung von 1998 bis 2007 in Nigeria für Julius Berger International als Bauleiter im Hochbau machen können. Das Unternehmen realisiert seit 1965 in Westafrika vor allem Infrastrukturprojekte. Als Mitarbeiter des größten Bauunternehmens im Land war Friedrich während der neun Jahre mit den verschiedensten Aufgaben betraut: „Neben öffentlichen Auftraggebern sind wir auch für Privatkunden tätig“. Über die Arbeitsbedingungen kann Friedrich nur Gutes berichten: „In Lagos, der nigerianischen Finanz- und Wirtschaftsmetropole, gibt es firmeneigene Camps nach europäischen Standards mit Krankenhaus und Supermarkt sowie diversen Sportangeboten“. Bei aller Vielfalt der Freizeitangebote bleibt die Arbeit natürlich Hauptbestandteil des Aufenthalts. „Sechs Tage die Woche ist man im Schnitt zehn Stunden täglich aktiv“. Sein Arbeitgeber garantiere stets ein hohes Maß an Sicherheit, sagt Friedrich, dessen Fazit nach diesen neun Jahren allgemein deutlich positiv ausfällt: „Grundsätzlich kann ich es jedem nur empfehlen. Man arbeitet im Ausland freier und hat mehr Verantwortung, was enorm motiviert“.

Bild_1_Uganda.jpg

Die Auswahl der Baumaterialien ist in Krisengebieten eingeschränkt: Unter solchen Umständen ein Haus zu bauen, gehört für Ingenieure, die mit Ärzten ohne Grenzen unterwegs sind, zum Alltag.

Foto: Joachim Tisch / Ärzte ohne Grenzen

Improvisieren groß geschrieben
Nach einheitlichen Standards und auf der Basis professioneller Organisation operieren neben Privatfirmen auch international aktive Hilfsorganisationen. Allein der Hintergrund und die Alltagswirklichkeit sind oft grundverschieden im Vergleich zur Beschäftigung in einem privaten Unternehmen.

Bild_2_Staudamm_Kraus.jpg

1998 wurde am Euphrat in Birecik, Türkei ein riesiges Wasserkraftwerk errichtet. Für die Firma Philipp Holzmann war der deutsche Bauingenieur Richard Krauss an dem Projekt beteiligt.

Foto: privat



Als ausgebildeter Bauingenieur oder Techniker ist man mit einer Nichtregierungsorganisation (NGOs) in den humanitären Notstandsgebieten der Erde weniger komfortabel unterwegs. „In unseren Projekten wird Improvisation ganz groß geschrieben“, erklärt Roland Zech von der Personalabteilung bei Ärzte ohne Grenzen gegenüber bauingenieur24. „Ob Materialbeschaffung, Bauleitung oder Personalmanagement, für einen Ingenieur und technischen Logistiker bei uns gilt in all diesen Bereichen eine Ressourcenknappheit“. Selten habe man das Glück, auf ein großes Baustofflager zugreifen zu können. Ein Gebäude aus Holz und Ziegelsteinen zu errichten sei bei der ehrenamtlichen Arbeit für die Ärzte ohne Grenzen, die oft als erste Hilfe in ein Krisengebiet kommen, wahrscheinlicher, als solide Betonbauten zu konstruieren. Wie auch private Bauunternehmen setzen humanitäre Organisationen im Ausland verstärkt auf die Selbstständigkeit ihrer Mitarbeiter. Tobias Homann aus Berlin hat diese Erfahrung erst vor kurzem machen dürfen. Als Logistiker mit technischem Schwerpunkt war er bis März dieses Jahres für Ärzte ohne Grenzen im Südsudan im Einsatz. Zur Vorbereitung des Projekts musste ein Acht-Tage-Camp reichen. Hinzu kam ein Online-Tutorial sowie mehrere persönliche und telefonische Unterweisungen. „Vor Ort gibt es auch immer einen Ansprechpartner von Ärzte ohne Grenzen. Oft müssen Entscheidungen aber allein getroffen werden. Die Devise lautet: just do it“.

Zweckmäßig bauen
Vier Monate lang baute der ausgebildete „Master of Industrial Engineering“ unter anderem Krankenhäuser für ein Flüchtlingslager mit 38.000 Bewohnern. „Wir haben zunächst mit Zelten und Plastikwänden gearbeitet“, berichtet er. Die Baustoffe wurden später nicht viel solider: „Wir hatten hauptsächlich Holz und Wellblech zur Verfügung“. Das Gebäude sei später in einer „permanent structure“ an anderer Stelle neu errichtet worden, wobei schließlich auch Ziegelsteine Verwendung fanden. „Bei uns richtet sich alles nach der Funktionalität eines Bauwerks“, erläutert Roland Zech die allgemeine Praxis bei den Hilfsprojekten in rund 60 Ländern. „Design spielt eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist, dass ein Krankenhaus gut durchlüftet und hell ist, damit es seinen Zweck erfüllt“. Die Arbeit mit ungewöhnlichem oder mangelhaftem Material ist das Eine. Der Umgang mit dem einheimischen Personal das Andere. Dem Online-Magazin bauingenieur24 berichtete Zech, dass man als Bauleiter oft Tagelöhner oder einfache Handwerker unter sich habe, deren Anweisung Fingerspitzengefühl verlange. „Das Arbeitstempo ist nicht immer das höchste. Die Arbeiter wollen auch am nächsten Tag noch etwas zu tun haben, da gehen die Dinge manchmal recht langsam von der Hand“. Eine gute Menschenkenntnis sei nötig, um zum Erfolg zu kommen, gerade für Ingenieure, die zugleich auch als Bauherren fungieren. Wichtig für die Arbeit sind nicht zuletzt fundierte Sprachkenntnisse. „Mit Französisch hat man in Afrika gute Chancen“, so Zech. „Die Sprache wird auf dem halben Kontinent gesprochen“. Tobias Homann beschreibt seinen Auslandseinsatz als eine Kombination aus Abenteuer und Etwas-Gutes-tun. „Die Erfahrung hat mich stark geprägt“, meint der 34-jährige. „Es gab jeden Tag neue Überraschungen“. Die Führung von 70 teils ungelernten lokalen Angestellten sei eine der größten Herausforderungen gewesen. „Es kam vor, dass sich jemand während der Arbeitszeit hinter einem Zelt die Haare schneiden ließ“. Andererseits habe man niemanden wegen Unpünktlichkeit oder anderen Versäumnissen verurteilen können: „Die Leute kamen zum Teil zwei Stunden zu Fuß zur Arbeit. Dass sind Tatsachen, für die man Verständnis haben muss“.

Bild_3_Gauff.jpg

Die Firma Gauff-Engineering leitet in Angola im Rahmen eines regionalen Infrastrukturgroßprojektes die Neugestaltung der Wasserversorgung einer 250.000-Einwohner-Stadt.

Foto: Gauff Engineering

Viel Arbeit, wenig Freizeit
Ein großes Verständnis für fremde Länder und Leute kam auch Richard Krauss in seinem bewegten Berufsleben zugute. Über 30 Jahre lang war der Diplomingenieur und Regierungsbaumeister für verschiedene Firmen im Ausland tätig. Seit Anfang des Jahres genießt der Schwabe seinen Ruhestand. „Los ging es 1980 in der Region Darfur“, erzählt Kraus. „Dort war ich als Bauführer am Bau einer 220 km langen Straße beteiligt“. Für die Logistik hätte man eine fertige Trasse gut gebrauchen können, so der 64-jährige im Gespräch mit dem bauingenieur24 Informationsdienst. „Vom Hafen bis zur Baustelle waren es 2.300 km. Dazwischen lag blanke Wüste und Savanne, nur rund 900 km waren einigermaßen befestigt“. Außer in Afrika arbeitete Richard Krauss unter anderem in Saudi-Arabien, der Karibik, in Bulgarien und der Türkei. „In China haben wir ein unterirdisches Wasserkraftwerk mit einem 240 Meter hohen Staudamm - damals der größte im Land - realisiert“. Während der Arbeiten für ein chinesisches Autobahnprojekt habe es einen Regierungserlass gegeben, der die Fertigstellung für das Bauwerk vorzog. „Da hat man uns einfach so ein halbes Jahr Bauzeit genommen“. Mit solchen Dingen sei in autoritär geführten Ländern zu rechnen. Trotz aller Schwierigkeiten motivierte die Größe der Projekte und des Budgets sowie die technische Herausforderung Richard Krauss immer wieder dazu, im Ausland zu arbeiten: „Die Maßstäbe sind in Afrika oder China einfach viel größer als bei uns“. Neben der beruflichen Erfüllung fand Richard Krauss auch privat sein Glück in der Fremde. In China lernte er seine Frau kennen, in der Türkei heiratete er sie. Eine bunte kulturelle Vielfalt hat er in seiner aktiven Zeit kennen gelernt. Wie wichtig die Beachtung der jeweiligen Landessitten ist, macht er an einem einfachen Beispiel deutlich: „Man muss akzeptieren, dass es in einem muslimischen Land keinen Alkohol und kein Schweinefleisch gibt“.

Wachsende Märkte locken
Eine gestandene Größe im Auslandsbaugeschäft ist die Firma Gauff-Engineering. Seit 1965 unterhält das Familienunternehmen Geschäftsbeziehungen in zahlreiche afrikanische Länder. „Wir bieten unseren Bauingenieuren die Chance, an Großprojekten mitzuarbeiten, die in diesen Dimensionen in Europa nicht oder nicht mehr denkbar sind“, sagt Andreas Raftis, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit bei Gauff. Das Online-Magazin bauingenieur24, das selbst auch internationale Stellenangebote veröffentlicht, sprach mit dem beratenden Unternehmen aus Nürnberg über Inhalte der Arbeit sowie die wirtschaftlichen Perspektiven speziell in Afrika. Schwerpunkte des Engagements lägen vor allem auf diversen Infrastrukturprojekten, dabei insbesondere die Bereiche Transport, Wasserversorgung und Energie. „Uns geht es in erster Linie um die Sicherung der Mobilität und der grundlegenden Versorgung der Menschen in den afrikanischen Staaten“, so Raftis. Die wirtschaftliche Lage sei derzeit ausgezeichnet: „Die afrikanischen Märkte boomen momentan mit teilweise zweistelligen Wachstumsraten“. Oft bringt die Tätigkeit im Ausland auch für den einzelnen Bauingenieur finanzielle Vorteile mit sich. „Ich musste viele Jahre in Deutschland keine Lohnsteuer zahlen“, erklärt Richard Krauss. „Was ich verdient habe, konnte ich sparen, da die Zeit zum Geldausgeben gefehlt hat“.

Anpassung nötig
Auch wenn heute noch das Geld stimme, so habe sich die Auswahl an Unternehmen im Vergleich zu früher verringert, sagt Krauss. Hauptsächlich die großen Namen hätten sich gehalten. Der Fokus liege heute nicht mehr auf der Bauausführung, sondern auf dem Consulting, also der Planung, Beratung und Überwachung. „Die Baustellen sind auch nicht mehr so großzügig ausgestattet wie einst. Familienverträge gibt es nur noch für Projektleiter oder begrenzt für Fachpersonal, aber nicht mehr für gewerbliches Personal“. Interkulturelle Aufgeschlossenheit sowie die Anpassung an das spezifische Klima sind Anforderungen, die nach wie vor an Auslands-Fachkräfte gestellt werden. Für Gauff-Engineering sind nicht nur diese entscheidend. „Die Fähigkeit, sein Fachwissen in verschiedensten Bereichen anwenden zu können, ist ebenso gefragt“, sagt Andreas Raftis. Dem bauingenieur24 Informationsdienst nannte er die Kernkompetenz für Mitarbeiter in seinem Unternehmen: „Wir fordern von unseren Ingenieuren ein generalistisches Denken und Handeln, damit sie jederzeit bereit sind, sich auf Neues einzulassen“. Nicht zuletzt zähle eine „große Portion Abenteuerlust“ zu den Grundvoraussetzungen für deutsche Ingenieure im Ausland. Den letzten Punkt sieht der erfahrene Richard Krauss etwas kritisch: „Viel Zeit für Abenteuer und Reisen neben dem Beruf hatte ich nie. In den meisten Ländern der Welt wird samstags immer gearbeitet. In China war ich oft von 6:30 Uhr bis abends um 20:30 Uhr auf der Baustelle“. Interessant bleibt für ihn das Anforderungsniveau: „Man hat im Ausland die Möglichkeit, die ganze Bandbreite der Ingenieurskunst anzuwenden“. Am Ende sei es eine Lebensentscheidung, die das Privatleben nicht unbeeinflusst lässt, so Krauss: „Ich kenne 39 ehemalige Kollegen, die heute mit einer Chinesin verheiratet sind“.

Bild_4_Kraus.jpg

Richard Krauss (im Bild) realisierte 1993 als Abschnittsbauleiter einen Teil der Ertan-Talsperre im Südwesten Chinas, welche seither das Wasser für das leistungsstärkste Wasserkraftwerk des Landes aufstaut.

Foto: privat

  Quelle: www.bauingenieur24.de


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare