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Bedenkenanmeldung des Unternehmers bei unwirtschaftlicher Planung?

11.08.2015

von RA Michael Werner

Das OLG Dresden hat mit Urteil vom 23.06.2015 – 4 U 44/15 – u. a. Folgendes entschieden:

• Die Bedenkenhinweispflicht nach § 4 Abs. 3 VOB/B hat den Sinn, den Auftragnehmer von der Haftung für ein mangelfreies Werk freizustellen, wenn er zuvor den Auftraggeber darauf hinweist. Der Rohbauer schuldet aber nicht die Erstellung eines Werks unter Abweichung gegen die ihm vorgelegte Planung und zwar auch nicht unter Kostenersparnisgründen.

• Selbst bei Unterstellung einer Bedenkenanmeldungspflicht wäre jedenfalls bei einem finanziellen Planungsmangel das Mitverschulden des Planers als Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers derart weit überwiegend, dass eine Mithaftung des Auftragnehmers ausgeschlossen wäre.

Ein Auftraggeber (AG) hatte ein Bauunternehmen (AN) mit Rohbauarbeiten zu einem Pauschalfestpreis in Höhe von ca. EUR 1,9 Mio. beauftragt. Für den zu verbauenden Bewehrungsstahl war eine gesonderte (EP)-Abrechnung vereinbart worden, wobei der Vertrag von einer Menge in Höhe von 700 t Bewehrungsstahl ausging. Im Laufe der Rohbauarbeiten wurde entsprechend der vom AG vorgelegten Bewehrungspläne allerdings eine weitaus höhere Betonstahlmenge verbaut, sodass „Mehrkosten“ von ca. EUR 270.000 nur für den Betonstahl entstanden. Der AG weist die Forderung des AN mit dem Argument zurück, dass der AN seine Hinweispflichten verletzt habe, weil er auf die entstehenden Mehrmengen nicht rechtzeitig aufmerksam gemacht habe. Nach Ergebnis zweier Privatgutachten, die der AG in Auftrag gegeben hatte, hätte die Möglichkeit einer weitaus kostengünstigeren Alternativplanung bestanden, auf die ihn der AN hätte hinweisen müssen.

Sowohl das erstinstanzliche LG als auch das OLG bejahen hier den Anspruch des AN gegen den AG. Beide Gerichte lehnen hier eine Bedenkenhinweispflicht gem. § 4 Abs. 3 VOB/B hinsichtlich der Möglichkeit des Vorliegens einer kostengünstigeren Alternativplanung ab. Das Werk des AN sei hier unstreitig technisch mangelfrei errichtet worden. Die Bedenkenhinweispflicht nach § 4 Abs. 3 VOB/B habe den Sinn, den AN von der Haftung für ein mangelhaftes Werk freizustellen, wenn er zuvor den AG darauf hinweise. Was ein „mangelhaftes“ Werk sei, richte sich vorrangig nach der vertraglich vereinbarten und geschuldeten Beschaffenheit des Werkes. Nach den Verträgen habe der AN aber nicht die Erstellung eines Werkes unter Abweichung gegen die ihm vorgelegte Planung und zwar auch nicht unter Kostenersparnisgründen geschuldet. Der Einwand des AG auf die grundsätzliche Pflicht zur kostensparenden Ausführung gehe fehl, wenn dem AN vertraglich nicht sogleich das Recht und die Pflicht auferlegt worden sei, gegebenenfalls von den Plänen abzuweichen. Rein technisch gesehen sei hier die Planung einwandfrei gewesen. Zu einer Planabweichung sei der AN vertraglich nicht befugt gewesen, sodass sich selbst im Falle einer unterstellter Existenz von Planungsalternativen hieraus keine Bedenkenhinweispflicht nach § 4 Abs. 3 VOB/B ableiten lasse. Eine Schadenersatzpflicht begründende Hinweispflicht lasse sich schließlich auch nicht aus einer allgemeinen Fürsorgepflicht des AN heraus ableiten, den AG vor Vermögensnachteilen generell zu schützen. Selbst wenn der vom AG behauptete finanzielle Planungsmangel tatsächlich vorhanden und auch derart offensichtlich gewesen wäre, dass er dem AN bereits in einer frühen Phase der Bauausführung und obendrein ohne vertiefte Prüfung hätte auffallen müssen, wäre jedenfalls das dem AG zuzurechnende Mitverschulden des Planers als seines Erfüllungsgehilfen derart weit überwiegend, dass eine Mithaftung des AN ausgeschlossen wäre.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Eine richtige und nachvollziehbare Entscheidung. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn der AN vertraglich dazu verpflichtet gewesen wäre, den AG im Interesse einer möglichst kostensparenden Ausführung auf entsprechende Planungsalternativen besonders hinzuweisen. Dies war hier jedoch hier nicht der Fall.

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