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Bedenkenanmeldung hebelt Verzugskündigung aus

08.09.2022

 

Der Auftragnehmer gerät nicht in Verzug, wenn er einer Anordnung des Auftraggebers nicht folgt, die seine ordnungsgemäß angemeldeten Bedenken treuwidrig nicht berücksichtigt. Das hat das OLG Dresden mit Urteil vom 29.06.2022 (Az.: 22 U 1689/20) entschieden.

Der Fall: Der Auftraggeber (AG) beauftragte den Auftragnehmer (AN) mit Fassadenreinigungsarbeiten. Da die Fassade teilweise nicht mehr intakt war und die Reinigung mit Hochdruck-Heißwasserstrahlen nur bei einer geschlossenen Putzfläche zulässig ist, meldete der AN Bedenken an. Der AG hingegen hält die ausgeschriebene Leistung für geeignet. Der AG hilft den Bedenken des AN nicht ab und weist den AN an, mit höherem Wasserdruck zu reinigen. Der AN verweigert die Leistung. Daraufhin kündigt der AG den Vertrag wegen Verzugs des AN außerordentlich. Der AN fordert den AG klageweise auf, ihm die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen zu zahlen.

Das Urteil: Mit Erfolg für den AN! Der AG war nämlich nicht berechtigt, den Vertrag wegen Verzugs des AN mit der Leistungserbringung zu kündigen. Der AN gerät nach Ansicht des OLG Dresden nicht in Verzug, wenn er Weisungen des AG nicht befolgt, die seine geltend gemachten Bedenken treuwidrig nicht berücksichtigen. Es hätte möglicherweise eine Verpflichtung des AN zur Weiterführung der Arbeiten bestanden, wenn AG auf den Gewährleistungsanspruch wirksam verzichtet hätte. Ein solcher Verzicht lag jedoch im vorliegenden Fall nach Auffassung des OLG Dresden nicht vor. Die Verzugskündigung sei folgerichtig in eine sogenannte freie Kündigung umzudeuten.

Fazit: Richtige Entscheidung! Der AN muss sich keinen Gewährleistungsfall nicht absehbaren Ausmaßes aufzwingen lassen! Grundsätzlich kann der AG eines VOB/B-Vertrages dem AN den Auftrag entziehen, wenn der AN den Beginn der Ausführung verzögert oder mit der Vollendung in Verzug gerät sowie eine gesetzte angemessene Nachfrist zur Vertragserfüllung fruchtlos abgelaufen ist. Der AN gerät richtigerweise nach der Entscheidung des OLG Dresden nicht in Verzug, wenn er einer Weisung des AG nicht folgt, die seine geltend gemachten Bedenken treuwidrig nicht berücksichtigt. Treuwidrig ist eine Anweisung, wenn danach die Leistungen auf eine gegen den Bauvertrag und gegen die Regeln der Technik verstoßende Weise erbracht werden soll, ohne dass eine Freistellung von der Gewährleistung erfolgt. Dem AN steht nach einer ordnungsgemäßen Bedenkenanmeldung ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Bedenken schützen also. Aber nicht immer: der AN wird durch eine Bedenkenanmeldung nicht von seiner Verantwortung für die Einhaltung der geltenden gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen befreit. Der AN darf eine solche Weisung des AG, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt oder eine Gefahr für Leib und Leben darstellt, nicht ausführen.

  Quelle: RA Schokolowsky


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