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Bedenkenhinweis: Untätigkeit nützt nichts!

26.01.2017

von RA Michael Seitz

Weist der Auftragnehmer ordnungsgemäß – gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B – auf Bedenken hin, so wird er auch dann von der Mängelhaftung befreit, wenn der Auftraggeber auf diesen Hinweis nicht reagiert.

Dies hat das OLG Stuttgart in einem Beschluss vom 21.11.2016 (10 U 71/16) entschieden.

Der Fall: AG beauftragt AN mit Bodenbelagsarbeiten. Die VOB/B ist vereinbart. AN erklärt, dass er aufgrund der Schichten von Altspachtelmasse, deren Beseitigung der Architekt des AN nicht geplant hat, Bedenken gegen die Ausführung habe und keine Gewährleistung für Abplatzungen und Ablösungen des Bodenbelages übernehme. Weder AN noch sein Architekt reagieren auf diesen Bedenkenhinweis. AN führt die Leistung wie beauftragt aus, später kommt es tatsächlich zu derartigen Ablösungen. AG verlangt deren Beseitigung. Diesem Verlangen kommt AN auch nach (!) Später verlangt er von dem Architekten aufgrund des Planungsfehlers im Wege des Gesamtschuldnerregresses 10.300,00 €.

Die Entscheidung: Und verliert! Das OLG Stuttgart stellt zunächst zwar fest, dass AN für einen Mangel der von ihm hergestellten Leistung dann nicht haftet, wenn er die ihm bei einem VOB-Vertrag obliegende Mitteilung nach § 4 Abs. 3 VOB/B gemacht habe. Das hatte AN hier zweifelsfrei getan. Ein ordnungsgemäßer und schriftlicher Hinweis führt zu einer Haftungsbefreiung, und zwar auch dann, wenn AG – wie hier – aufgrund dieses Bedenkenhinweises schlicht untätig bleibt und AN daraufhin wie beauftragt ausführt. AN ist also hier von seiner Haftung frei worden. Gerade weil dies der Fall ist, entsteht aber auch keine Gesamtschuld mit dem Architekten (der wohl gegenüber dem AG für seinen Planungsfehler haften dürfte). Deswegen verliert AN seinen Prozess gegen den Architekten.

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Fazit: Ironie des Schicksals! Zunächst macht AN alles richtig und gibt einen ordnungsgemäßen Bedenkenhinweis. Später treten genau die von ihm vorhergesagten Mängel tatsächlich auf. Trotzdem beruft sich AN gegenüber dem AG nicht auf seine Haftungsbefreiung, sondern schreitet vielmehr zur Mängelbeseitigung! Anschließend versucht er, von dem bauleitenden Architekten, mit dem ihn ein Vertragsverhältnis nicht verbindet, im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs den für die Mängelbeseitigung aufgewandten Betrag ersetzt zu bekommen. Damit scheitert er, weil er selbst dem AG gar nichts schuldete!

Das merkwürdige Verhalten des AN, zunächst einen Bedenkenhinweis zu geben, dann aber die Mängel doch zu beseitigen, lässt sich hier wohl nur damit erklären, dass es sich bei AG um einen öffentlichen Auftraggeber handelte, bei dem sich AN nicht „unbeliebt“ machen wollte. Daher versuchte er wohl, sich bei dem Architekten zu „erholen“. Das aber musste schiefgehen! Das OLG Stuttgart hat hier allerdings ausdrücklich nicht entschieden, ob und inwieweit AN von AG für die erbrachte Mängelbeseitigungsleistung eine Vergütung verlangen kann, denn AG war an diesem Prozeß gar nicht beteiligt.


  Quelle: RA Michael Seitz


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