„Früh übt sich, wer ein Meister werden will.“ Dieses Sprichwort gilt auch für Führungskräfte. Deshalb sollten junge Frauen und Männer, die Führungskraft werden möchten, früh damit beginnen, die hierfür nötigen Fähigkeiten zu trainieren.
von Joachim Simon
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Ich möchte eine Führungskraft werden, weil ich etwas gestalten und bewegen möchte.“ Das spüren manche jungen Frauen und Männer früh – zum Beispiel schon während ihres Studiums. Und dann ist dieses beendet, und sie bewerben sich um eine Stelle: mit einem überdurchschnittlichen Hochschulabschluss, weil sie leistungsbereit und -fähig sind. Deshalb erhalten sie auch einen Job in einem Top-Unternehmen – einen Job, von dem viele Ex-Kommilitonen nur träumen. Doch leider (oder vielleicht zum Glück) nicht unmittelbar als Führungskraft, sondern zum Beispiel als „Referent...“ oder „Experte für...“. Zwar gehören sie, wie ein Dutzend gleichaltriger Kollegen, einem Traineeprogramm an, das Nachwuchskräfte auf die eventuelle Übernahme einer Führungsposition vorbereiten soll, doch ob sie diese Position je erhalten, steht noch in den Sternen. Entsprechend ernüchtert sind sie nicht selten nach einiger Zeit.
Führungskräfte brauchen viele Kompetenzen Ob und wie schnell ein Unternehmen einer Nachwuchskraft eine Führungsposition anvertraut, hängt von vielen Faktoren ab – auch weil eine Führungskraft in einem Unternehmen stets zwei Funktionen erfüllen muss. Funktion 1: Sie muss im Arbeitsalltag den ihr anvertrauten Bereich so managen und führen, dass dieser seinen Beitrag zum Unternehmenserfolg leistet. Hierfür muss sie unter anderem die (Zusammen-)Arbeit ihrer Mitarbeiter zielführend organisieren. Zudem muss sie im Betriebsalltag die richtigen Prioritäten setzen.
Funktion 2: Sie muss durch ihr heutiges Handeln dafür sorgen, dass ihr Bereich auch künftig seinen Beitrag zum Unternehmenserfolg leistet. Hierfür muss sie unter anderem die Zukunft gedanklich vorwegnehmen und die Folgen ihrer Entscheidungen abschätzen können. Zudem braucht sie gewisse Leadership-Eigenschaften. Sie muss zum Beispiel ihre Mitarbeiter als Mitstreiter für geplante Veränderungen gewinnen können.
Sich auf die angestrebte Position vorbereiten Inwieweit Bewerber, über das hierfür erforderliche Entwicklungspotenzial bzw. die nötigen Kompetenzen verfügen, das versuchen Unternehmen schon in ihren Einstellungsverfahren zu ermitteln – zum Beispiel in Assessment-Centern. Die erfreuliche Nachricht hierbei ist: Die dort untersuchten Kompetenzen kann man schulen. Hierfür gibt es inzwischen meist computer- bzw. netzgestützte Entwicklungsprogramme. Mit ihnen kann man sich das zum Führen von Bereichen und Menschen nötige Know-how aneignen. Die ausgereifteren Programme stellen den Teilnehmern zudem praktische Aufgaben, bei denen sie das erworbene Wissen anwenden können, und hierbei erhalten sie Feedback von einem (Online-)Coach. Dahinter steckt unter anderem die Erkenntnis: Das größte Know-how in Sachen Führung nutzt einer Person wenig, wenn sie dieses nicht anwenden und andere Menschen für sich und ihre Ideen begeistern kann.
Das wissen auch die Unternehmen. Deshalb achten sie bereits im Auswahlprozess vor Neueinstellungen darauf: Zeigte der Bewerber in der Vergangenheit in der Praxis schon mal Eigenschaften und Fähigkeiten, die unsere Führungskräfte künftig brauchen? Arbeitete er zum Beispiel während des Studiums in Projekten mit, bei denen neue zukunftsweisende Problemlösungen entworfen und realisiert wurden? Engagierte er sich ehrenamtlich in Funktionen, die gewisse Führungs- bzw. Leadership-Eigenschaften erfordern? Wenn ja, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen zum Entschluss gelangt „Ja, das könnte eine künftige Führungskraft von uns werden“ und den Neuen zum Beispiel in sein Traineeprogramm aufnimmt.
Die berufliche Karriere gezielt planen Doch damit hat der junge Mitarbeiter sein Ziel „Führungskraft werden“ noch nicht erreicht, und schon gar nicht ist sichergestellt, dass er als Führungskraft auch in die mittlere und obere Führungsebene aufsteigt. Denn faktisch bedeutet „Trainee sein“: Die Person steht unter verschärfter Beobachtung. Das Unternehmen überprüft im Betriebsalltag: Erfüllt der Kandidat unsere Erwartungen? Und: Inwieweit gelingt es ihm – vergleichen mit den anderen Kandidaten für eine Führungsposition – sein Potenzial wirklich abzurufen und zu entfalten?
Die Antworten auf diese Fragen entscheiden letztlich darüber, ob eine Person real Führungskraft wird und eventuell sogar als Kandidat für mittlere und obere Führungspositionen gesehen und entsprechend gefördert wird. Deshalb sollten Nachwuchskräfte, die eine solche Position anstreben, an ihrer persönlichen (Weiter-)Entwicklung arbeiten. Sie sollten darauf hinarbeiten, dass sie eine eigene Leadership-ID entwickeln und bei ihren Vorgesetzten das Gefühl entsteht: Dieser Person können wir mittelfristig auch komplexe Führungsaufgaben anvertrauen.
Das eigene Licht nicht unter den Scheffel stellen Das erfordert auch einen adäquaten Auftritt. Hierzu sagte in meinem Beisein einmal der CEO eines Konzerns während einer Veranstaltung zu dessen „Goldfischen“ bzw. „High Potentials“: „Sie müssen selbst dafür sorgen, dass Sie von mir und meinen Kollegen gesehen werden. Wenn Sie Ihr Licht unter den Scheffel stellen, nimmt Sie auch niemand wahr.“ Kurze Zeit später warnte er die Führungsnachwuchskräfte jedoch auch: Lehrjahre sind keine Herrenjahre – auch im Bereich Führung. Wer zu dominant agiert, dem wird rasch ein Mangel an Fingerspitzengefühl und Diplomatie und somit Teamfähigkeit unterstellt.
Die rechte Balance zu finden, zwischen einem zwar selbstbewussten, jedoch nicht selbstherrlichen Auftritt, auch dies kann und muss man lernen. Also sollten die jungen Frauen und Männer, die davon träumen, eine (mittlere oder obere) Führungskraft zu werden, dies tun.
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