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Bescheinigung fehlt: Keine Vergütung?

23.07.2020

von RA Michael Seitz

Eine Allgemeine Geschäftsbedingung des Auftraggebers, die diesen berechtigt, wegen einer einzelnen fehlenden Bescheinigung den gesamten Restwerklohn einzubehalten, benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen und ist daher unwirksam.

Dies hat das OLG Köln in einem Urteil vom 04.09.2019 (Az.: 16 U 48/19) entschieden.

Der Fall: AG schließt mit AN einen Bauvertrag, der u. a. auch ein Verhandlungsprotokoll umfasst. Dieses wiederum verweist auf eine Auflistung von Bescheinigungen, die AN vorzulegen hat und die sich über mehrere Seiten erstreckt. Unter anderem sind dort Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Sozialversicherungsträger aufgeführt. An anderer Stelle des Vertrages, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, hat AG formuliert, dass die Vergütung des AN erst fällig wird, wenn alle in der Auflistung aufgeführten Bescheinigungen aktuell und vollständig vorliegen. Als AN seinen Restwerklohn in Höhe von rund 57.000,00 Euro verlangt, verweigert AG die Bezahlung mit der Begründung, die Bescheinigungen der Sozialversicherungsträger fehlten. Daraufhin klagt AN den Restwerklohn ein.

Das Urteil: Und hat damit Erfolg! Nach Auffassung des OLG Köln benachteiligt die AGB-Klausel des AG den AN unangemessen und unter Verstoß gegen Treu und Glauben, weshalb sie unwirksam ist. Sie ist zudem auch intransparent. Zwar habe AG ein berechtigtes Interesse, einer Bürgenhaftung aus § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) durch Vorlage von Unbedenklichkeitsbescheinigungen zu entgehen. Bei der Pflicht zur Vorlage dieser Bescheinigungen handele es sich jedoch nur um eine Nebenpflicht des AN, die Bezahlung stelle hingegen eine Hauptpflicht des AG dar. Daher sei den Interessen des AN der Vorrang jedenfalls dann einzuräumen, wenn bereits das Fehlen einer einzelnen Bescheinigung den Einbehalt des gesamten Restwerklohnes nach sich ziehen soll. Zudem sei die sich über mehrere Seiten erstreckende Auflistung auch intransparent, da auch für den aufmerksamen Leser des Vertrages nicht ohne weiteres erkennbar sei, wann er welche Bescheinigungen vorzulegen habe. Da die Klausel unwirksam ist, wird AG trotz Fehlens der Bescheinigung zur Zahlung des Restwerklohns verurteilt.

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Fazit: Was für den Generalunternehmer eine Notwendigkeit darstellt, um der möglicherweise noch lange Zeit andauernden Haftung für Sozialversicherungsbeiträge und Mindestlöhne zu entgehen, ist für den Nachunternehmer eine lästige Pflicht. Auch werden fehlende Bescheinigungen vom Bauherrn oft und gern zur Zahlungsverzögerung genutzt. Jedenfalls dann, wenn bereits das Fehlen einer einzelnen Bescheinigung zur Verweigerung der gesamten Schlusszahlung führt, ist eine solche Klausel in den AGB des Bauherrn unwirksam. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass das Fehlen von derartigen Bescheinigungen sanktionslos bliebe. Zum einen wird man sicher vereinbaren können, dass bei Fehlen einer jeden Bescheinigung ein bestimmter Betrag einbehalten werden darf. Im Übrigen dürfte der Auftraggeber selbst dann, wenn eine solche Vertragsklausel nicht existiert, aber die Vorlage von Bescheinigungen wirksam vereinbart ist, bei Fehlen einzelner oder aller Bescheinigungen ein Zurückbehaltungsrecht zumindest an Teilen der Vergütung zustehen.

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