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„Bessere“ Leistung ausgeführt: Mangel?

07.05.2020

Von RA Michael Seitz

Auch wenn die Ist-Beschaffenheit des Bauwerks aus technischer Sicht höherwertig ist als die Soll-Beschaffenheit, stellt dies grundsätzlich einen Mangel dar. In der Regel kann der Besteller dann aber nach dem Grundsatz von Treu und Glauben Gewährleistungsansprüche nicht geltend machen.

Dies hat das OLG Koblenz in einem Urteil vom 23.02.2017 (Az.: 6 U 150/16) entschieden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen (BGH vom 18.12.19, Az.: VII ZR 68/17).

Der Fall: AG beauftragt den AN mit der Errichtung eines Drogeriemarkts. Den restlichen Werklohnanspruch aus der Schlussrechnung des AN zahlt AG nicht. Der Fliesenbelag sei abweichend von der Baubeschreibung nicht nur im Dünnbettverfahren verlegt, sondern zusätzlich auch noch gerüttelt worden. Zudem sei die Bodenplatte nicht für die vertraglich vereinbarte Nutzlast ausgelegt. AN klagt seinen Werklohn ein, AG rechnet mit einem Vorschussanspruch in Höhe der Mängelbeseitigungskosten auf.

Das Urteil: AN gewinnt! Zwar sei – so stellt das OLG fest – von der vereinbarten Beschaffenheit (Verlegung im Dünnbettverfahren, Nutzlast = 5.000 kN/qm) abgewichen worden. Allerdings sei die Ausführung hier qualitativ in beiden Fällen höherwertiger als vereinbart. Die Belastbarkeit der Bodenplatte übersteige mit 5.900 kN/qm den vertraglich vereinbarten Wert, auch das zusätzliche Einrütteln der Fliesen sei technisch als höherwertig anzusehen. Daher sei es AG nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt, Gewährleistungsansprüche geltend zu machen.

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Fazit: Bauunternehmer meinen häufig, eine höherwertige Ausführung sei doch kein Mangel. Dies ist nach der Rechtsprechung zum funktionalen Mangelbegriff falsch. Jede Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit stellt einen Mangel dar. Dies gilt auch, wenn die Ausführung technisch „besser“ ist als das im Vertrag vereinbart. Gerade wenn die Parteien – wie hier – eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben, stellt jede Abweichung davon einen Mangel dar. Eine andere Frage ist jedoch, ob sich AG auf diese Mangelhaftigkeit berufen und die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes verlangen kann. Dies wird ihm regelmäßig nach Treu und Glauben verwehrt sein, jedenfalls dann, wenn der Besteller nicht gerade auf die vereinbarte Ausführungsart einen besonderen Wert gelegt hat. Im vorliegenden Fall wird man im Übrigen bereits bei der Auslegung des Vertrages zu dem Ergebnis kommen können, dass es sich bei den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses lediglich um Mindestanforderungen handelte. Gleichwohl sollte man sich merken: Für die Mangelhaftigkeit des Werkes ist nicht der objektive technische Nutzen, sondern vielmehr der subjektive Wille des Bauherrn maßgeblich. Hat also der Bauherr ein besonderes Interesse an einer bestimmten Ausführung, so stellt eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit selbst dann einen beseitigungspflichtigen Mangel dar, wenn die tatsächliche Ausführung technisch „besser“ ist.

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